"Kings of Stonks"
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Szene aus "Kings of Stonks"

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Serie "King of Stonks" macht den Wirecard-Skandal zur Satire

Keine Visionen, nur Geprotze: "King of Stonks" inszeniert die Unternehmenswelt nicht wie so oft als attraktiv, sondern als spießig und stumpf. Aber manchmal hätte auch der Serie selbst kleckern statt klotzen gut getan.

"Wenn du erfolgreich sein willst, musst du immer wachsam sein. Denn je höher du steigst, desto tiefer kannst du fallen." Felix Armand, 30 Jahre alt und mit allen Floskeln der Unternehmenswelt ausgestattet, ist die rechte Hand seines Chefs. Felix hat den Plan, sein Chef präsentiert ihn. Und sein Chef, das ist Dr. Magnus Cramer, CEO der vielversprechenden – nicht zufällig an Wirecard erinnernde – Firma CableCash, die an die Börse gehen will. Das sollte auch ein großer Schritt für Felix werden: Zum Co-CEO. "Chief Executive Officer. Oder auf Deutsch: Chef von allem." Nur hat Felix' Chef einen anderen Plan...

"King of Stonks": Netflix trifft auf Feuilleton

Dr. Magnus Cramer ist ein neureicher Gockel: Der Narzisst will zeigen, dass er "es geschafft hat" und ist zu phantasielos, um damit etwas Anderes zu meinen als sehr viel Geld. Tatsächlich hat CableCash enormen Erfolg. Die Firmenfeiern erinnern an den Film "The Wolf of Wall Street" – nur wird der Unternehmenshype in "King of Stonks" nicht als attraktiv inszeniert, sondern als spießig und stumpf. Hier gibt es Protzer, aber keine Visionäre. Wir beobachten nicht den DaVinci unserer Zeit. Sondern einen Mann über 40, wie er sich volltrunken das Firmenlogo auf den Allerwertesten tätowieren lässt. Und wir sehen eine Digitalministerin, die lieber Buddy des CEOs sein will, als eine Politikerin mit Plan.

Dabei gibt es gar nichts zu feiern: In Anlehnung an den Wirecard-Skandal hat das fiktive Unternehmen CableCash Zahlen aufgeblasen, eine Firma künstlich teuer gekauft, um Bilanzen zu fälschen. Auch an die Ibiza-Affäre wird erinnert, zu schön sind die Red-Bull-Dosen platziert, die auch im Skandal-Video mit Heinz Christian Strache bereit stehen, dem ehemaligen Vizekanzler Österreichs. "King of Stonks" heißt: Netflix trifft auf Feuilleton. Wer die Skandale verfolgt hat, erhält von den Serienmachern ein lobendes Kopftätscheln: Hier zahlt sich aus, dass du versucht hast, den Überblick zu behalten, dafür zeigen wir dir jetzt den Wahnwitz.

Das muss doch Satire sein

Hinter der Serie steckt die Bild- und Tonfabrik, die etwa Jan Böhmermanns Neo Magazin Royal produziert hat, genauso wie die deutsche Netflix-Serie "How to Sell Drugs Online Fast". Ähnlich wie sie funktionieren die ersten Folgen von "King of Stonks": Schnelle Schnitte, Stimme aus dem Off, lustige Clips und: Gastauftritte – unter anderem von Uschi Glas, Christian Tramitz und Wilson Gonzalez Ochsenknecht, der als Teil eines Pornoplattform-Gründerduos für Action sorgen soll – und die Mafia schaut auch noch vorbei.

Da wünscht man sich direkt: ein bisschen mehr kleckern statt klotzen. Und wird ab der Hälfte der Staffel glücklich, wenn die präzisen Dialoge mehr Raum erhalten, die Hauptfigur Felix Armand treibende Kraft bleibt und doch leidender Held wird. Denn es sind nicht die Zahlen und die Rekonstruktion von Täuschung und Betrug, die diese Serie sehenswert machen. Es ist die Dynamik zwischen den Figuren, die Reibung und die Ängste. Die Form der Satire ist Balsam für Serienfans. Aktuell gibt es eine Fülle an Serien, die Betrug und Täuschung verhandeln und auf wahren Begebenheiten basieren. Sie zeigen uns, wie bereitwillig die Finanzwelt glaubt, statt zu prüfen. Auch wenn es sich um gigantische Summen handelt. Bei "King of Stonks" kann man sich endlich mal wieder entspannt denken: Das muss doch Satire sein – auch, wenn es bittere Realität ist.

"King of Stonks" ist ab sofort bei Netflix zu sehen.

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