Franken


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Bayreuth ist Dallas Rachsucht, Rechthaberei und Renitenz

Von: Dirk Kruse

Stand: 12.07.2016 | Archiv

Richard Wagner Büste | Bild: picture-alliance/dpa

Wenn die Nachfolgediskussionen auf dem Grünen Hügel sogar die Bild-Zeitung zu Spekulationen hinreißt, dann ist eines klar: Die Wagners sind trotz schwerer Opernkost Popkultur. Auch Menschen, die noch niemals in ihrem Leben einen "Parsifal" oder einen "Fliegenden Holländer" gesehen haben, interessieren sich für diese Familie. Und mal ehrlich: Die Wagner-Sippe ist unser Ewing-Clan, Bayreuth ist Dallas, und die Mischung aus Rachsucht, Rechthaberei und Renitenz in dieser Familie ist wie geschaffen für eine Seifenoper mit Realityshow-Format.

Frauenheld Wagner

Das fing schon mit dem Clan-Chef an. Richard Wagner war nicht nur genialer Komponist, sondern auch Schuldenflüchtling, Barrikadenkämpfer, Antisemit und Frauenheld. Schnappte er doch dem Dirigenten Hans von Bülow (einem Vorfahren von Loriot) die Frau Cosima, geborene Liszt, weg und freite sie selbst. Drei Kinder zeugte Richard mit Cosima: Isolde, Eva und schließlich den Stammhalter Jung-Siegfried. Doch der war trotz seines Namens kein Held und stand im Schatten des übermächtigen Vaters und der ehrgeizigen Mutter, welche die Wagner-Festspiele nach 1876 zu einer dauerhaften Einrichtung von weltweiter Ausstrahlung formte. Siegfried war ein schwacher Charakter und ein glückloser Komponist. Obwohl er höchstwahrscheinlich homosexuell war, wurde er mit Winifred verheiratet, mit der er vier Kinder zeugte: Friedelind und Verena sowie Wieland und Wolfgang, die ungleichen Brüder, deren Patenonkel Adolf Hitler war. Denn Winifred war eine glühende Verehrerin des Diktators und Massenmörders und ihm peinlicherweise bis zu ihrem Tod 1980 in Nibelungentreue zugetan.

Wolfgang (l.) und Wieland (r.) Wagner beim Staatsempfang zur Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele 1960

Ganz klar, dass die Wagner-Enkel Wieland und Wolfgang, die 1951 die Festspiele neu gründeten, sich von ihrer Mutter abgrenzten, im durchaus wörtlichen Sinne. Wieland, der in der Villa Wahnfried wohnte, ließ eine vier Meter hohe Mauer durch den Park ziehen, damit er sich nicht Winifreds Teekränzchen mit den Naziwitwen Heß und Göring mitansehen musste.

Der J.R. Ewing von Bayreuth

Während Wieland Neu-Bayreuth ästhetisch umkrempelte, die Fellbadeanzüge und Hörnerhelme eliminierte und radikal moderne Operninszenierungen schuf, tat sich hinter den Kulissen der Bruderzwist auf. Denn der jüngere Wolfgang stand zähneknirschend im Schatten des charismatischeren Wieland. Er war eine Art J.R. Ewing, der auf seine Chance wartete. Die kam mit Wielands frühem Tod 1966.

Festspielleiter Wolfgang Wagner 1963

Seine Witwe Gertrud und ihre vier Kinder, darunter die kluge und scharfzüngige Nike, die immer wieder als potentielle Festspielchefin gehandelt wurde, nun aber Intendantin und Geschäftsführerin beim Beethovenfest in Bonn ist, wurden vom Grünen Hügel vertrieben. Nun war Wolfgang dort Alleinherrscher. Aber er verstieß nicht nur Schwägerin, Nichten und Neffen, sondern auch seine Frau und die eigene Tochter Eva. Denn Ehebruch scheint den meisten Männern der Wagner-Dynastie in den Genen zu stecken. Wolfgang heiratete in zweiter Ehe seine Pressesprecherin Gudrun, die als graue Eminenz auf dem Grünen Hügel galt und alle Fäden zog, für die ihr greiser Mann später zu schwach geworden war.

Deren gemeinsame Tochter Katharina, die mehr als 30 Jahre jünger ist als ihre Cousine Nike Wagner und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, war Wolfgangs Wunsch-Thronerbin, nachdem der Stiftungsrat Gattin Gudrun kalt hatte abblitzen lassen.

Machtspiele auf dem Hügel

Die Halbschwestern Katharina und Eva

Nach langen Ränkeschmieden und Machtspielen – anfangs bildeten die verstoßenen Cousinen Nike und Eva ein Führungsduo, woraufhin die blonde Katharina eine Allianz mit dem hochgelobten Hügel-Dirigenten Christian Thielemann suchte – gelang es dem greisen Patriarchen doch noch kurz vor seinem Tod, die Nachfolge in seinem Sinne zu regeln und sein Erbe an die Töchter zu übergeben. Ab 2008 leiteten die ungleichen Halbschwestern Katharina und Eva die Bayreuther Festspiele gemeinsam – allerdings nicht mehr lebenslang.

Abschied und "Hügelverbot"

Eva Wagner-Pasquier im Jahr vor ihrem Festspiel-Abschied am Festspielhaus

Der Vertrag von Eva Wagner-Pasquier lief zum 31. August 2015 aus. Ihr Hügel-Abschied: Ganz Dallas-like ein Fall für die Schlagzeilen. Von einem Hügelverbot für die 70-Jährige war die Rede, es wurde gerätselt, dementiert – und geschwiegen.

Neuer Musikdirektor

Der Vertrag von Katharina Wagner dagegen wurde bis 2020 verlängert – seit Juni 2015 steht ihr erstmals ein Musikdirektor zur Seite. Und er ist kein Mitglied des Wagner-Clans: Dirigent Christian Thielemann. Zuvor war er musikalischer Berater der Festspielleitung. Als Musikdirektor dürfte er einen deutlich erweiterten Verantwortungsbereich haben.

Festspielleiterin Katharina Wagner und Christian Thielemann

Ist das ein erster Schritt, die Festspiele in familienfremde Hände zu legen, wie der Stiftungsrat es immer wieder überlegte? Aber bitte, lieber Stiftungsrat, tu' uns Wagner-Clan-Fans das nicht an und lass' immer ein Mitglied der Familie mitregieren im Festspielhaus! Mache kein x-beliebiges Opernfestival aus Bayreuth, sondern erhalte uns das fränkische Familiendrama! Kein Drehbuchschreiber könnte sich ausdenken, was diese Wagners uns bieten: Kabale und Liebe, Rache und Intrige, Schuld und Sühne, und alles in echt.


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