Franken - Buchtipps


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Gunther Geltinger Benzin

Mit "Benzin" legt der in Erlenbach am Main geborene und aufgewachsene Gunther Geltinger seinen dritten Roman vor. Er handelt von der Reise eines schwulen Paares durch das südliche Afrika – einer Reise in das Herz der Finsternis.

Von: Dirk Kruse

Stand: 24.04.2019 | Archiv

Roman "Benzin" von Gunther Geltinger | Bild: Suhrkamp Verlag, Foto: BR-Studio Franken/Franz Engeser

Vinz ist Schriftsteller und Alexander Biologe. Die beiden Männer Mitte vierzig sind seit vielen Jahren ein Paar in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Doch ihre Ehe hat deutliche Risse bekommen. Zwar leben sie in einer offenen Beziehung, schnellen Sex mit anderen Männern holen sich beide über eine Dating-App per Smartphone. Doch dann verliebt sich Vinz in den viel jüngeren Manuel. Und Gefühle sind bei den offenen Seitensprüngen nicht vorgesehen. Eine schon länger geplante Reise nach Südafrika und Simbabwe soll die angeschlagene Liebe wieder kitten.

"Wenn sie erst einmal dort wären, würde Alexander schon spüren, dass auch aus dem Trost Nähe erwachsen kann und aus der Erkenntnis, dem Untröstlichen nicht helfen zu können, irgendwann das Verzeihen. Er stellte sich neben Alexander in die Schlange. Es wird schön, sagte der und nickte ihm aufmunternd zu, das war es doch bisher immer. (…) Die Angestellte des Bodenpersonals wünschte ihnen mit kaltem Lächeln einen guten Flug. Dann verschluckte sie der metallene Schlund."

aus dem Roman 'Benzin'

Entfremdung im fremden Land

Die Reise ins südliche Afrika wird für Vinz und Alexander nicht nur eine Reise in ein völlig fremdes Land, auch die beiden werden sich zunehmend fremder. Schon am ersten Abend fährt Vinz mit dem Mietwagen auf der dunklen Landstraße einen Schwarzen an. Aus schlechtem Gewissen engagieren die beiden den nicht allzu schwer verletzen Unami als Guide, der sie zu den legendären Victoriafällen ins diktatorisch regierte Simbabwe führen soll. Denn Wasserfälle sind Vinz‘ Leidenschaft. Und das fließende Element ist eine Metapher für sein Schreiben, das ebenfalls in eine Krise geraten ist, erklärt Gunther Geltinger.

"Wasser als Symbol des endlosen Flusses erzählt auch etwas über den Schreibprozess an sich. Vinz ist Schriftsteller. Er muss sich dem Strom der Worte überlassen. Ein Roman nimmt für mich als Autor eine unvorhersehbare Richtung ein wie das Wasser, das sich den schnellsten Weg gräbt, aber dabei auch viele Umwege beschreibt. Also die Richtung ist irgendwie vorherbestimmt, aber der genaue Lauf ist doch von Zufällen geprägt."

Gunther Geltinger

Recherche in Afrika, Schreiben in Bamberg

Fünf Jahre hat Gunther Geltinger an diesem Roman gearbeitet. Um "Benzin" schreiben zu können, hat der Autor vor Ort in Südafrika und Simbabwe auf mehreren Reisen intensiv recherchiert. Doch verfasst hat er die ersten Kapitel nicht dort, sondern im Bamberg, wo Geltinger ein knappes Jahr lang als Stipendiat in der Villa Concordia lebte. Mit Blick auf die Regnitz, statt auf den Sambesi.

"Tatsächlich hat mich das inspiriert. Ich bin viel an der Regnitz spazieren gegangen. Die Regnitz ist ein kleines Flüsschen, aber sie ist durchaus spannend, weil sie sich gerade in Bamberg in viele Kanäle auffächert, sich verzweigt. Es gibt Stauwehre. Es gibt kleine Wasserfälle. Es gibt sogar Stromschnellen. Das Geräusch der Regnitz, das Rauschen, hat mich inspiriert, hat mich begleitet, hat eine Art Geräuschkulisse, Klangkulisse, einen Grundton erzeugt. Und aus der Regnitz ist im Roman der Sambesi geworden."

Gunther Geltinger

Roadnovel, Liebesgeschichte und Afrikaroman

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Gunther Geltinger: Benzin, Frankfurt 2019, Suhrkamp Verlag, 378 Seiten, 24,00 Euro, ISBN 978-3-518-42859-7

Gunther Geltingers "Benzin" kann man als einen Roman über das schwule Milieu lesen. Doch das greift viel zu kurz. Er ist eine Roadnovel, eine Liebesgeschichte, ein Afrikaroman und eine Erkundung des Dunklen und Fremden in uns. Denn nicht nur Benzin und Wasser werden auf der Reise durch Simbabwe knapp, sondern auch Rohstoffe wie Liebe, Vertrauen und Zuversicht. Erzählt wird die abenteuerliche Reise durchs südliche Afrika nicht chronologisch, sondern in Sprüngen vor und zurück. Dazu kommen Rückblicke auf Vinz‘ Kindheit und die Beziehung der beiden Männer. Diese Art des Erzählens fordert einen erfahrenen Leser. Doch schon bald entwickelt sie einen unheimlichen Sog. Das liegt vor allem an der Sprache des Romans, an seinem Rhythmus, an seinem Klang, an seinen Beschreibungen, an seinen Bildern.

"Ich habe den Anspruch an mich, mich nicht selbst zu kopieren, eine einmal gefundene Sprache wieder zu verlassen und eine neue zu finden. Ich fange immer wieder am Anfang an. Auch in dem Gefühl der Unsicherheit, in dem Gefühl, dass ich eigentlich gar keine Sprache habe. Ich glaube, dieses Gefühl stammt aus einer frühen Phase meines Lebens, in der ich gestottert habe und in der die Sprache etwas nicht Selbstverständliches war. Ich musste sie mir erobern. Ich musste um sie kämpfen. Ich musste sie wirklich suchen. Und meine Suche nach Sätzen ist letztendlich auch die Suche nach dem perfekten Klang."

Gunther Geltinger

Sprachliches Meisterwerk

"Benzin" ist ein existenzieller Roman, verstörend und packend, von Brutalität und Begehren durchzogen und doch von tiefer Menschlichkeit geprägt. Und er ist ein sprachliches Meisterwerk. Ein großes Buch von einem bedeutenden Autor.

Stichwort: Gunther Geltinger

Gunther Geltinger wurde 1974 in Erlenbach am Main im Landkreis Miltenberg geboren. Dort in Unterfranken verbrachte der Sohn zweier Germanisten seine Kindheit und studierte nach dem Abitur an der Filmhochschule in Wien Filmdramaturgie und Drehbuch. Bereits als Siebenjähriger schrieb er seine erste Erzählung. Geltingers erster autobiographisch geprägter Roman "Mensch Engel" über die Initiation eines jungen Homosexuellen kam 2008 bei Schöffling und Co. heraus und wurde von der Kritik überwiegend sehr positiv aufgenommen. An seinem zweiten Roman "Moor" hat Gunther Geltinger Autor viereinhalb Jahre lang gearbeitet. Für seinen dritten Roman "Benzin" hat sich Geltinger fünf Jahre lang Zeit genommen.


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