Report München


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Senioren am Steuer Verkehrsminister bremst geplante EU-Pflichttests aus

Autofahrer über 75 gelten als Hochrisikogruppe. Zwar sind sie nicht häufiger in Unfälle verwickelt als jüngere – wenn dann sind sie aber meist Hauptverursacher – und verunglücken häufiger. Durch den demographischen Wandel nimmt das Risiko im Verkehr noch zu, meinen Experten. Die EU-Kommission plant nun Pflichttests für Senioren am Steuer. Bundesverkehrsminister Volker Wissing will dagegen stimmen.

Von: Gabriele Knetsch

Stand: 17.05.2023

Alarm in einem Münchner Einkaufszentrum. Eine Seniorin kracht mit ihrem Auto durch den Seiteneingang.

Ein 85-Jähriger knallt gegen eine Supermarkt-Tür. Eine Tote.

Ein 74-Jähriger stößt beim Überholen frontal mit einem Auto zusammen. Tote und Schwerverletzte.

Senioren verursachen nicht mehr Unfälle als jüngere Fahrer. Aber: Sie verunglücken besonders häufig und schwer. Sollten ältere Fahrer deshalb stärker überprüft werden? In Bayern begleiten wir die drei Senioren Michael, Emi und Ingrid einen Tag lang beim Fahrtraining. Es ist freiwillig.

Senioren beim Fahrtraining

Klaus-Dieter Zerwes, Landesverkehrswacht Bayern: "Einen wunderschönen guten Morgen, was versprecht ihr euch von diesem Fahrtraining?"

Ingrid Salm, 76 Jahre alt: "Ob meine Reaktion noch ausreicht für den Stadtverkehr.

Emilie Richter, 70 Jahre alt: "Ich bin da, weil ich bestätigt haben will, dass ich noch fahren kann."

Michael Karra, 86 Jahre alt: "Ich bin der Meinung, dass man immer noch was lernen kann, egal wie alt man ist."

Es geht los mit Slalomfahren. Emi startet. Dann Ingrid. Dann Michael.

"Kann sich jemand an eine besondere Verkehrssituation erinnern, die ihm in den letzten Wochen begegnet ist, wo irgendetwas kritisch war?"

Klaus-Dieter Zerwes, Landesverkehrswacht Bayern

"Ich bin manchmal zu neugierig - schaut hin und her - und schau nach rechts und links und bin abgelenkt."

Michael Karra, 86 Jahre alt

"Solche Sachen sind sehr gefährlich und werden mit zunehmendem Alter auch problematischer, weil man die Reaktionsschnelligkeit nicht mehr hat wie ein junger."

Klaus-Dieter Zerwes, Landesverkehrswacht Bayern

Am Ende des Tages werden sie eine Stadtfahrt mit einem Fahrlehrer machen - mit überraschenden Einblicken für sie. Verpflichtende Checks oder Fahrprüfungen für Senioren gibt es in Deutschland nicht. Die Fahrerlaubnis für PKWs gilt - anders als für Busse und LKWs - ein Leben lang.

In Berlin treffen wir den Unfallforscher Siegfried Brockmann. Wir zeigen ihm Berichte über Unfälle mit Senioren.

"Hier hat einen Senior offenbar geglaubt, er habe den Rückwärtsgang drin, hat aber den Vorwärtsgang drin. Was jedem anderen auch passiert. Nur der braucht eine Zehntelsekunde, um das zu verstehen. Und wenn man eine Sekunde braucht, ist man eben schon im Schaufenster. Und deswegen ist das so klassisch."

Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer

Fahrer über 75 gelten als Hochrisiko-Gruppe

Ältere sind zwar gemessen am Anteil in der Bevölkerung nicht häufiger verstrickt in Unfälle. Wenn, dann sind sie allerdings oft Hauptverursacher. Fahrer über 75 gelten als Hochrisiko-Gruppe.

"Wir können die Dinge nicht so lassen, wie sie sind. Im Bereich der Senioren machen wir gar nichts, obwohl deren Wahrscheinlichkeit, einen Unfall zu verursachen, bei rund 75 Prozent aller Unfälle liegt, in denen sie beteiligt sind. Und das ist genauso hoch wie bei unserer Hochrisikogruppe der jungen Fahrer. Bei denen wir ja etwas machen."

Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer

Zum Beispiel ein absolutes Alkoholverbot und eine zweijährige Probezeit - für alle Fahranfänger. Im Extremfall können sie den Führerschein sogar verlieren.

Nürnberg. Wir sind verabredet mit einem Fahrlehrer. Er führt MPU-Fahrten für Ältere durch, die im Verkehr auffällig geworden sind. Diese sind - neben einem Medizin- und Psychologietest - für sie Pflicht. Nagel befürwortet Kontrollfahrten für alle Senioren. Nicht erst dann, wenn etwas passiert ist, wie bei diesem Fall.

"Der Herr ist hier mit guten 50 Stundenkilometer überall drübergefahren. Hier raus über die Insel, drüber an den Bordstein hin und her, weiter. Die Polizei habe ihn letztendlich verfolgt. Der ist halt sehr auffällig gefahren. Deswegen musste er dann aufgrund der Polizeiakte einen Fahrtest machen, den er dann auch wirklich leider nicht bestanden hat, weil er auch bei der Fahrprüfung praktisch genauso gefahren ist. [...] Er musste den Führerschein abgeben, richtig."

Frank Nagel, Fahrlehrer aus Nürnberg

Zurück bei dem freiwilligen Fahrtraining. Die schwierigste Übung steht bevor. Notbremsen bei Tempo 50. Die drei Senioren kommen bei dieser Übung an ihre Grenzen. Zu viel auf einmal müssen sie beachten.

Von Pflichtfahrtests halten sie nichts. Und schon gar nichts davon, den Führerschein abzugeben.

"Die Jungen machen ja auch Unfälle. Ich bin 70, ich möchte nicht alle 5 Jahre einen Führerscheintest machen müssen, ob ich noch gut Autofahren kann. Und das ärgert mich jedes Mal, wenn ich das höre."

Emilie Richter, 70 Jahre alt

Was plant die EU-Kommission?

Die EU-Kommission hat jetzt einen Entwurf für eine Richtlinie vorgelegt, um Senioren am Steuer besser zu kontrollieren. Was ist geplant? Nachfrage in Berlin bei der Vertretung der EU-Kommission.

"In unserem Vorschlag steht nur ein Satz verpflichtend drin. Alle müssen eine Selbstauskunft ausfüllen bei der Erneuerung ihrer Führerscheine. Ob es eine medizinische Untersuchung gibt oder Ähnliches, das bleibt den Mitgliedsstaaten vorbehalten. Wir als EU schreiben das nicht vor."

Dr. Jörg Wojahn, Vertreter der EU-Kommission in Deutschland

Ein Medizintest oder eine Selbstauskunft für über 70-Jährige - alle fünf Jahre, um den Führerschein zu verlängern. Bundesverkehrsminister Volker Wissing lehnt das alles ab: "Ich setze hier ganz klar auf die Eigenverantwortlichkeit. Verpflichtende Gesundheitstests, wie sie der EU vorschweben, lehne ich ab." (Quelle: Bundesverkehrsministerium.)

Tatsache ist: Die meisten EU-Staaten schreiben jetzt schon medizinische Checks für ältere Fahrer vor. Nur in vier Ländern, darunter Deutschland, gibt es keine Auflagen für Senioren. Gar nichts tun - das hält Unfallforscher Siegfried Brockmann angesichts des demographischen Wandels für fahrlässig:

"Also es wäre ganz und gar unvernünftig, wenn man ihn jetzt sowieso alle fünf Jahre erneuern muss, gar keine Maßnahme daran zu knüpfen. Deswegen ist unser Vorschlag, das niederschwellig zu tun, also eine verpflichtende Rückmeldefahrt, deren Ergebnis aber unter vier Augen bleibt."

Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer

Für unsere Testgruppe steht jetzt ihre Rückmeldefahrt bevor. Sie stellen ihre Fahrtauglichkeit im Stadtverkehr unter Beweis. Ingrid fährt durch ein Wohnviertel. Sie bleibt auf dem Gaspedal.

Nach dem Fahrtraining

Manfred Wöhrmann, Fahrlehrer Abendsberg: "Jetzt tun wir mal stehen bleiben, jetzt wird es da vorne eng. Lacht. Sachte, sachte. Passt schon, aber nicht mit der Geschwindigkeit. Sie sind ja richtig flott unterwegs."

20 Minuten Stadtfahrt sind vorbei. Am Ende übt der Fahrlehrer Manöverkritik.

Ingrid Salm, 76 Jahre alt: "Brauch ich den Führerschein noch nicht abgeben?"

Manfred Wöhrmann, Fahrlehrer Abendsberg: "Nein."

Ingrid Salm, 76 Jahre alt: "Gott sei Dank."

Manfred Wöhrmann, Fahrlehrer Abendsberg: "Mehr Schauen und bisschen vorsichtiger sein täte ihr nicht schaden."

Das Fazit: alle drei können weiterhin unbedenklich Auto fahren. Das Problem: Freiwillig lassen sich vor allem jene testen, die sowieso noch fit im Verkehr sind.

Manuskript des report-Films zum Druck

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Franziska Seitz, Dienstag, 23.Mai 2023, 23:40 Uhr

5. b.f.seitz

Die Kampagne gegen alte Menschen ist diskriminierend. Politik lasst die Senioren in Ruhe, kümmert euch besser um die Jungen und manche verrückte Autofahrer auf den Straßen. Es ist schamlos, wenn pauschal angenommen wird das die Jungen bessere Autofahrer wären. Die Politik sollte lieber in Angriff nehmen, dass am Land die Verkehrsverbindung ausgebaut wird. Dann würden bestimmt viele Senioren diese benutzen. Die Senioren in der Stadt haben es bequem, raus aus den Bus, rein in die Tram oder U/S-Bahn. Davon kann das Land außerhalb der Stadt nur träumen. Auch die Senioren haben das Recht auf eine bestimmte Lebensqualität. Mich stört es, wenn die Presse Unfälle über alte Menschen besonders hervorheben mit Angabe vom Alter. Schaut in die Kliniken wie viele junge Menschen nach Unfällen dort liegen. Gestern fuhr ich auf der A9, ratet mal wie junge Autofahrer-Flegel sich dort bewegten. Passiert was, sind bei einen Unfall die Senioren schuld? Die Regulierungswut der Politik muss ein Ende haben.

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Baab, Raphaela, Mittwoch, 17.Mai 2023, 15:18 Uhr

4. Führerscheintests für Ältere

Bravo Herr Wissing! Vielen Dank!
D.Welle d.Altersdiskriminierung MUSS aufhören! Es kann NICHT sein, dass d. Jungen inzwischen mit ihrem militanten Auftreten das Machtmonopol an sich reißen, alle Rechte für sich einklagen u.d. "Älteren" immer mehr v.d. Gesellschaft ausgeschlossen u. abgeschoben werden! Schon klar: D.Alten sind d.Jungen sowieso ein Dorn im Auge! Keiner will d. Generationenvertrag mehr einhalten. Nicht bedenkend ihrer eigenen Sterbl.keit. Es ist bewiesen, dass Junge mehr Autounfällle verursachen (Alkohol, Drogen, Testosteron etc.). Nur weil mal EIN älterer Mensch auch einmal einen Unfall verursacht, sollen jetzt gleich alle 70-Jährigen alle 5 Jahre wieder kostspielige Prüfungen absolvieren?
Allein d.Ansinnen ist eine Frechheit! Bereits mit 70? 70 ist d.frühere 50.. E.Frechheit Menschen viel zu früh auszumustern. Das Pampern d.Jungen muss aufhören! D.Alten haben ein Recht auf ihre im Leben erworbenen Rechte! (Noch Passive! Politologin, 50+) doch wenn d.so.weitergeht..

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Girulat, Dienstag, 16.Mai 2023, 22:19 Uhr

3. Senioren - Führerschein

Vielen Dank Herr Wissing, Sie haben die richtige Einstellung!
Sicher gibt es Senioren, die unsicher im Straßenverkehr sind. Aber hier ist tatsächlich Eigenverantwortung gefragt. Ich z. B. habe mir neue Linsen einsetzen lassen, weil ich bedingt durch den grauen Star schlechter gucken konnte, was nun beseitigt ist und ich mich im Auto wieder sicher fühle.
Vor einer akuten Gesundheitsattacke (Herzinfarkt, Schwindelanfall o. ä) ist man in keinem Alter gefeit. Und was ist mit den aggressiv fahrenden Jüngeren? Wer checkt deren Fahrweise? Wer sorgt dafür dass nicht unter Drogen oder Alkoholeinfluss gefahren wird? Es ist ein Unding, dass man als Senior seine Fahrtauglichkeit testen lassen muss, aber andererseits das Renteneintrittsalter immer höher gesetzt wird. Arbeiten muss man, aber um zur Arbeit zu fahren, muss man seine Tauglichkeit unter Beweis stellen - was soll das!? Und noch etwas: Arbeiten muss man, weil nach 45 Arbeitsjahren die Rente gerade mal für die Miete reicht. Frdl. Grüße

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Gertrud Linde, Dienstag, 16.Mai 2023, 22:19 Uhr

2. Senioren am Steuer

Hallo, ich werde 68 Jahre alt und bisher keine Unfälle mit dem PKW gehabt. Das Vorhaben der EU ist eine altersdiskrimisierung. Ich sehe hier junge Menschen am Steuer, die permanent hohe Geschwindigkeiten im Auto ausüben, sich an vorgegebene Geschwindigkeit nicht halten. Jedes Wochenende in TV, das wieder Jugendliche Unfälle verursacht haben. Was ist mit den Posern? Unerlaubte Autorennen? Demnächst kommt ein Gesetz, dass ich das nicht mehr in meiner Wohnung wohnen kann, weil das Essen angebrannt ist- ich bin eine Gefahr für die anderen Mieter. Malochen bis 70 wird aber in Erwägung gezogen. Danach am besten abtreten.

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Klaus Wagner, Dienstag, 16.Mai 2023, 22:05 Uhr

1. B

Langsam wird es peinlich mit der Diskriminierung älter Führerschein Inhaber
Wer schützt die Menschheit vor jungen Rasern und PS Protzer.Die meisten die darüber entscheiden, oder viele lassen sich fahren .Es ist doch ganz einfach mal die Unfall Quote jung ältere zu Vergleichen.Die meisten oder viele sind doch Sicherer und überlegten als die ganz jungen. Meiner meisten nach sind unerfahrene junge gefährlicher
.Ein mehr Nachdenken, ohne Geld zu schöpfen könnte nicht schaden

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