ARD alpha - Klassiker der Weltliteratur


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Klassiker der Weltliteratur Wolfram von Eschenbach - "Parzifal"

Vom unwissenden Narren zum Gralskönig: Das erzählt der Versroman Parzival in rund 25.000 gereimten Zeilen. Der gleichnamige Held soll König Anfortas durch eine mitleidvolle Frage von seinem Leiden erlösen. Doch bis es dazu kommt, muss Parzival die Gralsburg wiederfinden.

Stand: 16.10.2017 | Archiv

Tilman Spengler führt durch die Literaturgeschichte. | Bild: Honorarfrei lediglich für Ankündigungen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit obiger BR-Sendung bei Nennung: Bild: BR/Foto Sessner. Die Nutzung im Social Media-Bereich sowie inhaltlich andere Verwendungen nur nach vorheriger schriftlicher Vereinbarung mit dem BR-Bildmanagement, Tel. 089 / 5900 10580, Fax 089 / 5900 10585, Mail Bildmanagement@br.de

"Verbürgt" ist, dass Wolfram von Eschenbach um 1170 in dem Ort Eschenbach, in der Nähe von Ansbach, geboren wurde. Er war "von ritterlichem Stande", also Adeliger, war verheiratet und Vater einer Tochter. Der Geburtsort nennt sich Wolframs-Eschenbach, doch das erst seit 1917, 700 Jahre nach dem Tod des Dichters. Der Wandersänger Wolfram kannte sich im Lateinischen und im Französischen aus.

Ein Sänger aus dem Fränkischen

Blick auf die Wartburg bei Eisenach - hier fand der legendäre Sängerwettstreit statt.

Benannt nach seinem Geburtsort im Fränkischen, schuf Wolfram von Eschenbach mit dem Versroman "Parzival" die berühmteste Dichtung des Mittelalters. Geschrieben in paarweise gereimten Versen auf Mittelhochdeutsch preist der Dichter die Liebe, die reine, höfische Minne. Das Werk umfasst rund 25.000 Verse und wird in den modernen Ausgaben in 16 Bücher gegliedert.

Das Versepos in Kürze

Der Narr

Der Vater von Parzifal ist in den Orient gezogen und hat dort die schöne schwarze Königin Belakane geheiratet. Dieser Verbindung ist kein Glück beschieden, der Vater verlässt seine Frau und auch den gemeinsamen Sohn, der schwarz-weiß gescheckt auf die Welt kam.

Der Vater kehrt in den Westen zurück und heiratet erneut, diesmal die Schwester des Gralskönig Anfortas, die schöne Herzeloyde. Mit ihr zeugt er Parzifal, doch bevor der Junge auf die Welt kommt, wird sein Vater im Kampf getötet.

Auf zu König Artus

Herzeloyde will ihren Sohn vor dem Ritterleben und seinen tödlichen Gefahren schützen. So zieht sie ihn in der Wildnis auf, abseits der Zivilisation. Das hilft nicht, der Junge begegnet drei Kriegern, die ihm vom großen König Artus erzählen.

Der Mutter bricht es das Herz, als der Sohn ihr erklärt, er wolle jetzt auch Ritter werden. Ungerührt von ihrem Tod macht sich Parzifal auf zur Runde der Ritter um den legendären König Artus. Kein leicht zu findender Weg, doch Parzifal gelangt an sein Ziel.

Erziehung zum Ritter

Dort wird er zunächst verlacht. Doch Parzifal beißt sich durch, tötet einen feindlichen, vermeintlich überlegenen Ritter, von dem sich später herausstellt, dass es sich um einen Verwandten handelte, übernimmt dessen Rüstung und wird von nun an höfisch erzogen.

Er gerät an an den Hof, an dem das Fest des Heiligen Grals gefeiert wird, zu König Anfortas, seinem Onkel, dem Bruder seiner Mutter Herzeloyde. König Anfortas ist krank und kann von seinem Leiden nur befreit werden, wenn ihn ein schlichter Mensch nach seiner Gesundheit fragt, ihm damit Mitleid entgegenbringt. Doch das erkennt Parzifal nicht. Er verlässt die Burg.

Berufung zum Gralskönig

Mehr als vier Jahre lang versucht er, die geheimnisvolle Gralsburg wiederzufinden. Parzifal trifft auf einen vermeintlich Fremden, der in Wirklichkeit aber sein Halbbruder, der schwarz-weiß gescheckte Sohn seines Vaters mit der dunkelhäutigen Königin Belakane ist.

Die beiden betreten den Artushof, treffen dort auf die hexenhafte Cundrie, die Parzifal verkündet, er erhalte eine neue Chance, den Gralskönig durch eine mitleidige Frage zu erlösen und dadurch nicht nur ein Werk der Erlösung zu vollbringen, sondern auch dessen Nachfolger zu werden.

Populär bis in die heutige Zeit

Unter Literaturwissenschaftlern des Mittelalters ist es noch immer umstritten, ob Wolfram von Eschenbach den Stoff dieser Erzählung selbst schuf oder ob er sich von anderen Werken seiner Zeit anregen ließ. Gerade die Gralserzählung, also die Geschichte vom aufbewahrten Kelch mit dem Blut Christi, einer Schale oder einem Stein, der von Rittern in einer abgeschiedenen Burg bewacht wird, taucht in mehreren Legenden der damaligen Zeit auf.

Dass es sich um einen populären Stoff handelt, ist daran zu erkennen, dass er bis auf den heutigen Tag seine Leser und vielleicht mehr noch seine Zuschauer und Zuhörer findet. Nicht zuletzt in Richard Wagners Adaption "Parsifal".

"All den Rittern zumal,
Die da saßen in dem Saal
Ließ man von den Kämmerlingen
In goldnen Becken Wasser bringen.
Je vier bediente Einer
Und ein Junker, ein kleiner,
Der eine weiße Zwickel trug.
Man sah da Reichtum genug.
Der Tafeln mussten hundert sein,
Die man zur Türe trug herein.
Man setzte jegliche hier
Vor der werten Ritter vier:
Tischlachen blendend weiß
Legte man darauf mit Fleiß.

Der Wirt nun selber Wasser nahm;
Er war an frohem Mute lahm.
Da wusch sich Parzival zugleich.
Eine seidne Zwickel bilderreich
Hielt ein Grafensohn ihm hin;
Den sah man hurtig niederknien.

Wo eine Tafel war gestellt,
Bier Knappen sah man da gesellt,
Dass sie zu dienen nicht vergäßen
Denen, die an ihr säßen.
Zweene mussten kniend schneiden;
Die andern durftens nicht vermeiden,
Sie trugen Speis' und Trank herbei
Und dienten ihnen nach der Reih."

Wolfram von Eschenbach: Parzifal. Entstanden um 1200–1210. Übers. v. Karl Simrock


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