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Steak aus dem Labor Verschläft Deutschland die Food-Revolution?

Weltweit forschen Firmen am Essen der Zukunft. Biotechnik heißt das Zauberwort. Dazu zählen auch Steaks, die im Labor entstehen. Oft hat Deutschland das Nachsehen. Deutsche Unternehmer gehen mit ihren Neuentwicklungen lieber ins Ausland.

Author: Ulrich Hagmann, Susanne Wimmer

Published at: 20-2-2023

Person mit Laborkittel hält eine Tüte mit Laborfleisch | Bild: BR

Meilenstein auf dem Weg zu Fleisch aus Zellkulturen

Innerhalb von 25 Tagen haben der aus Deutschland stammende Wirtschaftsingenieur Christoph Meyr vom Schweizer Start-up Mirai Foods und sein Team ein armdickes Steak von 50 Zentimeter Länge im Bioreaktor gezüchtet. In der Dicke und Mächtigkeit ist das auch aus Sicht von Wissenschaftlern bisher noch keinem anderen Unternehmen gelungen. Doch bis Mayr sein in-vitro-Steak europaweit verkaufen kann, wird es aller Voraussicht nach dauern.

Hürde: Novel-Food-Verordnung

Denn neuartige Lebensmittel dürfen in der EU nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen sind. Das dient als Schutz der Verbraucher vor eventuellen Risiken. Als neuartig gelten Lebensmittel, die vor dem Stichtag 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in der EU verwendet wurden. Dazu zählen beispielsweise Chia-Samen, die Früchte des Noni-Baums, Mikroalgen, aber auch Lebensmittel aus Insekten. Außerdem gelten Lebensmittel oder Zutaten als neuartig, wenn sie mit neuen Verfahren hergestellt wurden. Und dazu zählt natürlich auch Zellfleisch. Genau da steckt für Gründer Christoph Meyr das Problem: "Wir wissen gar nicht, was wir genau einreichen müssen, um eine Genehmigung zu erlangen."

Europäische Start-ups brauchen einen langen Atem

Dass die europäischen Hürden für eine Zulassung hoch sind, bestätigt auch die Ernährungsforscherin und Mitglied der Leopoldina, Prof. Hannelore Daniel. Hierzu seien Investitionen in der Größenordnung von ein paar hunderttausend Euro notwendig. Zum anderen brauchen Start-ups in Europa im Vergleich zu anderen Staaten wie den USA oder Singapur einen besonders langen Atem. Zum Teil, so Prof. Daniel, könne es Jahre dauern, bis eine Genehmigung da ist und das sei fast tödlich für diese Start-ups.

Innovation wandert ab

Folglich suchen sich Firmen, die auf den Markt wollen, schnellere Wege. Singapur ist da ein gutes Beispiel. Der kleine Stadtstaat verfügt selbst über keine Möglichkeiten, Nahrungsmittel anzubauen. Um sich unabhängiger von Importen zu machen, wurden dort staatliche Rahmenbedingungen geschaffen, die es Firmen mit neuartigen Produkten erleichtern, eine Zulassung zu erlangen. So hat das erste in-vitro-Fleischprodukt der Welt – Chickennuggets aus dem Bioreaktor – dort eine Zulassung bekommen. Auch das Berliner Start-up Formo, das im Labor Milchproteine züchtet, aus denen - ganz ohne Kuh – verschiedenste Käsesorten hergestellt werden können, hat mittlerweile ein Büro in Singapur und wird dort ab März erste Verkostungen durchführen. Die Zulassungsbehörden dort seien von sich aus auf sie zugegangen, erzählt CEO Raffael Wohlgensinger.

Andere Länder investieren kräftig in alternative Proteine

Nach Angaben des gemeinnützigen Good Food Institute (GFI) investieren immer mehr Länder in die Erforschung und Entwicklung von neuen Lebensmitteln. Allen voran die USA, deren Präsident Biden im September 2022 eine Executive Order unterschrieben hat, die darauf abzielt, Innovationen in der Biotechnologie voranzubringen, unter anderem im Bereich alternative Proteine. Die israelische Regierung habe vergangenes Jahr 18 Millionen US-Dollar in ein Forschungskonsortium für kultiviertes Fleisch investiert, dem 14 Unternehmen und neun wissenschaftliche Einrichtungen angehören. Im Januar hat das Land angekündigt, weitere 34 Millionen US-Dollar in den Sektor zu investieren, unter anderem in ein Forschungszentrum. Auch EU-Länder wie die Niederlande, Dänemark oder Norwegen unterstützen die Forschung mit kultivierten oder pflanzenbasierten Technologien in den kommenden Jahren mit mindestens zweistelligen Millionenbeträgen.

Wo steht Deutschland?

In Deutschland ist bislang nur ein Forschungsprojekt bekannt, in das die Bundesregierung im Bereich der Zellkulturen investiert. Der Forschungsverbund Cellzero Meat wird mit Geldern aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung mit knapp 1,2 Millionen Euro gefördert. Ziel ist es, Verfahren zur Kultivierung von Fleisch mit tierfreier Nährlösung voranzubringen. Ernährungswissenschaftlerin Hannelore Daniel ist der Meinung, dass dieser Sektor deutlich mehr Mut brauche. Vor allem für die Forschung wünscht sie sich mehr öffentliche Gelder. Auch andere Experten fürchten, dass der Zug für Deutschland sonst abgefahren ist.

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Realist, Mittwoch, 22.Februar 2023, 00:21 Uhr

2. Geklontes Fleisch

Geklontes Fleisch hätte zwei Vorteile: Es müsste kein Tier mehr getötet werden, und es wäre keine Massentierhaltung mehr nötig.

Was die Angst vor "Essen aus dem Labor" betrifft: Auch "normal" hergestelltes Fleisch kann Chemikalien und/oder Krankheitserreger enthalten (Rinderwahnsinn, Hühner- und Schweinegrippe). Selbst Vegetarier und Veganer sind nicht auf der sicheren Seite (EHEC-Sprossen, Pestizide).

Überspitzt gesagt: Wer nicht verhungern will, muss sich entscheiden, ob er sich lieber chemisch oder biologisch (mit Bakterien und Viren) vergiften möchte.

Darüber hinaus sind die Begriffe "gesund" und "ungesund" relativ, da jeder Mensch anders ist ("One man's meat is another man's poison") .

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Franziska , Dienstag, 21.Februar 2023, 20:03 Uhr

1. Essen aus dem Labor

Mir graust es vor dem Essen aus dem Labor. Was veranlasst die Wirtschaft uns Menschen diese Ernährung chemisch unterzujubeln? Wir sollen kein natürliches Fleisch mehr essen? Das Vieh von der Weide wird da bewusst verdrängt. Dafür stellt man lieber Strom- Energie-Geräte auf die Wiese, ins Meer und parkt am Feld, Autos von der Autoindustrie. Die Erde ist nicht entstanden damit der Mensch seine Visionen ständig auslebt. Die Muttererde verlangt Gleichklang mit allem was darauf wächst. Kaufen wir in Zukunft verpackte Blumenblüten, Würmer, Insekten um uns zu sättigen? Proteine kann man durch andere Alternativen erhalten, dazu muss man nicht auf Insekten zugreifen. Zuerst wird das Meer totgefischt, jetzt kommen die Insekten dran? Leben die ewig gesund im Labor? Wenn die Zukunft fûr die Kinder so ausschaut, dass sie sozusagen überwiegend nur noch mit Labor-Essen abgefertigt werden, dann gute Nacht liebe Natur! Du wirst sterben müssen und irgendwann auch die verrückte Menschheit.

  • Antwort von Andi, Dienstag, 21.Februar, 22:26 Uhr

    Meines Erachtens ist der Gedanke hinter dem Fleisch aus dem Labor nicht, tierfreundliche Haltung und natürliches Fleisch abzuschaffen. Es geht darum, Alternativen zu unweltschädlicher Massentierhaltung zu schaffen. Denn diese kann keine Zukunft haben. Das gute (Bio-)Feisch vom Metzger nebenan soll es natürlich auch zukünftig geben. Es ist jedoch schade, wie man sich vor innovativen Ideen verschließt und Neuem nicht mal eine Chance gibt. Allein aufgrund fehlender objektiver Betrachtung und letztendlich falscher und unbegründeter Ängste.

  • Antwort von Franziska, Mittwoch, 22.Februar, 11:44 Uhr

    @Andi
    Angst wovor? Ich betrachte vieles bei diesen Thema vorausschauend. Sind Sie überzeugt, dass parallel eingeschränkte Massentierhaltung mit Essen aus dem Labor gut gehen wird? Gesund ist beides nicht für Menschen, solange Pestizide noch fleissig Geschäfte machen in der globalen Welt. Wo finden Sie überall noch gutes Biofleisch vom Metzger? In der Stadt kaum. Am Land kauft mancher Metzger ebenfalls schon Fleisch von der Markthalle dazu, weil er überwiegend selbst nur Wurst produziert. Dem Bauer wird es schmackhaft gemacht, Wiesen und Felder zu verpachten für die Industrie -Vieh wird abgeschafft der Stall bleibt leer. Veganer holen sich ihre Bio-Vitamine aus der Apotheke? Schöne gesunde Welt, wo der Mensch die Apotheke als Lebensmittel-Geschäft sehen muss. Neue Ideen sind nicht schlecht sie aus zu probieren, man sollte aber dabei nicht die Tür der normalen Essensversorgung zuschlagen wollen. In Thailand werden frittierte Skorpione gegessen, haben wir die im Land wachsen?

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