Machtkampf im Vatikan Die Kirche nach Benedikts Tod
Manche sprechen von einem Machtkampf, andere gar von einem Bürgerkrieg – Vatikan-Beobachter überbieten sich gerade mit dramatischen Worten zur Situation im Herzen der katholischen Kirche. Nach dem Tod von Benedikt XVI. scheint die Rivalität zwischen traditionellen und reformorientierten Kräften offen auszubrechen.
Ein letzter Gruß. Am Sarg Benedikts. Während Rom trauert, tobt im Vatikan ein Machtkampf. Konservative Kräfte formieren sich erneut gegen Franziskus. Kardinal Walter Kasper unterstützt den argentinischen Papst. Er lebt seit Jahrzehnten im Vatikan.
"Der nächste Papst, der muss manches anders machen. Der Meinung kann man ja sein. Aber jetzt den jetzigen sozusagen so mürb machen und zerstören, das ist erstens unchristlich. Und zum Zweiten dumm."
Kardinal Walter Kasper
Benedikt und Franziskus: Vordergründig bestand immer ein gutes Verhältnis zwischen dem Argentinier und dem Deutschen, obwohl Benedikt in vielen Fragen eine konservativere und dogmatischere Linie verfolgte, als Franziskus, der als Reformer gilt. Doch Benedikt hielt still, und seine Anhänger damit auch. Jetzt brechen die Dämme.
Konservative formieren sich gegen Franziskus
Den Auftakt macht Erzbischof Georg Gänswein, als Privatsekretär jahrzehntelang an der Seite Benedikts. Wenige Tage nach der Beerdigung erscheint sein neues Buch. Der Titel lautet: "nichts als die Wahrheit". Sinnbild für diesen Streit: Die althergebrachte Messe in lateinischer Sprache. Benedikt hatte sie wieder erlaubt. Franziskus schränkte sie dagegen zuletzt massiv ein, mit einem offiziellen päpstlichen Schreiben, einem sogenannten motu proprio.
"Ich glaube, dass Papst Benedikt dieses Motu proprio gelesen hat mit Schmerz im Herzen, weil er wollte ja gerade denen helfen, den inneren Frieden zu finden, auch den liturgischen Frieden, die eben in der alten Messe eine Heimat gefunden haben. Den Menschen diesen Schatz wegzunehmen, dabei ist mir nicht ganz wohl."
Erzbischof Georg Gänswein aus dem Interview Tagespost
Der bayerische Wallfahrtsort Maria Vesperbild. Hier wird die alte Messe hochgehalten: die Liturgie auf Latein, der Priester mit dem Rücken zur Gemeinde. Für viele hier ist die alte Messe ein zentraler Bestandteil ihrer katholischen Identität. Und ihr Garant: Benedikt XVI.
"Wir leben in unserer Zeit im Leben der Kirche einen Prozess der Verwässerung des katholischen Glaubens und seiner Anpassung an den Zeitgeist. Daher nun das Vermächtnis des verstorbenen Papstes: Steht fest im Glauben, lasst Euch nicht verwirren."
Jürgen Amerschläger, Pfarrer in Maria Vesperbild
Und so blickt mancher umso sorgenvoller auf das weitere Pontifikat von Franziskus
Gläubige:
"Ich hoffe nicht, dass er das ganze stärker einschränkt und sagt: Neue Priester dürfen gar nicht mehr die lateinische Messe feiern. Das wäre dann schon sehr schade."
"Wir haben uns auch an den Papst gewandt mit einer Videobotschaft und sagen: Wir sind Ihre Schafe und wir stehen loyal zu Ihnen und Sie sind unser Papst. Bitte lassen Sie uns unseren Schatz der alten Messe behalten.
Sorge vor zu weitreichenden Reformen bei Kritikern
Verheiratete Priester, die Weihe von Frauen: Die Sorge vor zu weitreichenden Reformen treibt viele um, die nach Maria Vesperbild kommen. Darunter sind auch prominente Persönlichkeiten, etwa Gloria von Thurn und Taxis - hier Archivaufnahmen. Sie pflegt enge Kontakte zu konservativen Bischöfen in der Kirche, bietet ihnen ein Forum. report München erreicht sie per Videoanruf in Kenia.
"Die Leute, die die Kirche verändern wollen, sind Leute, die nie in die Kirche gehen. Die Leute, die tatsächlich jeden Sonntag in die Kirche gehen, haben mit diesen synodalen Leuten nichts gemein. Das eine sind politische Funktionäre, die an den Futtertrögen der Macht sitzen und an den Fleischtöpfen und daran sich aasen. Und die anderen sind die braven, frommen Leute."
Gloria von Thurn und Taxis
Wer mehr über die Turbulenzen im Vatikan erfahren will, muss sich in die ehemalige Wohnung von Joseph Ratzinger begeben. Dort residiert heute Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Er verwaltet das intellektuelle Erbe des bayerischen Papstes. Von Benedikt zum mächtigen Präfekt der Glaubenskongregation gemacht, wurde er von Franziskus abberufen. Seine Kritik am Papst aus Argentinien verpackt er geschickt.
"Es scheint, so hätte das auch Joseph Ratzinger gesagt, dass der Herr im Boot schläft."
Kardinal Gerhard Ludwig Müller
Gefahr einer Kirchenspaltung?
Die Spannungen hinter den Mauern des Vatikans werden nicht nur durch den Tod von Benedikt verschärft. Kurz nach ihm starb mit dem australischen Kurienkardinal George Pell ein mächtiger Strippenzieher der Konservativen. Viele von ihnen erweisen ihm die letzte Ehre. Nach seinem Tod wird bekannt: Pell, einst ein enger Berater von Franziskus, ist der Verfasser eines Schreibens, das im Vatikan kursiert. Der Text: Eine Abrechnung mit Franziskus: "Kommentatoren aller Couleur (…) sind sich darin einig, dass dieses Pontifikat in vielerlei oder mehreren Hinsichten ein Desaster ist, eine Katastrophe."
In einem Interviewbuch legt Kardinal Müller nach mit seiner Kritik am aktuellen Papst. Franziskus höre zu sehr auf falsche Berater und schone seine Freunde.
"Es wäre wichtig, dass der Papst auf einen kleinen Freundeskreis hört, der immer alles abnickt. Das kann man machen, wenn man Privatmann ist. Da kann man sich nur mit seinen geliebten Freunden umgeben."
Kardinal Gerhard Ludwig Müller
Die Gefahr einer Kirchenspaltung ist für Müller real.
"Es sind schon manche Schismen entstanden wegen zweitrangigen Fragen."
Kardinal Gerhard Ludwig Müller
Die Sorge vor einer Spaltung der Kirche: Viele Konservative sehen gerade in den Reformdebatten die Gefahr einer zweiten Reformation. Aber auch Reformer und Papst-Freunde fordern von Franziskus, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Lagern zu suchen.
"Das ist das eigentliche Problem, vor der wir stehen. So eine Kluft, eine immer größer werdende Spannung zwischen zwei Gruppen in der Kirche, eine Spaltung der Kirche."
Kardinal Walter Kasper
Wie reagiert der Papst?
Doch wie reagiert der Papst selbst? In einem aktuellen Interview bezeichnet die Querschüsse als einen Ausschlag, der lästig sei. Und:
"Das einzige, worum ich bitte, ist, mir die Kritik ins Gesicht zu sagen; denn das bringt uns alle weiter."
Papst Franziskus
Ein frommer Wunsch: Die Machtspiele rund um den Vatikan werden weitergehen. Schließlich geht es nicht nur um Franziskus. Bei einem 86-jährigen Amtsinhaber haben schon viele die nächste Papst-Wahl im Blick, das nächste Konklave.
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paul, Mittwoch, 01.Februar 2023, 00:22 Uhr
1. Vatikan
Die Mafiosis im Talar streben um die Macht im Staate Vatikan, mit fadenscheinigen Argumenten versuchen sie den amtierenden Staatsoberhaupt zu diskreditieren. Mit dem Tode Ratzingers fehlt ihnen nun ihr mächtigster Fürsprecher eines patriarchalischen und monarchischen Kirchenstaat.
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