Franken - Zeitgeschichte


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Gegenwind Die BA in der Kritik

Der hohe Finanzbedarf sowie zahlreiche Fehlentwicklungen bei der Bundesagentur haben seit der Jahrtausendwende zahlreiche Kritiker auf den Plan gerufen. Die Vorwürfe reichten von Statistikbeeinflussung und kaum wirksamer Arbeitsvermittlung über Geldverschwendung und Günstlingswirtschaft bis hin zu unzureichendem Datenschutz.

Stand: 29.11.2011 | Archiv

60 Jahre Bundesagentur für Arbeit | Bild: picture-alliance/dpa

Auch der Bundesrechnungshof (BRH) hatte häufig Unregelmäßigkeiten zu beanstanden. So befasste sich ein Bericht des BRH Anfang 2002 mit den Praktiken der BA bei der Arbeitsvermittlung und löste den sogenannten "Vermittlungsskandal" aus: Den Mitarbeitern der Abteilung "Berufsberatung und Arbeitsvermittlung" wurde vorgeworfen, bewusst Manipulation von Statistiken betrieben zu haben. Dem BA-Präsidenten Bernhard Jagoda wurde zur Last gelegt, die Korrektheit der BA-Statistiken unzureichend geprüft zu haben. Als darüber hinaus bekannt wurde, dass der BA-Präsident bereits seit 1998 aufgrund eines Berichts der BA-Innenrevision von manipulierten Vermittlungszahlen wusste, konnte er sich nicht länger im Amt halten. Am 21. Februar 2002 trat Jagoda zurück.

Vorwurf der Geldverschwendung 

Einer Untersuchung des Bundesrechnungshofs (BRH) aus dem Jahr 2002 zufolge sollen die Arbeitsämter bei der Weiterbildung Milliardenbeträge nach Gutdünken vergeben haben. Für die Auswahl der Bildungsträger, die Weiterbildungsprogramme für Arbeitslose anbieten, hätten transparenten Vergabekriterien gefehlt. "Damit eröffnen sich erhebliche Risikopotenziale, auch und insbesondere hinsichtlich der Korruptionsgefährdung", stellten die BRH-Prüfer damals fest. Nach der Kritik hat die BA Vergabekriterien entwickelt und die Auftragsvergabe an Anbieter von Weiterbildungsprogrammen angepasst.

Da sich bereits im Januar 2004 abzeichnete, dass der Stellenmarkt der BA im Internet mit knapp 100 Millionen Euro Mehrkosten deutlich teurer als geplant ausfallen wird, geriet der neue BA-Chef Frank-Jürgen Weise in die Kritik. Entgegen eigener Bekundungen soll er frühzeitig über die Kostenexplosion bei der BA-Jobbörse Bescheid gewusst haben. Weise reagierte und grenzte die Kosten des virtuellen Arbeitsmarktes bis 2008 auf 163 Millionen Euro ein. Ursprünglich veranschlagt waren nur 65 Millionen Euro.

Im Sommer 2010 zog die BA aufgrund ihres sogenannten "AT-Konzepts" zur Entlohnung von Führungskräften erneut Kritik auf sich. Der BRH hatte Weise vorgeworfen, seit 2006 Stellen im IT-Bereich mit Topgehältern bis zu 200.000 Euro besetzt und vergütet zu haben. Weise argumentierte seinerseits, die Behörde habe sich entschlossen, Spezialisten für den IT-Bereich einzustellen, anstatt die Aufträge weiterhin an Externe zu vergeben. Diesen IT-Fachleuten bezahle die BA nun mehr als im öffentlichen Dienst üblich. Laut BA seien die Gehaltsstufen im AT-Konzept nicht unangemessen hoch gewesen und da an anderen Stellen gespart worden sei, wären der BA leine zusätzlichen Kosten entstanden.

Vorwurf der Günstlingswirtschaft

BA-Vorstand Florian Gerster wurde im November 2003 vorgeworfen, mit einer Berliner PR-Agentur einen überteuerten Beratervertrag abgeschlossen zu haben, ohne dass ein Ausschreibungsverfahren vorausgegangen war. BRH-Prüfer hatten festgestellt, dass Gerster den mit 1,32 Millionen Euro dotierten Vertrag nicht ohne eine Ausschreibung hätte vergeben dürfen. Zudem beanstandete der BRH, dass die Aufgaben der PR-Agentur in dem Vertrag nur äußerst vage gehalten wären. Wegen besonderer Eilbedürftigkeit hätte der geschlossene Vertrag nicht öffentlich ausgeschrieben werden können, begründete Gerster sein Vorgehen. Als weitere Verträge mit anderen Unternehmensberatungen bekannt wurden trat Gerster am 25.01.2004 zurück.

Der BRH bemängelte auch in der Folgezeit die Vergabe von Beraterverträgen. Laut Rechnungshof initiierte die BA im Herbst 2005 in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma McKinsey ein Programm zur Integration von Arbeitslosen. Im Sommer 2006 vergab die Behörde ohne Ausschreibung einen mit drei Millionen Euro dotierten Folgeauftrag an einen Berater aus diesem Programm. Laut BRH hat die BA damit erneut gegen das Vergaberecht verstoßen und überhöhte Honorare gezahlt. Die BA versicherte daraufhin, Weise habe die Details des Vergabeverfahrens nicht gekannt.

Vorwurf der ungenügenden fachlichen Betreuung

Mit Einführung der neuen Strukturen im Zuge der Hartz-Reformen fielen bei der BA  alle branchenspezifischen Vermittlungseinheiten weg. So gibt es nurmehr eine regionale Zuordnung der Arbeitssuchenden zu ihren Sachbearbeitern aber keine fachliche mehr. Kritiker bemängeln, dass die Vermittler kaum alle spezifischen Qualifikationen ihrer Bewerber kennen oder verstehen können. Es ist aber Kernaufgabe der Vermittler, die Qualifikationen der Bewerber zu erkennen und in eine Datenbank einzupflegen, da ohne ein ausführliches Bewerber-Profil nicht erfolgreich vermittelt werden könnte.

Vorwurf des mangelnden Datenschutzes

Für großen Unmut bei den Beziehern von Arbeitslosengeld II sorgte im Jahr 2009 der freizügige Umgang mit Klienten-Daten innerhalb der BA. Bis zum Herbst 2009 hatten etwa 100.000 Mitarbeiter der Jobcenter und Arbeitsagenturen über das BA-eigene Computerprogramm "4-PM" (Vier-Phasen-Modell) Zugriff auf sensible Daten von Hartz IV-Empfängern. Alle Informationen, von der Einkommenssituation, über Schulden sowie familiäre Hintergründe, der Berufsausbildung bis hin zu Vermerken über Suchtanfälligkeit, Wohnungsproblemen oder Vorstrafen, konnten in dem System abgerufen werden. Zugang dazu hatten auch BA-Mitarbeiter, die nicht mit der Betreuung von Arbeitslosengeld II-Beziehern betraut waren. Die BA reagierte auf die Vorwürfe und stellte sicher, dass vermittlungsrelevante sensible Daten aus der Potenzialanalyse der Bewerber nicht mehr uneingeschränkt bundesweit durch Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung eingesehen werden können, sondern nur noch von einem eingeschränkten Nutzerkreis.


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