Der schwarz-rote Koalitionsvertrag Was denken Arbeitnehmer und Unternehmer?
Begeisterung löst er nicht aus - der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Doch was denken Unternehmer und Arbeitnehmer über die Passagen, die sie wirklich betreffen? Reicht der Bürokratie-Abbau den Unternehmern? Was droht denen, die ihren Arbeitsplatz verlieren? Und was kommt auf Hausbesitzer zu in Sachen Heizung und Dämmung? Und: was sagen CDU und SPD-Mitglieder - sollen ihre Parteien zustimmen?

Diese hier wollen ihn zum Kanzler machen. Der Koalitionsvertrag steht. Ein tolles Stück, sagen sie.
"Das was jetzt vorliegt, ist ein roter Faden."
Lars Klingbeil
"Der Koalitionsvertrag ist ein Aufbruchsignal."
Friedrich Merz
"Es wird ein kleiner und kann ein kleiner Besteller werden. Denn jeder Satz ist Politik pur."
Markus Söder
Doch bevor Friedrich Merz Kanzler werden kann, muss der Koalitionsvertrag von den Parteien abgesegnet werden. Und da zeigen sich die ersten Differenzen.
Jusos:
"Ich glaube es schickt fatale Botschaften auch an die Leute, die jeden Tag den Laden am Laufen halten."
"Mir wäre es am allerliebsten, die würden sich nochmal zusammensetzen."
Bei der SPD läuft die Mitgliederbefragung noch. Die Unionsparteien haben bereits zugestimmt. Aber was sagen Parteimitglieder, Politikerinnen, Unternehmerinnen und Experten zum Koalitionsvertrag? Stimmen aus ganz Deutschland.
"Ich bin die Ulla Hofmann, 61 Jahre alt, SPD-Mitglied und aus dem Grund habe ich mir den Koalitionsvertrag angeschaut. Und darin sind einige Punkte, die interessant sind für mich."
Ulla Hofmann, Industriemechanikerin
Ulla Hofmann ist betroffen vom Stellenabbau in Nordbayern. Sie hat einen Auflösungsvertrag unterschrieben, eine Abfindung bekommen. Jetzt ist sie für ein Jahr in einer Transfergesellschaft. Danach muss sie noch Zeit überbrücken, um abschlagsfrei in Rente zu gehen.
"Ich habe Angst. Also, ich weiß nicht, was da auf mich zukommt und wie ich dann alles irgendwie unter einen Hut bekomme."
Ulla Hofmann, Industriemechanikerin
Es ist das Kapitel Arbeit und Soziales, das ihr Sorgen macht. Der Koalitionsvertrag könnte ihre Lebensplanung durcheinanderbringen.
"Bis zu meiner Rente habe ich ja noch ungefähr zweieinhalb Jahre, drei Jahre. Und wenn ich jetzt quasi arbeitslos bin, werde ich auch Zuweisungen bekommen vom Arbeitsamt. Ich habe schon eine bekommen und ich müsste da quasi jede Arbeit annehmen, sonst würde ja das Geld gestrichen."
Ulla Hofmann, Industriemechanikerin
Das zweite Problem: Die Sanierung des Elternhauses. Sie will es halten und muss die Miterben ausbezahlen. Das Kapitel Bauen und Wohnen im Koalitionsvertrag muss sie noch lesen. Wie ist ihre erste Zwischenbilanz?
"Solange wie wir jetzt hier warten und haben keine Regierung, das macht man auch Angst nicht. Auf eine Seite bin ich mir da nicht sicher, ob das was ist für mich, ob ich das jetzt so unterschreiben kann mit gutem Gewissen. Ich muss nochmal drüber nachdenken."
Ulla Hofmann, Industriemechanikerin
Wie blicken Unternehmen auf den Koalitionsvertrag?
Die Region Nordbayern hängt an der Automobilindustrie. Alle großen Zulieferer haben hier massiven Stellenabbau angekündigt. Wie blicken die Unternehmen in der Region auf den Koalitionsvertrag?
"Mein Name ist Caroline Trips, ich bin 58 Jahre alt, bin Unternehmerin. Und weiterhin bin ich aber auch Präsidentin der Industrie und Handelskammer für Würzburg-Schweinfurt."
Caroline Trips, IHK Präsidentin Würzburg - Schweinfurt, Unternehmerin
Wir haben Caroline Trips schon im Januar vor der Bundestagwahl besucht. Damals hat sie uns die Probleme gezeigt, die Unternehmern unter den Nägeln brennen.
"Wir bieten hier Automatisierungslösungen für die ganze Welt an, das heißt wir steuern und regeln, verschiedene Projekte."
Caroline Trips, IHK Präsidentin Würzburg - Schweinfurt, Unternehmerin
Für jedes Bauteil braucht sie Herkunftsnachweise. Das bindet sehr viel Personal.
"Wir brauchen von jedem Produkt alle Informationen, damit wir kein Gesetz verletzen."
Caroline Trips, IHK Präsidentin Würzburg - Schweinfurt, Unternehmerin
Bürokratie ist der große Hemmschuh für Unternehmer - und was steht dazu im Koalitionsvertrag?
"Ja da freut uns natürlich ganz besonders, dass das Lieferkettengesetz wegfällt. Für uns ist es einfach wichtig, dass die Unternehmen in unserem Bezirk und auch ich als Unternehmerin spürbare Verbesserungen haben in Statistiken und Nachweispflichten. Ich sag mal bis zu zehn Stunden an Arbeitszeit sparen, um hier uns einfach auf unser Produkt konzentrieren zu können."
Caroline Trips, IHK Präsidentin Würzburg - Schweinfurt, Unternehmerin
Außerdem freut sie sich über die angekündigte Strompreissenkung. Das werde vor allem energieintensiven Unternehmen sehr helfen. Mainabwärts in Würzburg schaut währenddessen eine SPD-Politikerin sehr kritisch in den Koalitionsvertrag.
"Mein Name ist Eva von Vietinghoff. Ich bin 45 Jahre alt und ich kandidiere für die SPD als Oberbürgermeisterin hier in dieser schönen Stadt Würzburg."
Eva von Vietinghoff-Scheel, SPD, Oberbürgermeisterkandidatin Würzburg
Im Kapitel Arbeitsmarktpolitik stört sie die Grundhaltung.
"Wenn ich sage, ein Mensch, der Arbeit ablehnt, bekommt Leistungen gestrichen, muss ich mich natürlich auch immer fragen, warum lehnt ein Mensch Arbeit ab? Und es gibt Menschen, die tatsächlich auch nicht arbeiten können. Und ich finde, wir sind sehr gut daran beraten, unseren Sozialstaat sehr, sehr zu unterstützen und wirklich zu feiern, weil das ist wirklich eine große Errungenschaft."
Eva von Vietinghoff-Scheel, SPD, Oberbürgermeisterkandidatin Würzburg
Ihr großes Thema: Staatsmodernisierung. Darauf wird sie bei ihren Bürgergesprächen häufig angesprochen:
"Weil Sie sagen, das ist Bürokratie und, und, und… - genau das ist es auch, dann kommt die Wärmeschutzverordnung und dann kommt das und dann kommt das..."
Bürger
Mehr Vertrauen in die Bürger, den Staat verschlanken, das sieht sie als die große Chance im Koalitionsvertrag.
"Ich werde diesem Koalitionsvertrag zustimmen."
Eva von Vietinghoff-Scheel, SPD, Oberbürgermeisterkandidatin Würzburg
Kritik an der CDU Basis und bei der Parteijugend
Bei der CDU entscheidet der Bundesausschuss über den Koalitionsvertrag. An der Basis und bei den Jungen gab es im Vorfeld viel Kritik.
"Mein Name ist Johannes Volkmann, ich bin Bundestagsabgeordneter aus Hessen und das jüngste Mitglied im CDU-Bundesvorstand. Wir haben eine starke junge Gruppe mit jungen Abgeordneten, die beim Thema Rente sehr auf Generationengerechtigkeit pochen werden. Mein Geburtsjahrgang 1996, der ist fast halb so groß wie der geburtenstärkste Jahrgang 1964. Das heißt wir müssen uns ehrlich machen und sagen, dass das bisherige Rentensystem auf Dauer reformbedürftig bleibt."
Johannes Volkmann, CDU, Bundestagsabgeordneter
Doch am Ende stimmen auch die Jungen für den Koalitionsvertrag. Ihre Bedenken aber sind vollkommen richtig, sagen uns Experten wie der Steuerrechtler Gregor Kirchhof.
"Wenn man eine Schwachstelle ausmachen will, dann würde ich über die Generationengerechtigkeit nachdenken. Denn hier haben wir zwei große Probleme. Das erste ist die Verfassungsreform, dass die neue Bundesregierung nun viele Schulden aufnehmen kann, das sind natürlich Kosten, die auf die nächste Generation verschoben werden und eine weitere finanzielle tickende Zeitbombe sind die umlagefinanzierten Sozialsysteme, die Kranken-, Renten und Pflegeversicherung. Die laufen auf einen demographischen Abgrund zu. Hier würde man hoffen, dass die Koalition den Mut hat, sich für eine grundlegende Reform zu entscheiden."
Prof. Gregor Kirchhof, Universität Augsburg
Der Experte hofft, dass jetzt endlich mutige Reformen im Sozial- und Steuersystem angepackt werden.
Und Ulla Hofmann will wissen: Was steht im Koalitionsvertrag zum Thema Bauen und Wohnen?
"Wenn ich das Haus sanieren soll, dann würde ich natürlich Gelder brauchen. Dann muss ich ja wirklich viel Geld in die Hand nehmen."
Ulla Hofmann, Industriemechanikerin
Sie braucht eine neue Heizung, ein neues Dach, Wärmedämmung.
Im Koalitionsvertrag steht: Das Heizungsgesetz wird abgeschafft. Details soll ein neues Gebäude-Energie-Gesetz regeln. Und nun?
"Ich denke, ich werde dann letztendlich doch zustimmen aus dem Grund nicht, weil mir der so gut gefällt, sondern weil ich denke, wir brauchen eine neue Regierung schnellst möglichst."
Ulla Hofmann, Industriemechanikerin
Ähnlich äußern sich viele Sozialdemokraten. Sie wollen trotz aller Zweifel zustimmen, damit Deutschland wieder handlungsfähig wird.
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Reiner, Donnerstag, 01.Mai 2025, 14:22 Uhr
1. Koalitionsvertrag
Deutschland hat mittelmäßig gewählt, also bekommt Deutschland eine entsprechende Mittelmäßigkeit in der Regierung. Es ist den Demokraten bisher nicht gelungen, die Bürger vom Lügengebilde der Rechten abzubringen. "Gesichert rechtsextrem" hat keine Folgen und Rechte nehmen es nicht ernst. Rattenfänger wie Putin und auch Trump begeistern manche Mitmenschen offensichtlich mehr als jede rationale Logik. Medien zerfleischen das Kleinklein und die Rechten sehen gemütlich dabei zu.
Und viele der Bürger glauben sich noch auf der Wohlfühlwolke im Anspruchsdenken und daneben den notorischen Bedenkenträgern.
Wir haben einen Wust an Regelungsdschungel von A wie Ausländerrecht bis Z wie Zoll. Ab Geburt wäre der Beistand von Rechtsanwälten sinnvoll. Aber dieser Regelungswahn kommt nicht von Behörden, Gerichten, Politik und EU alleine.
Wir Bürger fordern ja immer "unsere" Rechte ein. Wie lange können wir uns uns das noch leisten? Wann klärt die Politik auf? Wie AfD verhindern?
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