Report München


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Forschen für die Verteidigung? Deutschlands Hochschulen und die Rüstungspolitik

Sogenannte Zivilklauseln verpflichten viele deutsche Hochschulen zu Forschung "nur zu friedlichen Zwecken". Ist das angesichts von Ukraine-Krieg, zunehmender Sicherheitsrisiken und einer schwächer werdenden NATO-Unterstützung durch die USA noch zeitgemäß?

Von: Gabriele Knetsch

Stand: 20.05.2025 11:39 Uhr

Fotomontage: Ein Schild mit der Aufschrift: Zeitenwende, steht vor Soldaten in Tarnuniform | Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Prof. Thomas Klapötke forscht fürs Militär. Er und sein Team entwickeln Sprengstoffe.

"Mein Arbeitsgebiet sind energetische Materialien: Explosivstoffe, Treibstoffe, Raketen oder für Rohrwaffen Treibstoffe."

Prof. Thomas Klapötke, LMU München

Also auch Bomben, Waffen?

"Ja natürlich. Bomben und Waffen zählen auch dazu."

Prof. Thomas Klapötke, LMU München

Militärische Forschung an Hochschulen - in Bayern nicht nur erlaubt, sondern erwünscht.

"Vor 20 Jahren war es fast ausschließlich die US-Army und die US Navy, die unsere Arbeiten finanziert haben. Dafür erhalten wir jetzt sehr viele Forschungsmittel von der Bundeswehr in Deutschland."

Prof. Thomas Klapötke, LMU München

Seine Doktorandin Elena Reinhardt soll heute eine neue Substanz testen. Hocheffizient und schonend für die Gewehre.

"Dass wir die Temperatur in dem Lauf so absenken, dass die Gewehre, oder der Lauf eine längere Lebensdauer haben."

Elena Reinhardt, LMU München

Rund 700 Kilometer nördlich, in Bremen. Hier forscht Prof. Armin Dekorsy für Nachrichtentechnik.

Wie können Daten vom Satelliten zum Handy übertragen werden? Die Ultraschallbilder mit sämtlichen Gesundheitsmessungen werden direkt von der Ambulanz ins Krankenhaus gesendet.

"OK, jetzt gucken wir nach, ob das auch im Krankenhaus zu sehen ist?"

Prof. Armin Dekorsy, Universität Bremen

Alles rein zivil. Der Krankenwagen könnte aber auch ein Panzer sein. Und da fangen die Probleme an.

Hochschulforschung - nur für friedliche Zwecke?

"Auch das Militär hat natürlich den Wunsch, Informationen von A nach B zu übertragen. Und somit sind all diese Kommunikationstechnologien von Beginn an natürlich für militärische Anwendungen nutzbar."

Prof. Armin Dekorsy, Universität Bremen

In Bremen ist Hochschulforschung aber nur zu Zitat "friedlichen Zwecken" erlaubt. Das schreibt die verpflichtende Zivilklausel vor. Auch wenn sich die geopolitische Lage gerade ändert.

Etwa 70 Hochschulen in Deutschland haben eine Zivilklausel. report München fragte alle 16 Wissenschaftsministerien an: Gibt es eine verpflichtende Zivilklausel?

12 Bundesländer überlassen die Entscheidung den Hochschulen. Bei zwei Ländern steht die Zivilklausel im Gesetz. Fünf Länder empfehlen friedliche Forschung.Eines stellt die Zivilklausel gerade in Frage. In zwei Ländern verstoßen Zivilklauseln gegen das Gesetz. In Bayern ist militärische Forschung bei Bedarf verpflichtend.

Zurück in München, Sprengstoffforscher Klapötke kam her, weil es hier keine Zivilklausel gibt.

"Vor etwa 25 Jahren habe ich mich natürlich erkundigt, ob es eine Friedensklausel gibt. Das war nicht der Fall. Wenn sie eingeführt worden wäre, dann hätte ich mich wegbeworben."

Prof. Thomas Klapötke, LMU München

Gleich beginnt eine Schalte für die NATO. Thema sind bunkerbrechende Sprengstoffe. Die Forschung ist zum Teil geheim.

"Jetzt müsste ich Sie bitten, mich alleine zu lassen. Ich habe noch einige vertrauliche Sachen mit Herrn Professor Sucesca zu besprechen, die der Geheimhaltung unterliegen."

Prof. Thomas Klapötke, LMU München

Zurück in Bremen. Viele Tausende Menschen arbeiten hier bei Rüstungsfirmen. Was halten die Unternehmen von der Zivilklausel? Wir haben mehrere Rüstungs-Firmen angefragt.

Aber nur ein Unternehmen gibt uns ein Interview:

"Wir würden die Möglichkeit begrüßen, hier mit Forschern und Universitäten zusammenzuarbeiten."

Robert Schulz, Sprecher, SAAB Deutschland

Aber es gibt eine Zivilklausel?

"Das liegt nicht an uns!"

Robert Schulz, Sprecher, SAAB Deutschland

Vor zwei Jahren hat sich die schwedische Firma SAAB in Bremen niedergelassen. Die Zivilklausel in Schweden - völlig unbekannt. Richtig. Wir mussten für die Schweden noch einmal in Kürze die Zivilklausel erklären. In Schweden gibt es das nicht. Man kennt es dort nicht.

Ist die Zivilklausel noch zeitgemäß?

Das Team von Professor Dekorsy probt währenddessen den zivilen Katastrophenfall. Der Funkkontakt auf der Erde ist gestört - die Drohne übernimmt. Mit welchen Firmen gibt es Kooperationen?

"Das sind Firmen, die sind im Bereich der zivilen Anwendungen unterwegs, haben aber auch unter Umständen militärische Zweige."

Prof. Armin Dekorsy, Universität Bremen

Laut Zivilklausel muss er zuvor sein Gewissen prüfen. Darf er solche Angebote annehmen?

"Da sage ich jetzt nichts dazu."

Prof. Armin Dekorsy, Universität Bremen

Und wenn er offen bei Rüstungsprojekten mitmachen würde? Nachfrage bei Studierenden:

"Dann würden wir versuchen, die Studenten zu mobilisieren und sagen hey, hier wird jetzt für Rüstung geforscht. Das wollen wir verhindern."

Cornelius Knoche, Landes-Asten-Konferenz Bremen

"Rüstungskonzerne, raus aus unseren Universitäten."

Lena, Studierende

Protest hat hier Tradition: Die Universität Bremen hat 1986 als erste in Deutschland eine Zivilklausel eingeführt. Haben die Professoren Angst vorm Asta?

"Vor der Gesellschaft haben Sie Angst oder vor der Reaktion der Gesellschaft. Und die können wir ein bisschen befeuern. Das ist unser Mittel."

Cornelius Knoche, Landes-Asten-Konferenz Bremen

Ist die Zivilklausel noch zeitgemäß? Die Bremer Wissenschaftssenatorin sieht keinen Handlungsbedarf.

"Von mir wird es in dieser Legislatur keine Gesetzesinitiative geben, die Zivilklausel im Bremischen Hochschulgesetz zu ändern."

Kathrin Moosdorf, Wissenschaftssenatorin Bremen

Was bedeutet das jetzt für einen Forschenden, der sagt, ich möchte gerne auch militärisch forschen? Macht der Böses?

"Also sowohl das Landesgesetz als auch das, was die Hochschulen im Land Bremen sich ja selber gegeben haben, heißt, dass Forschung friedlichen Zwecken dienen soll."

Kathrin Moosdorf, Wissenschaftssenatorin Bremen

Forschung nur zu Zitat "friedlichen Zwecken"? - Was meint der Verteidigungsminister? Schriftlich teilt uns sein Ministerium mit: "Zivilklauseln können in diesem Sinne sowohl für die Zusammenarbeit mit Hochschulen als auch mit Forschenden, die ihren Beitrag für die gesamtstaatliche Aufgabe der Verteidigung leisten wollen, ein Hemmnis darstellen".

Immerhin: Zehn Wissenschaftsministerien erklärten auf Anfrage, dass die Zivilklausel derzeit beobachtet oder debattiert werde.


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