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Nürnberger Menschenrechtspreis Der Kampf ums Wasser

Rodrigo Mundaca aus Chile kämpft seit Jahren für den freien Zugang zu Wasser in seiner Heimat. Im Konflikt zwischen Avocado-Bauern und Bevölkerung ist er ständig Einschüchterungen und Verfolgungen ausgesetzt. Sein Einsatz wird mit dem Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis gewürdigt.

Stand: 22.10.2018

Der Chilene Rodrigo Mundaca, Preisträger des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises 2019 | Bild: Heinrich-Böll-Stiftung

Was könnte selbstverständlicher sein, als an frisches Wasser heranzukommen? Hahn auf, Wasser raus, Hahn zu. Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht, das in unseren Breiten als derart gegeben hingenommen wird, dass niemand einen Gedanken daran verschwendet. Anderswo auf der Welt sieht das ganz anders aus. Zum Beispiel in Chile.

In dem südamerikanischen Land gibt es praktisch keine öffentlich organisierte Wasserversorgung. 90 Prozent der Wasserrechte liegen in privater Hand. Große Agrarunternehmen können Wasser aus Flüssen für ihre Plantagen und private Brunnen ableiten. Das führt zwangsläufig zu Konflikten mit der Bevölkerung, der im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben wird.

Avocado

So ist es auch in der Provinz Petorca im Norden der Region Valparaíso, ungefähr im Zentrum Chiles. Zwei Drittel so groß wie Mittelfranken, leben dort nur 70.000 Menschen, etwa die Hälfte davon in der Hauptstadt La Ligua. Schwer im Geschäft ist das dünn besiedelte Land beim Anbau von Nahrungsmitteln, dabei vor allem von Zitrusfrüchten und insbesondere Avocados. Ein Großteil der chilenischen Produktion stammt aus diesem Gebiet; bestimmt ist sie hauptsächlich für die Exportmärkte in Europa.

Flüsse trocknen aus

Rodrigo Mundaca

Vor allem Avocados sind sehr nahrhaft und ungeheuer durstig. Für die Produktion von einem Kilo der Früchte werden hunderte Liter Wasser benötigt. In der Region Petorca sind deshalb bereits Flüsse ausgetrocknet. Ständig kommt es zum Streit ums Wasser zwischen den Agribusiness-Unternehmen auf der einen Seite und Kleinbauern und der Bevölkerung auf der anderen, denen so die Lebensgrundlage genommen wird.

Rodrigo Mundaca kämpft in diesem Spannungsfeld für die gerechte Verteilung der Wasserressourcen. Er ist Generalseretär der Organisation Modatima (aus dem Spanischen: Bewegung zur Verteidigung des Zugangs zu Wasser, der Erde und des Umweltschutzes) und weiß als Agraringenieur, wovon er spricht.

Bedroht, eingeschüchtert, zusammengeschlagen

Neben Wissen braucht der 57-Jährige vor allem Mut, denn der Kampf ums Wasser wird in Petorca kriminalisiert. Nach Angaben der Jury des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises ist Mundaca permanent Einschüchterungen und Verfolgungen ausgesetzt, muss ständig befürchten, verhaftet zu werden. In nur zwei Jahren sei der Aktivist 24 mal vor Gericht gestanden. 2015 sei er zusammengeschlagen worden, auf offener Straße im Zentrum der Landeshauptstadt Santiago de Chile. Ermittelt habe die Polizei in diesem Fall nicht.

2017 wurde von der Umweltorganisation Danwatch eine Reportage über den Wasserraub und die Auswirkungen des Avocado-Anbaus für den Export veröffentlicht. Kurze Zeit später haben zwei der größten dänischen Supermarktketten chilenische Avocados aus dem Sortiment genommen. Mundaca habe daraufhin Morddrohungen erhalten, heißt es von der Jury weiter, musste zeitweise versteckt leben. Amnesty International Chile startete eine Kampagne, um die Arbeit des Aktivisten bekannter zu machen und ihn gleichzeitig zu schützen. Dennoch befindet sich Mundaca ständig in Gefahr und steht derzeit unter Polizeischutz.

Appell an die Verbraucher

Die Vergabe des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises will die Jury als Würdigung verstanden wissen für Mundaca, "der sich mit bewundernswertem Mut für das fundamentale Recht auf Wasser einsetzt". Gleichzeitig hofft die Jury, dass ihm die Ehrung den notwendigen Schutz gibt, um sein Engagement unter weniger Gefahren fortzusetzen. Von Jury-Mitglied Sonia Picado über die Ehrung informiert, brach Mundaca nach ihren Worten in Tränen aus.

Gleichzeitig soll die Auszeichnung daran erinnern, dass etwa 660 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Und nicht zuletzt will die Jury so an uns Verbraucher appellieren: Das Wissen um die Konsequenzen skrupelloser Anbaupraktiken wie die für die Avocados in Petorca soll zu verantwortungsvollem Konsum sensibilisieren. Denn der ist auch im vergleichsweise wasserverwöhnten Westen keine Selbstverständlichkeit.

Stichwort: Internationaler Nürnberger Menschenrechtspreis

Die Statuette des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises

Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung gilt als Symbol dafür, dass von Nürnberg, der ehemaligen Stadt der nationalsozialistischen Reichsparteitage und der menschenverachtenden NS-Rassegesetze, "in Gegenwart und Zukunft nur noch Signale des Friedens und der Völkerverständigung ausgehen".
Der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis 2019 wird am 22. September 2019 im Nürnberger Opernhaus verliehen.


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