Keine Energiewende ohne Schwertransporte Unternehmen beklagen lange Genehmigungsverfahren
Sie transportieren Rotorblätter für Windkraftanlagen oder riesige Bohrmaschinen. Schwerlasttransporte sind auch für die Energiewende von größter Bedeutung. Doch Logistikunternehmen klagen, sie müssten wochenlang auf eine Genehmigung für die Lieferung warten.

Millimeterarbeit für die Energiewende. Sven Wolter darf jetzt keine Fehler machen:
"Im Kopf ist man die ganze Zeit angespannt halt ne. Man muss alles unter Kontrolle haben."
Sven Wolter
Er muss das Rotorblatt durch dieses Dorf in Hessen zu einem Windpark bringen.
"Wenn man hier rechts guckt, da sind wir schon dicht an den Dächern dran…"
Sven Wolter
Sein Transporter wiegt 140 Tonnen.
"Man will ja keine Menschen gefährden, wenn man jetzt so umkippen würde, jetzt so wie hier, du kippst nach links. Da stehen Häuser halt, ne! Da könnten immer welche drin sein."
Sven Wolter
Wochenlanges Warten auf Genehmigungen
Die Stelle hier ist besonders heikel. Er muss aufpassen, dass ihm sein Transporter nicht wegrutscht. Schwertransporte brauchen Sondergenehmigungen. Julian Vogl kümmert sich darum. Aber oft muss er wochenlang warten.
"Wir haben nichts Kriminelles vor. Wir wollen vielleicht sogar eine Baumaschine in einen Windpark fahren, damit unser Land die Energiewende schafft. Aber mit den momentanen Voraussetzungen, mit dem momentanen Bürokratie-Wahnsinn, wird es keine Energiewende geben."
Julian Vogl, Geschäftsführer Ramm- und Bohr-Schwertransporte
Vor allem Genehmigungen für die Autobahn dauern lange. Wenn er sie bekommt.
"Ich hab hier Schreiben gesammelt, die ich an Behörden geschickt hab, um meinem Ärger bzw. Unmut Luft zu machen, um auf Probleme hinzuweisen. Bisher immer ohne Antwort. Autobahn GmbH!"
Julian Vogl, Geschäftsführer Ramm- und Bohr-Schwertransporte
Die Autobahn GmbH - eine 100 prozentige Tochter des Bundes. Sie muss zustimmen, wenn ein Schwertransporter über die Autobahn will. Auf der Webseite lesen wir: "Schon heute können Anträge innerhalb von 3 Tagen bearbeitet werden." Aber stimmt das?
Ein Interview bekommen wir nicht. Auf Anfrage räumt das zuständige Bundesverkehrsministerium Verzögerungen ein und "Bearbeitungszeiten von aktuell bis zu vier Wochen". Die Gründe: eine Krankheitswelle und ein Umstellungsprozess.
"Es ist keine Ausnahme, dass man 6-7 Wochen auf eine Transportgenehmigung wartet. Es ist deprimierend."
Julian Vogl, Geschäftsführer Ramm- und Bohr-Schwertransporte
Strenge Vorschriften und weite Umwege
Und: Wenn er eine Genehmigung bekommt, dann meist nur unter strengen Auflagen. Er will uns zeigen, was dies für den Alltag bedeutet. Wir begleiten seinen Mitarbeiter Jörg Erber.
Für 400km braucht er zwei Nächte. In der ersten Nacht geht es von Ostbayern bis zur Raststätte Weißkirchen in Hessen. Gerade mal gut 300 Kilometer. Zielort: Wetzlar.
Die Strecken, die wir stellenweise vorgegeben kriegen, die sind nicht ohne.
Er kann nämlich oft nicht den direkten Weg nehmen; muss Umwege fahren. Denn laut der Autobahn GmbH des Bundes ist mehr als jede 10. Autobahnbrücke dringend modernisierungsbedürftig. Und über diese Brücken dürfen Schwertransporter nicht fahren.
"Das Schlimme ist dann halt immer eben die Zeit. Du fährst 3 Stunden und hast vielleicht im Extremfall 20km geschafft. Aufgrund der Rangiererei, aufgrund der Ortschaften, wo du durchmusst. (…) Die Fahrzeit geht weg und du schaffst dann halt keine Kilometer."
Jörg Erber
Auch diesmal muss er mehrere Umwege in Kauf nehmen. Immer wieder gibt es Probleme. Es ist Mitternacht. Die Fahrt ist anstrengend. Der LKW wiegt 130 Tonnen.
"Unfälle gibt's genügend, das wissen wir und du kannst halt jeden Tag damit rechnen, dass irgendwas passiert."
Jörg Erber
Begleitfahrzeige achten unter anderem darauf, dass er die Route einhält. Auch das ist in der Genehmigung festgelegt. Aber eine Garantie, dass der Transport sicher ans Ziel kommt, ist das nicht.
Eine falsche Abfahrt kann das Ende der Reise bedeuten. Weil nicht klar ist, ob er mit seinen 130 Tonnen dann weiterkommt.
Nach so einer Situation kurz entspannen geht nicht. Er muss weiter konzentriert bleiben. Zwei Stunden liegen noch vor ihm. Die vielen Auflagen kosten Kraft.
Scheitert die Energiewende an Wartezeiten?
Vorschriften und lange Bearbeitungszeiten lassen Julian Vogl verzweifeln.
"Wenn wir die Auflagen nicht mehr einhalten können, müssen wir entweder die Tieflader stehen lassen oder anfangen, sie schwarz zu fahren. Und dann können Sie die Uhr stellen, wann die Firma Konkurs anmelden muss."
Julian Vogl, Geschäftsführer Ramm- und Bohr-Schwertransporte
Auf Nachfrage heißt es jetzt aus dem Bundesverkehrsministerium: Es gebe Fortschritte. Bearbeitungszeiten von bis zu vier Wochen seien Vergangenheit. Zitat: "Diese Dauer ist gegenwärtig nicht mehr festzustellen."
Wirklich? Der Fachverband der Hersteller von Windkraftanlagen widerspricht.
"Stimmt leider überhaupt nicht mit unseren Erfahrungen überein. Wir sehen eher, dass die Anforderungen bei den Genehmigungen gestiegen sind und dadurch es eher schwieriger wird, tatsächlich eine Genehmigung zu erreichen."
Dr. Denis Rendschmidt, VDMA Power Systems
Mehrere Spitzenverbände wollen sich damit nicht mehr abfinden. Sie erarbeiten derzeit einen Forderungskatalog: Schwertransporte sollen einfacher und schneller genehmigt werden.
Denn: Für die Energiewende sind sie wichtig. Nur so können die vielen geplanten Windräder auch errichtet werden.
"Das bedeutet nach heutigem Stand bis zu 100.000 Transportgenehmigungen für diese Transporte. Wenn wir sozusagen auf diese Art und Weise weitermachen mit der Durchführung und mit der Genehmigung, dann gibt es Probleme."
Dr. Dennis Rendschmidt, VDMA Power Systems
Sven Wolter hat den steilen Abhang im Dorf inzwischen hinter sich gebracht.
"Wenn wir hier durch sind, was heißt: haben wir gewonnen? Aber dann sind die schlimmsten Stellen weg."
Sven Wolter
Nur noch ein paar Meter geht es für ihn durchs Dorf.
"Das Ziel ist in Sicht ja. Da ist man schon erleichert dann ja, dann fällt wie eine Last von der Schulter."
Sven Wolter
Dieses Windrad wird bald Strom produzieren. Aber damit es schnell deutlich mehr werden, müssen auch die Genehmigungsverfahren einen Gang zulegen.
Manuskript des report-Films zum Druck
Manuskript als PDF:
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Georgine Scheidt, Dienstag, 21.Februar 2023, 22:12 Uhr
1. Fahrgenehmigungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank, dass Sie die Wartezeit auf Fahrgenehmigungen aufgegriffen haben. Wir sind Hersteller von Transformationen und somit ebenso direkt beteiligt am Ausbau unserer Stromnetze sowie dem Ausbau der Infrastruktur für die erneuerbaren Energien & E-Mobilität. Wir warten in den letzten 2 Jahren regelmäßig bis zu 12 Wochen oder länger auf die Genehmigung und verschieben auf Grund dessen regelmäßig Inbetriebnahmen ganzer PV Parks etc. . Für einen „klassischen“ Mittelständler kaum noch tragbar und die schnelle Energiewende wird so auch nichts.
Vielen Dank, auch Namen unserer Speditionspartner & Lieferanten & Kunden
Antwort von G. Krohmanm, Dienstag, 21.Februar, 22:59 Uhr
Guten Tag,
evtl. sollte, so möglich, die Binnenschiffahrt als Transportalternative in Erwägung gezogen werden.
Für Sperr-, Volumen- oder Schwergut sind die Laderäume meist mehr wie ausreichend.
Was der dt. Binnenschifffahrt einzig fehlt ist ausschließlich die entspr. Lobby und der Willen von Verladern/Spediteuren.
MfG
Antworten