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Klara Jahn "Das Lied des Waldes"

Der Roman "Das Lied des Waldes" verquickt Zeiten und Welten. Er erzählt von einer aktuellen Forsthaus Erbin, der Nürnberger Patrizierfamilie Stromer – und dem Reichswald. Historikerin und Autorin Julia Köhn begibt sich damit unter dem Pseudonym Klara Jahn zum ersten Mal in einem ihrer Romane nach Franken.

Von: Dirk Kruse

Stand: 31.10.2022 | Archiv

Buchcover Klara Jahn: "Das Lied des Waldes" | Bild: BR / Dirk Kruse

Wussten Sie, dass sich der Nürnberger Reichswald im Mittelalter als ein kaum zu durchdringender Urwald meilenweit wie ein Ring um die Stadt erstreckt hat? Oder dass das Nürnberger Knoblauchsland durch Brandrodung entstanden ist, so wie heute noch der Urwald im Amazonas gnadenlos vernichtet wird?

All das lässt sich nachlesen in dem Roman "Das Lied des Waldes" von Klara Jahn. Hinter dem Namen verbirgt sich die österreichische Historikerin und Autorin Julia Kröhn, die unter zahlreichen weiteren Pseudonymen wie Carla Federico, Kiera Brennan oder Sophia Cronberg Bestseller geschrieben hat. In "Das Lied des Waldes" hat sie sich erstmals einem Thema aus Franken gewidmet.

Abgelegen im Nürnberger Reichswald steht das alte Forsthaus ihrer verstorbenen Eltern. Veronika ist für ein paar Tage aus Frankfurt zurückgekommen, um einen Käufer dafür zu finden.

"Veronika stellte die Kiste ab, um das Gartentor zu öffnen. Der Zaun aus dünnen Fichtenstämmen war morsch, das Holz des Tors rumpelte über den unebenen Boden. (…) Seit dem Tod ihrer Mutter Ilse im letzten Herbst hatte sie das Forsthaus überhaupt nicht mehr betreten. Doch jetzt stand sie in Ilses Garten – und in ihrem eigenen früheren Leben."

Zitat aus dem Roman 'Das Lied des Waldes'

Doch Umweltschützer und Waldaktivisten haben etwas gegen den Verkauf an einen Investor. Und ihr früherer Jugendfreund Martin, der jetzt Förster ist, auch. Für Veronika, deren Ehe in Scherben liegt und die ihren Job in einer Werbeagentur satt hat, wird der Aufenthalt im Reichswald zum Wendepunkt. Sie muss sich auch mit ihrer schwierigen Vergangenheit auseinandersetzen. Dabei helfen Veronika ihre alten Aufzeichnungen über Anna Stromer, einer Nürnberger Patriziertochter aus dem 14. Jahrhundert, die sie im Forsthaus wiederentdeckt.

"Ich heiße Anna Stromer, und die Geschichte, die ich erzählen will, beginnt im Jahr 1366, als ich acht Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt war ich dem Tod schon zweimal begegnet."

Zitat aus dem Roman 'Das Lied des Waldes'

Der Tod ihres Brüderchens und ihrer Mutter traumatisiert Anna, die daraufhin nicht mehr spricht. Bei einer Pilgerfahrt zur Lorenzer Quelle durch den düsteren Reichswald geht Anna verloren und verirrt sich im mittelalterlichen Urwald.

Viele Monate lebt sie bei einer alten Zeidlerin, findet ihre Sprache wieder und beginnt den Wald zu lieben. Endlich ins Elternhaus zurückgekehrt, wird Anna zu einer frühen Umweltschützerin. Sie überzeugt ihren Onkel Peter Stromer davon den Wald, der durch Brandrodung und Abholzung gefährdet ist, mit Nadelholzsamen wiederaufzuforsten, was erstmals gelingt.

Inspiriert wurde die Autorin und Historikerin Klara Jahn für ihren Roman durch einen Artikel über Peter Stromer. Iin dem Artikel wird auch sein Bruder Ulmann Stromer erwähnt, der zeitgleich die erste Papiermühle nördlich der Alpen in Nürnberg gründete.

"Dass da beides auf diese Brüder zurückgeht in Deutschland, einerseits die moderne Forstwirtschaft mit dem Versuch und Wunsch den Wald zu schützen, und andererseits eine großangelegte systematische Papierproduktion, das habe ich so spannend gefunden, dass ich mir dachte: 'Darüber will ich einen Roman schreiben.'"

Klara Jahn, Autorin

Klara Jahn erzählt die Geschichte von Anna im Mittelalter und die von Veronika in der Gegenwart in sich abwechselnden Kapiteln. Immer mit dem bedrohten Wald als heimlichen Helden. Zwar werden in den historischen Quellen Peter und Ulmann Stromer als die großen Visionäre dargestellt, doch Klara Jahn ist es wichtig, ihre Geschichten aus weiblicher Sicht zu erzählen.

"Ich erzähle auch mittelalterliche Geschichte konsequent aus weiblicher Perspektive, um zu zeigen, dass auch wenn in den damaligen Chroniken fast ausschließlich von Männern die Rede ist, damals natürlich 50 Prozent der Bevölkerung Frauen waren, die natürlich den Lauf der Geschichte mitbestimmt haben. Und ich denke, es gibt sicher viele Begebenheiten, wo Frauen früher ihre Hände drin hatten. Aber sie haben es halt trotzdem nicht in die Annalen geschafft, weil meistens männliche Autoren nur von ihren Geschlechtsgenossen und deren Großtaten berichtet haben."

Klara Jahn, Autorin

Auch die Existenz Anna Stromers als Tochter von Ulmann ist historisch belegt. Wie groß ihr Anteil bei der ersten künstlichen Wiederaufforstung ist, allerdings nicht. Die Autorin Klara Jahn nimmt sich hier erzählerische Freiheiten heraus, die den Recherchen der Historikerin aber auch nicht widersprechen. Sie hat zahlreiche Aufsätze und historische Quellen konsultiert und war natürlich auch auf Recherchereise in Nürnberg. Im April 2021 war das – mitten im zweiten Lockdown – als plötzlich der Winter mit Eis und Schnee zurückkehrte.

"Ich habe mir den Nürnberger Reichswald quasi nicht nur ergangen, sondern ich habe ihn mir erfroren. Das war schon eine sehr, sehr kalte Angelegenheit. Aber gleichzeitig auch eine sehr, sehr faszinierende, denn ich war teilweise ja komplett allein unterwegs. Und das hat natürlich eine extrem authentische Atmosphäre geschaffen. Ich konnte mir dann wirklich zwischendurch vorstellen, ich bin da noch im Mittelalter unterwegs."

Klara Jahn, Autorin

Info & Bewertung

Wertung: 4 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Klara Jahn: Das Lied des Waldes, Roman, München 2022, Heyne Verlag, 384 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-453-27368-9

"Das Lied des Waldes" ist eine gelungene Mischung aus historischem Roman und Gegenwartserzählung, in dem der Wald, seine Ausbeutung und sein Schutz, im Mittelpunkt stehen. Und Veronika und Anna verbindet mehr als nur der Ort und das Thema. Beide erleben auch eine Liebes- und Emanzipationsgeschichte über die Jahrhunderte hinweg. Das ist unterhaltsame und informative Genreliteratur von guter Qualität, wie sie auch von Sabine Weigand oder Kati Naumann geschrieben wird, und definitiv auch für männliche Leser geeignet.


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