Report München


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Deutschland und Israel Ein besonderes Verhältnis?

Vor sechzig Jahren nahmen die Bundesrepublik Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Immer wieder gab es Krisen und Herausforderungen. Dazu gehört auch der Angriff der terroristischen Hamas auf Israel im Oktober 2023.

Von: Sabina Wolf

Stand: 08.04.2025

Israelische und Deutsche Flagge vor dem Roten Rathaus in Berlin | Bild: picture alliance / Daniel Kalker | Daniel Kalker

Eigentlich wollten wir in Berlin die Deutsch-Israelin Melody Sucharewicz für ein Interview treffen. Plötzlich: Ihr Handy schlägt Alarm. Raketenangriff auf Israel. Ihre Kinder sind in Israel. Was ist passiert?

"Ich erreich' Euch nicht. Rufst du die Mami schnell an und sagst, dass mir, dass ihr im Bunker seid und alles ok ist bei Euch? [...] Sind nicht online, das heißt, sie sind im Bunker. Alles okay ... Das ist Teil unseres Alltags, darauf werden unsere Kinder vorbereitet ... und, wenn ich weiß, die eine akute Sicherheitsgefahr für die eigenen Kinder ist in Kontrolle, geht es weiter mit der Arbeit für die, die die Hilfe jetzt mehr brauchen, als alles andere, um zu überleben."

Melody Sucharewicz, Politikberaterin

Meldody Sucharewicz engagiert sich für die Geiseln, die sich noch immer in den Händen der terroristischen Hamas befinden. Sie plant hier am hier am August-Bebel-Platz eine Gedenkaktion.

"Die jungen Menschen im Gazastreifen, in den Terror-Tunnels der Hamas, unsere Geiseln, sie haben kein Essen, sie haben keine Medizin. Und die habe ich natürlich auch im Herzen und an die müssen wir weiter denken."

Melody Sucharewicz, Politikberaterin

59 Geiseln sind noch in den Händen der Hamas. Darunter auch der Deutsch-Israeli Alon Ohel.

Hoffen auf die deutsche Regierung

Wir fahren in den Norden Israels, nach Lavon. Dort lebt seine Familie. Seit heute genau 550 Tagen hofft seine Mutter auf seine Freilassung. Alon Ohel ist Pianist. Die einzigen Nachrichten von ihrem Sohn überbrachten ihr zuletzt freigelassene Geiseln:

"Als sie zurückkamen, erzählten sie uns alles, vor allem von seiner Verletzung. Alon hat eine Augenverletzung, ein Schrapnell, das in seinem Auge steckt, und er kann auf einem Auge nichts sehen. Er hat keine medizinische Versorgung erhalten."

Idid Ohel, Mutter der Geisel Alon Ohel

"Er befindet sich 40 Meter unter der Erde. Und selbst in dieser Situation - um zu überleben, spielt er. Er benutzt seine Hände, er macht Bewegungen, als würde er Klavier spielen. Er spielt in Gedanken, als säße er tatsächlich am Klavier. Das tut er die ganze Zeit."

Idid Ohel, Mutter der Geisel Alon Ohel

Da ihr Sohn Deutscher ist, setzt sie große Hoffnungen in die deutsche Regierung:

"Alon ist nicht die einzige deutsche Geisel. Es gibt weitere deutsche Staatsbürger dort."

Idid Ohel, Mutter der Geisel Alon Ohel

In München treffen wir Dafna Gerstner. Die Deutsch-Israelin überlebt den Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 versteckt in einem Bunker. Sie war auf Familienbesuch in Israel, als die Terroristen angriffen. Sie zeigt uns ihre Hilferufe von damals:

"Also wir waren im Überlebungsmodus. Ich erinnere mich, dass ich wirklich nur gedacht habe, wie überlebe ich jetzt. Aber irgendwann haben wir auch verstanden, das ist eine Sache vom Glück, also entweder kommen sie rein oder nicht."

Dafna Gerstner

Ihr Bruder kämpft stundenlang gegen die Terroristen, bis sie ihn ermorden. Seitdem lebt sie mit der Angst - auch in Deutschland.

"Mein Vater hat mir auch gesagt, kauf dir eine Kreuz-Kette, damit die Leute denken, dass du keine Jüdin bist, da bist du sicherer. Tatsächlich, ja. Man weiß ja nie!"

Dafna Gerstner

Vergangenen Sonntag in München, Dafna Gerstner demonstriert mit einigen Hundert Münchnern für die Geiseln. Auch die Schauspielerin Uschi Glas setzt sich für sie ein.

"Und ich wünsche mir echt, viel mehr Leute nächsten, nächsten Monat kommen und um diese Solidarität mit den Geiseln zeigen."

Dafna Gerstner

Währenddessen erneut schreckliche Bilder aus dem Gaza-Streifen. Auch weil die terroristische Hamas die Geiseln nicht freigibt, wird hier wieder gekämpft.

Am Wochenende taucht ein Video auf, dass zeigt, wie israelisches Militär einen Kranken- und ein Feuerwehrwagen Ende März beschießt. Mehrere Menschen werden getötet. Die israelische Armee untersucht den Fall. Ein weiterer Rückschlag für alle, die Frieden und Verständigung wollen.

Sechs Jahrzehnte deutsch-israelische Beziehungen

Gestern in München. Ein Freundschaftstag zum 60 Jahrestag der deutsch-israelischen Beziehungen - es geht um Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Eingeladen hat die Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Wie schätzt sie die aktuelle Lage ein:

"Ich beobachte aufkeimenden Antisemitismus, leider auch wieder bei uns im Land. Und das hat auch was mit mangelnder Empathie, mit mangelndem Verständnis zu tun für die schwierige Situation in Israel selbst. Man muss nicht alles gutheißen, was die israelische Regierung macht, aber dieses Land kämpft um seine Existenz. Es wird täglich angegriffen von außen und deshalb ist es eine ganz schwierige Situation für das Land selbst."

Isle Aigner, Landtagspräsidentin, MdL, CSU

Rückblick: Die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel beginnen 1965. Erst im Laufe der Jahrzehnte entwickelt sich trotz Krisen eine echte Partnerschaft. 2008 im israelischen Parlament betont Angela Merkel: Israels Sicherheit ist Teil deutscher Staatsräson.

Armin Laschet setzt sich seit Jahrzehnten für die deutsch-israelischen Beziehungen ein.

"Dass damals, 1965, 20 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, muss man sich ja vorstellen, überhaupt wieder so etwas möglich war, der Austausch von Botschaftern, diplomatische Beziehungen. Das ist ein Akt der Versöhnung, den man nicht hoch genug einschätzen kann."

Armin Laschet, CDU

Melody Sucharewicz setzt sich unterdessen weiter im politischen Berlin für die Freilassung der Geiseln ein. Die Zusammenarbeit mit der Politik sei von Vertrauen geprägt, aber:

"Ich wünsche mir moralische und strategische Klarheit als Prinzip, das Deutschlands Außenpolitik vis-à-vis Israel lenkt und zwar nicht momentweise, nicht punktuell, sondern immer. Und ich wünsche mir eine authentische Freundschaft, wie sie im Fundament bereits existiert."

Melody Sucharewicz, Politikberaterin

Doch wie umgehen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu? Gegen ihn liegt ein umstrittenerer Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Er bereist Ungarn und die USA. Bundeskanzler Scholz kann sich eine Verhaftung in Deutschland nicht vorstellen.

Wie sieht das CDU-Außenpolitiker Armin Laschet?

"Also der designierte künftige Bundeskanzler hat ja deutlich gemacht, dass er sich nicht vorstellen kann, dass ein israelischer Regierungschef auf deutschem Boden verhaftet wird. Diese Position teile ich. [...] Also Beziehungen zwischen den Ländern sind unabhängig von Regierungschefs. Regierungschefs kommen und gehen, die Beziehungen aber bleiben."

Armin Laschet, stellv. Bundesvorsitzender CDU

Das galt in den letzten 60 Jahren für jede deutsche und auch israelische Regierung.

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