Dämmen gegen Putin? Handwerkermangel bremst Sanierungsoffensive
Gebäude dämmen, Energie sparen, auch um sich von Russland unabhängiger zu machen. Dies ist ein erklärtes Ziel der Bundesregierung. Die Realität sieht anders aus: Schon für kleine Reparaturen warten Kunden oft wochenlang. Das Handwerk leidet unter einem massiven Fachkräftemangel.
In Oberasbach bei Nürnberg. Monatelang wartet Joachim Wendler sehnsüchtig auf den Heizungsbauer. Sein Heiz-System verschwendet sinnlos viel Energie:
"Es ist ein bisschen eine Odyssee. Wenn man nämlich die Handwerker anruft, also man wird immer vertröstet. Manche, die haben keine Zeit, sie haben keine Mitarbeiter."
Joachim Wendler
Endlich ist es soweit. Heizungsbauer Markus Paulus hat Zeit für Wendler. Ein Besprechungstermin: Dieser Wärme-Puffer soll ausgebaut werden. Früher brauchte Joachim Wendler ihn für die Warmwasserversorgung und Heizung – als er noch mit dem alten Kachelofen heizte. Der ist jetzt stillgelegt. Der Wärme-Puffer deshalb völlig unnötig.
"Das ist natürlich energetisch ziemlicher Quatsch. Also der muss raus."
Markus Paulus, Heizungsbauer
Und dann könnte man in diesem Haus….
"Ich denke mal allein durch diese Maßnahme, um die 25 Prozent Gas einsparen."
Markus Paulus, Heizungsbauer
"Im Augenblick muss der Kunde tatsächlich so lange warten, dass es bis Oktober dauert, bis wir neue Aufträge annehmen können."
Markus Paulus, Heizungsbauer
Scheitern die Klimaziele am Handwerkermangel?
Und wie Joachim Wendler, so geht es vielen. Energie verpufft, weil Handwerker fehlen. Überfällige Sanierungen – deutschlandweit. Mindestens 100.000 Fachkräfte fehlen für die Klimasanierung so eine Studie aus 2018. Und: Bei rund 200.000 Handwerkern steht der Ruhestand bevor. Das könnte den Klimazielen der Bundesregierung einen Strich durch die Rechnung machen.
Und dann das noch: Vergangene Woche ruft die Bundesregierung wegen des Krieges Russlands gegen die Ukraine die Frühwarnstufe im „Notfallplan Gas“ aus. Der Minister für Wirtschaft und Klimaschutz appelliert an Bürger und Unternehmen:
"…dass Sie uns helfen, dass Sie Deutschland helfen, dass Sie der Ukraine helfen, wenn Sie Gas oder Energie insgesamt einsparen. Jede Kilowattstunde ist ein Beitrag."
Robert Habeck, Bundesminister Wirtschaft und Klimaschutz, Bündnis 90/ Die Grünen, 30.03.2022
Wir sind in Hamburg. Beim Klima-Unternehmer Nick Zippel. Mit seinem Projektleiter für Photovoltaik ist er auf dem Weg zu einer Schreinerei. Dort soll eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach. Platz wäre genug. Nick Zippel soll bei der energetischen Umrüstung helfen. Und das möglichst schnell. Die Schreinerei will nachhaltig sein und Kosten für Strom sparen – seit dem Ukraine-Krieg ist das noch wichtiger.
"Wir wollen gern unseren eigenen Strom produzieren, damit wir unabhängig sind. Und wir gehen auch davon aus, dass die Strompreise steigen werden und wollen uns da einfach absichern."
Malte Tierks, Schreiner
Bis zu 30 Prozent Strom könnte der Betrieb durch die neue Anlage sparen. Doch das dauert:
160 Mitarbeiter arbeiten in Nick Zippels Betrieb. Er liefert klimaneutrale Gesamtpakete: von der Solar-Anlage auf dem Dach bis zum Stromanschluss beim alternativen Energieanbieter. Seine Vision:
"Und wir probieren jede Kilowattstunde im Bereich Wärme und Strom nicht fossil zu erzeugen und von Öl und Gas wegkommen und wirklich sagen können: Der Mensch wird wieder zum eigenen Lagerfeuer-Besitzer und dass sein Strom- und Wärmeverbrauch bei ihm in seinen Händen wieder liegt."
Nick Zippel, Umweltingenieur und Klimahandwerker:
Durchschnittliche Wartezeit: 9 Wochen
Doch dafür fehlen Fachkräfte, allein hier 20 Personen. So ist das in fast allen Betrieben Deutschlands. Kann die Energiewende so gelingen?
"Nein. Auf gar keinen Fall. So wie es jetzt ist, kann es nicht gelingen. Wir brauchen massiv eine Denkwende. Wir müssen dieses Bild der Energieversorgung komplett neu malen, und es müssen viel, viel mehr Menschen begeistert werden, ins Handwerk – ins regenerative Elektrohandwerk, Heizungshandwerk zu wechseln."
Nick Zippel, Umweltingenieur und Klimahandwerker
Zur gleichen Zeit im Nord-Osten Hamburgs: Immer wenn Regen angesagt ist, rückt Julia Eble mit dem Eimer an. Sie hat in ihrem Haus ein Feuchtigkeitsproblem. Eigentlich keine große Sache.
Julia Eble zeigt Schäden am Mauerwerk. Das Mauerwerk wird immer poröser. Löcher und Risse bilden sich. Feuchtigkeit dringt ein. Dabei sind Fenster und Haus erst vier Jahre alt. Ein klimagerechter Neubau und - wie Julia Eble dachte - perfekt gedämmt. Doch jetzt verpufft die Energie buchstäblich durch die undichten Fenster.
"Wir haben zwei Jahre lang versucht viele Handwerksunternehmen anzurufen, anzuschreiben und zu bitten, zu uns zu kommen und uns zu helfen. Bisher konnte das niemand, weil es ein verhältnismäßig kleiner Schaden ist."
Julia Eble
Durchschnittlich beträgt die aktuelle Wartedauer für einen Handwerker in Deutschland neun Wochen. Doch viele warten monatelang.
Berlin, ein Treffen zur Energiewende, vergangene Woche. Bis 2050 will die Bundesregierung einen klimaneutralen Gebäudestand erreichen. Doch dazu müsste sich die aktuelle Sanierungsrate verdoppeln. Wie soll das angesichts des Fachkräftemangels gehen? Minister Habeck gibt uns kein Interview. Das Ministerium schreibt uns, schiebt den Schwarzen Peter den Verbrauchern zu. Zitat: „Natürlich ist eine komplette energetische Sanierung angestrebt. Aber die Entscheidung trifft zum Großteil der Eigentümer - wir können nur appellieren, ermutigen und fördernd unterstützen.“
Azubis dringend gesucht
München. Wir besuchen die Innung Sanitär Heizung Klima. Kann der Nachwuchs den Fachkräftemangel bald beheben?
"Ich würde Herrn Habeck ganz gerne hier einladen. Das wäre das erste. Ich finde es richtig, unter Klimagesichtspunkten und geopolitischen Gesichtspunkte auch Druck zu machen. Nur es muss realistisch sein."
Ralf Suhre, Innung München, Heizung Klima Innung
Wir sind im Haus der Bayerischen Wirtschaft. Den gravierenden Fachkräftemangel hält man dort für alarmierend.
"Das bedeutet, dass selbst bei guten Auftragslagen, die irgendwo vorhanden sind, die Arbeit nicht erledigt werden kann. Das ist generell ein gesellschaftliches Problem, das uns die nächsten zehn bis 15 Jahre verfolgen wird."
Bertram Brossardt, Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft
"Jede Kilowattstunde ist ein Beitrag."
Robert Habeck, Bundesminister Wirtschaft und Klimaschutz
Mit Appellen ist es nicht getan. So lassen sich die Versorgungsprobleme durch Putins Krieg und die Energiewende wohl nicht lösen.
"Wir wollen ja alle möglichst schnell die Klimaziele erreichen. Aber in der jetzigen Lage sind wir dazu nicht in der Lage."
Markus Paulus, Installateur
Ohne ausreichend viele Fachkräfte im Handwerk wird es nicht klappen.