Medienkompetenzprojekte


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Bayerischer Rundfunk kooperiert mit LMU-Klinikum Medienkompetenzprojekte unterstützen Jugendpsychiatrien

Distanzunterricht, Lockdowns und Kontaktsperren - die Corona-Maßnahmen haben das Leben und insbesondere die Psyche von vielen Kindern und Jugendlichen stark beeinträchtigt. Seit Monaten gibt es immer wieder Meldungen, dass Jugendpsychiatrien überlastet sind. Ein neuer Bereich für die Medienkompetenzprojekte sich zu engagieren - richten sich deren Angebote doch bislang vorwiegend an Lehrkräfte und Schulklassen. Ein erstes Pilotprojekt mit der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie am LMU Klinikum in München wurde bereits erfolgreich abgeschlossen.

Stand: 02.05.2022

Medienkompetenzprojekt in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LMU. | Bild: BR

Beim Pilotprojekt in der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie ging es darum, die Jugendlichen zu motivieren und mit ihnen ganz in die Welt von Social Media einzutauchen.

BR-Coach Florian Schwegler erstellte mit den Patientinnen und Patienten kurze, unterhaltsame Videos für Social-Media-Plattformen, sogenannte Reels. Vorbereitet und begleitet wurden die Workshops durch Expertinnen und Experten der LMU. Wir haben mit Projektleiterin Claudia Stamm gesprochen.

Intranetteam: Der BR geht in die Psychiatrie - das lässt ja erst einmal aufhorchen. Was steckt dahinter?

Claudia Stamm: Wir alle haben mitbekommen, welche Auswirkungen die Maßnahmen rund um Corona auf Kinder und Jugendliche hatten. Kurz vor Weihnachten kamen vermehrt Berichte darüber, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrien überlaufen sind. Da habe ich mit Unterstützung meiner Chefin Isabella Schmid, der Leiterin der BR Medienkompetenzprojekte, dieses Projekt konzipiert. Was steckt dahinter? Ganz einfach: Bislang haben die Medienkompetenzprojekte vornehmlich Klassen und Lehrkräfte angesprochen. Aber wenn der Bedarf sich verschiebt, dann müssen wir als öffentlich-rechtliches Unternehmen halt flexibel sein und dort hingehen, wo der Bedarf ist.

Intranetteam: Was ist das Ziel des Projekts?

Claudia Stamm: Die Jugendlichen stecken in einer so schwierigen Lebenssituation, dass wir sie nicht überfrachten dürfen. Es fällt ihnen schwer, ihr Leben überhaupt einigermaßen im Griff zu haben, da dürfen wir sie in unseren Kursen nicht auch noch mit den Nachrichten konfrontieren. Sondern es geht darum, ihnen Freude in ihren Klinikalltag zu bringen und ihnen zum Beispiel zu zeigen, wie sie gut mit dem Handy filmen und diese Filme schneiden können. Oder wie jetzt beim Pilotprojekt: ihnen zu zeigen, wie ein Reel gedreht wird.

Intranetteam: Wie kam die Verbindung zur LMU zustande?

Claudia Stamm: Ich hatte Professor Schulte-Körne, den Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der LMU, zu Beginn der Pandemie interviewt. Als noch niemand über die Auswirkungen der Maßnahmen auf Kinder und Jugendliche nachgedacht hat, sprach ich in diesem Interview für die Stiftung Zuhören mit Prof. Schulte-Körne darüber. Die LMU war bei diesem Thema Vorreiter und hat sehr früh versucht, ein niederschwelliges Angebot bezüglich "Corona für Kinder" zu machen. Sie haben das Infoportal "Corona und Du" entwickelt.

"Die Zusammenarbeit zwischen Bayerischem Rundfunk und der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie war sehr erfolgreich, und es konnten tolle Ergebnisse erzielt werden. Es gelang, die psychisch belasteten Jugendlichen mit dem Medienkompetenzprojekt zu motivieren. Das Erleben von Selbstwirksamkeit und Erfolgen leistet bei der Behandlung unserer Patientinnen und Patienten einen wichtigen Beitrag. Daher hoffen wir auf eine Fortführung dieser Kooperation."

Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum der LMU

Intranetteam: Die Idee für dieses Projekt war kurz vor Weihnachten geboren und der Kurs fand in den Faschingsferien statt? Das ging aber schnell …

Coach Florian Schwegler erklärt.

Claudia Stamm: Nun ja, ich bin mit der Idee bei der LMU offene Türen eingerannt. Die waren alle gleich so begeistert und wollten loslegen. Und der Kurs war ja erst einmal nur ein Pilot. Aber ein sehr erfolgreicher! Nun müssen wir Gelder für eine Fortführung organisieren. Das wird unsere nächste Aufgabe sein.

Intranetteam: Warum ist der Bayerische Rundfunk bzw. sind die Medienkompetenzprojekte da die geeigneten Partner? Wir sind ja nicht "vom Fach"?

Claudia Stamm: Ich glaube, es ist gut, dass wir nicht vom Fach sind. Es geht darum, unbeschwert ranzugehen und den Jugendlichen einen Mehrwert zu bieten - bei der Gestaltung ihres Tages, beim Erlernen eines neuen "Skills" ...

"Die Jugendlichen haben sich mit Begeisterung auf die Inhalte eingelassen. Ich hatte das Gefühl, sie sind während des Workshops über sich hinausgewachsen. Das Ganze war auch ein Gewinn für mich."

Florian Schwegler, Coach Medienkompetenzprojekte

Intranetteam: Was bringt dieses Coaching den Jugendlichen? 

Claudia Stamm: Den Piloten hat unser Coach Florian Schwegler durchgeführt.

Coach Florian Schwegler erklärt die Funktion des Greenscreens.

Obwohl uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte und die Station zwischendurch geschlossen werden musste, waren alle ganz begeistert. Florian war mit so viel Elan und Freude beim Projekt dabei. Ich habe die Oberärztin und zwei Pädagoginnen der Station bei der letzten Sitzung erlebt. Sie waren sehr dankbar, dass dies für ihre Jugendlichen möglich war.

Intranetteam: Was würdest du dir für die Zukunft des Projekts wünschen?

Claudia Stamm: Es gibt sicher immer genug Bedarf, unsere Kurse anzubieten. Erstens reichen die therapeutischen Angebote für Kinder und Jugendliche schon länger nicht aus - wenn wir da mit unseren Kursen etwas Entlastung bieten können, dann ist das gut. Zweitens bin ich mir sicher, dass wir noch lange die Auswirkungen von den Lockdowns und vom Druck, den die Kinder und Jugendlichen durch das Homeschooling hatten, spüren werden. Zusammengefasst: Ich wünsche mir einfach, dass es eine Fortsetzung gibt - noch besser: Fortsetzungen - möglichst in der Fläche. Also dass wir als Medienkompetenzprojekte in ganz Bayern Kurse anbieten können.

"Nach Auskunft der kassenärztlichen Verbände sind die Zahlen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie deutlich gestiegen: letztes Jahr um fast 40 Prozent im Vergleich zu zwei Jahren zuvor. Noch erschreckender ist das Ergebnis einer Studie der Uniklinik Essen: Die Anzahl der Kinder, die nach einem Suizidversuch auf der Intensivstation behandelt werden mussten, stieg im zweiten Lockdown um 300 Prozent. Anlass für den BR, mit unseren Möglichkeiten dort zu helfen, wo wir gefragt sind."

Isabella Schmid, Leitung Medienkompetenzprojekte


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