Gesundheitstag


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Vorteile von Muttermilch Stillen – rundum gesund und doch oft verpönt

Stillen ist gesund und für viele Frauen selbstverständlich. Trotzdem ist es nicht selbstverständlich, dass Frauen in ihrem Wunsch zu Stillen immer ausreichend Unterstützung finden.

Von: Julia Grantner

Stand: 21.10.2019

Seit fünf Monaten ist Nina zweifache Mama. Ihr Baby Henry zu stillen, klappt ohne Probleme. Bei ihrem größeren Sohn James war das damals ganz anders. Ein, zwei Tage nach der Geburt hieß es, er nehme nicht genug zu – und das, obwohl Nina schon rund um die Uhr stillte. Sie ist noch erschöpft von der Geburt, die Situation setzt ihr zu.

"Es war angespannt und stressig. Als James noch mehr abgenommen hat, hieß es, sie würden dann zufüttern. Das war für uns die Überlegung: Machen wir das? Wie viel füttert man zu? Klappt das dann mit dem Stillen weiter?"

Nina, zweifache Mutter

Nina hatte bei ihrem ersten Sohn Probleme mit dem Stillen.

Nina will ihren ersten Sohn unbedingt stillen – sie ist enttäuscht, dass sie anstatt Hilfe gleich den Rat bekommt, das Fläschchen zu geben. Sie stimmt dennoch zu. Doch es dauert nicht lange, bis die junge Mutter Angst bekommt, dass ihr Baby gar nicht mehr an der Brust trinken möchte.

Nach sechs Monaten stillen noch 13 Prozent der Mütter

Auch die aktuellen Still-Quoten der Geburtsjahrgänge 2012 bis 2016 zeichnen ein durchwachsenes Bild: Zwei Drittel der Mütter (68 Prozent) stillen ihr Kind nach der Geburt ausschließlich. Nach zwei Monaten sind es noch 57 Prozent, nach vier Monaten 40 und nach sechs Monaten sind es sogar 13 Prozent.

Vorteile für Kind und Mutter

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, bis zum sechsten Monat ausschließlich zu stillen. Die Vorteile: Stillen schützt das Baby und senkt das Risiko vor plötzlichem Kindstod, Durchfallerkrankungen, Mittelohrentzündungen, Übergewicht und Diabetes Typ 2. Für die Mutter senkt Stillen für das Risiko von Eierstockkrebs, Brustkrebs, Gebärmutterschleimhautkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Deutschland beim Stillen mittelmäßig

In der Haunerschen Kinderklinik in München kamen die Zwillinge von Fanny Kählke neun Wochen zu früh zur Welt. Der Bruder von Clara liegt noch auf der Intensivstation. Für die winzigen Erdenbürger ist Stillen besonders wichtig.

Prof. Berthold Koletzko liegt das Stillen am Herzen. Er hat das Forschungsprojekt „So wird Deutschland stillfreundlich“ als Experte begleitet. Darin wird klar: Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland mittelmäßig ab.

Prof. Berthold Koletzko sieht beim Thema Stillfreundlichkeit noch viel Luft nach oben.

"Wir haben einen guten Mutterschutz. Da stehen wir besser da als viele Länder in Europa. Aber es gibt einige Dinge, wo wir viel besser werden können, zum Beispiel bei der Unterstützung des Stillens, gerade im Gesundheitswesen und auch bei der gesellschaftlichen Akzeptanz. Es ist für Mütter immer noch schwierig, in der Öffentlichkeit zu stillen. Es sollte selbstverständlich sein, dass man im Café und in der Bahn stillt – ohne dass man komisch angeguckt wird."

Prof. Dr. med. Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendmediziner, Haunersches Kinderspital München

Muttermilchbank für Frühchen

Wie wichtig Muttermilch ist, weiß man hier: in der Muttermilchbank am Klinikum Großhadern. Wenn Frauen ihr Kind zu früh zur Welt bringen, reicht die eigene Muttermilch in den ersten Lebenstagen häufig nicht aus. Deshalb ist gespendete Milch so wichtig. Doch das kostbare Gut wird oft knapp.

Aktuell werden alle Frühgeborenen versorgt, die weniger als 1.000 Gramm wiegen und vor der 30. Schwangerschaftswoche geboren wurden. Das Ziel ist es, alle Kinder unter 1.500 Gramm zu versorgen, aber das ist unter anderem wegen der Lagerkapazität im Augenblick nicht möglich.

Spenden können nur gesunde Mütter, die vorab auf Infektionen wie HIV oder Hepatitis getestet werden. Dann kann deren Milch roh verfüttert werden, um keine der wertvollen Inhaltsstoffe zu verlieren.

Und es gibt noch einen ganz anderen Vorteil: Stillrelevante Themen sind bei der Ausbildung von Gesundheitsberufen oft unzureichend enthalten. Durch die Muttermilchbank rückt das Thema für alle Mitarbeiter in den Fokus.

Still-Expertin Susanne Herber-Jonat: "Jeder Tropfen ist unendlich kostbar."

"Jeder Tropfen ist unendlich kostbar. Durch die Muttermilchbank ist das im Bewusstsein von allen Mitarbeitern. Immer wenn eine Frau nicht in die Milchbildung kommt oder traurig ist, dass es nicht funktioniert, ist jeder sofort bemüht, diese Mütter zu beraten."

PD Dr. med. Susanne Herber-Jonat, Neonatologin, Perinatalzentrum Großhadern, München

Und das zeigt Wirkung: Babys, die selbst Spendermilch bekommen haben, werden jetzt wesentlich häufiger bei ihrer Entlassung von ihrer Mutter gestillt. So eine hauseigene Statistik.


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