Gesundheitstag


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Yoga im Alter Kopfstand für ein langes, gesundes Leben

Yoga hält die Gelenke und Muskeln geschmeidig, stärkt Herz und Kreislauf, fördert die Konzentration und wirkt ausgleichend auf die Psyche. Selbst die gesetzlichen Krankenkassen erkennen die gesundheitsfördernde Wirkung an. Wichtig: Übungen regelmäßig machen.

Von: Kirsten Zesewitz

Stand: 08.11.2011 | Archiv

Yoga zur Entspannung | Bild: BR/Johanna Schlüter

"Ich begrüße die Sonne, ich begrüße den Mond …" - die Arme in die Luft, nach links, rechts und flach zum Boden. Wer Irma Sauerteig bei ihrem morgendlichen 'Gruß ans Universum' im Englischen Garten zuschaut, kann sich nur schwer vorstellen, dass diese fröhliche Frau, die da ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Stand flach mit den Händen zum Boden kommt, tatsächlich 86 Jahre alt ist. Sie ist keine schwebende Yoga-Lehrerin, keine durchtrainierte Tänzernatur – Irma Sauerteig ist gelernte Schneiderin, eine ganz normale Frau aus der Münchner Maxvorstadt. Mit einer Besonderheit: Sie übt seit fast 40 Jahren Yoga. Jeden Tag ein Viertelstündchen …

Los ging‘s mit dem Aktuellen Sportstudio

Es war 1973 – die Flower-Power-Generation hatte längst die Vorzüge fernöstlicher Entspannungstechniken entdeckt – als Harry Valerien die kanadische Yoga-Queen Karen Zebrow ins Aktuelle Sportstudio einlud. Sie erzählte von ihrer Yoga-Praxis, führte einige Übungen vor – und nahm damit nicht nur Moderator Harry Valerien für sich ein: Für Irma Sauerteig wurde die Sendung zum Schlüsselerlebnis.

"Ich war ganz begeistert von diesen graziösen Übungen – und da habe gedacht, das möchte ich auch machen."

Irma Sauerteig

Mit Yoga aus der Lebenskrise

Irma Sauerteig war damals in einer tiefen Lebenskrise. Zwei Tage nach der Sendung begibt sich Irma Sauerteig auf die Suche nach einer Yoga-Schule – es gab damals in München nur drei – und schreibt sich zu einer Probestunde ein. Mit Hilfe der Yogastunden lernte sie, sich und ihr Leben neu zu entdecken.

"Mein Mann ist plötzlich gegangen und ich wurde mit der Situation einfach nicht fertig.  Ich habe viel geweint. Dann kam ich zum Yoga und habe gelernt, mich zu entspannen und loszulassen, den Menschen gehen zu lassen – man kann ihn nicht halten … Und dann habe ich das erste Mal empfunden, wie ich mich wohlgefühlt habe und gemerkt habe, wie ich atme."

Irma Sauerteig

Mit Geduld üben

Ehrgeiz und Leistungsdruck sind beim Yoga fehl am Platz. Was das Yoga ausmacht, ist die innere Haltung. Sie unterscheidet Yoga von Gymnastik. Jede Übung soll langsam und mit voller Konzentration ausgeführt werden. Ganz wichtig dabei ist die Atmung. Eine tiefe Atmung vom Bauch, über die Brust bis unter die Schlüsselbeine. Spezielle Atemtechniken unterstützen die Wirkungen der Übungen. Wichtig dabei ist, die Bewegung mit dem Atem zu koordinieren. Und wenn einem eine Haltung einmal nicht so gut gelingt, macht das gar nichts – dann macht man sie so gut und intensiv, wie es an diesem Tag möglich ist.

Glücksgefühl im Kopfstand

In vielen Jahren der Yoga-Praxis schafft es Irma Sauerteig zum Kopfstand. Noch heute erzählen die Frauen im Yoga-Kurs, wie Irma zwischen ihnen im Kopfstand ausharrte. Den Kopfstand kann Irma Sauerteig heute nicht mehr, der Hund ist bis derzeit ihre Lieblingsübung. Der Hund dehnt den Rücken, löst Verspannungen und kräftigt die Schultern. Die meisten Teilnehmerinnen im Yoga-Kurs sind im gleichen Alter wie Irma Sauerteig – selbst die Kursleiterin Margot Redl ist schon 87 Jahre alt. Margot Redl kam schon als Kind im Wien der 1920er Jahre mit Yoga in Berührung, seit 50 Jahren unterrichtet sie Hatha-Yoga. Für sie ist Yoga eine Lebenseinstellung. Man bleibt niemals stehen, sondern entwickelt sich ständig weiter.

"Nicht, das Äußere ist wichtig, sondern wie du innerlich konzentriert bei dir bist. Konzentration ist geistige Kraft. Wenn wir die Übungen machen, sag ich immer: bei sich sein. Sich vorstellen, was passiert im Körper. Dann lernen wir, uns selbst zu beachten. Fühle ich mich wohl? Ist etwas nicht in Ordnung? Man muss achtsam sein, dann entdeckt man sich selbst."

Margot Redl, Yogalehrerin, Yoga-Institut München

Die Wirkung der Haltungen

Es gibt verschiedene Gruppen von Übungen: die Stand-, Sitz- und Liegehaltungen, die Vor- und Rückwärtsbeugen, die Umkehrhaltungen, Dreh- und Gleichgewichtsübungen. Jede sogenannte Asana (Haltung) hat eine Aufgabe im Körper. Beim Neigen nach rechts und links in der Palme wird die Wirbelsäule animiert, die Katze hält das Rückgrat flexibel und der Krieger stärkt Beine und Schultergürtel. Der Drehsitz dagegen regt die Verdauung an und der auf einem Bein stehende Baum schult das Gleichgewicht. Genauso wichtig sind die Pausen zwischen den Übungen – in den Entspannungsphasen werden Spannungen und Stress abgebaut.

Kerngesund ohne Medikamente

Die meisten Menschen in Irma Sauerteigs Alter müssen jeden Tag mehrere Medikamente einnehmen – sie kommt fast ohne Tabletten aus. Ein bisschen Calcium für die Knochen – mehr schluckt die 86-Jährige nicht. Neulich hat ihr Hausarzt ihr gesagt, dass sie wohl 100 Jahre alt werde ...

Yoga in der Wissenschaft

Seit den 60er Jahren wird die Wirkung des Yoga erforscht, vor allem in den USA und Indien. Inzwischen beschäftigen sich auch deutsche Wissenschaftler mit den Auswirkungen des Yoga, zum Beispiel an den Universitäten Essen, Berlin und Witten-Herdecke. 2009 gab die AOK eine Studie zur Wirkung von Yoga und Meditation in Auftrag, der zu Folge fast 13 Millionen Deutsche – also jeder fünfte – eine der beiden Techniken praktizieren. Befragt nach ihren Beweggründen gaben die meisten Teilnehmer an, mit Hilfe von Yoga und Meditation ihren Stress abbauen zu wollen. Mit Stress verbunden sind oft Beschwerden wie Rücken- und Kopfschmerzen sowie Nackenverspannungen. Einer Studie der AOK aus dem Jahre 2003 „Yoga zur Prävention“ zufolge bekamen über die Hälfte (55,1%) der Befragten mit Hilfe von Yoga ihre Rückenprobleme in den Griff. Bei einem Fünftel der Studienteilnehmer wurden Kopfweh (21,1%) und Schlafstörungen (18,5%) durch Yoga gelindert. Vier Prozent der Befragten berichteten über eine Blutdrucksenkung. Insgesamt freuten sich drei Viertel (73,7%) der Yoga-Übenden über mehr Gelassenheit im Alltag,  zwei Drittel (63,4%) waren zufriedener mit sich und ihrem Leben.

Schöner altern mit Yoga

Yoga wirkt auf drei Ebenen: körperlich, seelisch – und geistig. Menschen,die ihr Leben lang Yoga gemacht haben, scheinen im Alter gesünder und glücklicher zu sein als viele ihrer Altersgenossen. Menschen wie Irma Sauerteig strahlen auch mit 80 oder 90 Jahren eine unglaubliche Anmut und Fröhlichkeit aus. Yoga-Lehrer und Therapeuten berichten aus ihrer täglichen Praxis, dass diese älteren Menschen aktiver am Leben teilnehmen, interessierter und offener für Neues sind als viele Gleichaltrige. Obwohl es durch Studien nur schwer zu erfassen ist, scheint Yoga auch auf geistiger Ebene als Jungbrunnen zu wirken. Es hilft Menschen dabei, zufrieden und würdevoll dem Alter entgegen zu sehen. So wie Irma Sauerteig.

"Mit Zuversicht alt werden. Beim Yoga. Das empfinde ich sehr gut. Das Denken ist positiv und dadurch bin ich auch so fröhlich und freue mich jeden Tag und bei jedem Wetter und bin zufrieden. Dank Yoga muss ich sagen."

Irma Sauerteig


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