ARD alpha - Klassiker der Weltliteratur


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Klassiker der Weltliteratur Albert Camus - "Die Pest"

In seinem 1942 erschienenen Essay "Der Mythos von Sisyphos" entwickelte Albert Camus die Philosophie des Absurden. Es ist der Versuch, dem Leben durch bewusste Anerkennung des Absurden einen Sinn zu geben. Diese Idee durchzieht das Gesamtwerk des aus Algerien stammenden berühmten Autors.

Published at: 16-2-2019

Albert Camus | Bild: picture-alliance/dpa

Der Roman "Die Pest" machte seinen Autor Albert Camus unmittelbar nach seinem Erscheinen im Jahr 1947 weltberühmt. In der Stadt Oran am Meer bricht in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Pest aus, zeigen sich Krankheit und Tod.

"Die Pest"

Die Stadt Oran liegt an der Westküste Algeriens. Eine zunehmende Zahl von toten Ratten kündigen an, dass in der Stadt eine Seuche ausgebrochen ist. Der Arzt Dr. Bernard Rieux erkennt die Gefahr und kann gegen anfangs erheblichen Widerstand durchsetzen, dass Quarantänemaßnahmen ergriffen werden. In der Stadt wird der Ausnahmezustand erklärt. Und so wird Oran zu dem Mikrokosmos einer geschlossenen Gesellschaft, die auf eine tödliche Bedrohung reagiert. Die Stadt übt sich in der Abwehr gegen einen gemeinsamen Feind, der sich seine Opfer scheinbar planlos aussucht. Am Ende ist dieser Feind besiegt. Als in Oran wieder gesunde Ratten auftauchen, können die Bewohner aufatmen - für wie lange bleibt offen.

Leseprobe:

Am Morgen des 16. April trat Doktor Bernard Rieux aus seiner Praxis und stolperte mitten auf dem Treppenabsatz über eine tote Ratte. Vorerst schob er das Tier beiseite, ohne es zu beachten, und ging die Treppe hinunter. Aber auf der Straße kam ihm der Gedanke, dass diese Ratte dort nicht hingehörte, und er machte kehrt, um den Concierge zu informieren. Angesichts der Reaktion des alten Monsieur Michel wurde ihm klarer, wie ungewöhnlich seine Entdeckung war. Das Vorhandensein dieser toten Ratte war ihm nur sonderbar vorgekommen, wohingegen es für den Concierge einen Skandal darstellte. Dessen Standpunkt war kategorisch: Es gab keine Ratten im Haus. Der Arzt mochte ihm noch so nachdrücklich versichern, dass auf dem Treppenabsatz im ersten Stock eine sei, und vermutlich eine tote, Monsieur Michels Überzeugung blieb unangetastet. Es gebe keine Ratten im Haus, diese müsse folglich von außen hereingebracht worden sein. Kurz, es handle sich um einen Streich.
Am selben Abend stand Bernard Rieux im Flur des Hauses und suchte seine Schlüssel, ehe er zu seiner Wohnung hinaufging, als er aus dem dunklen Hintergrund des Korridors eine unsicher laufende dicke Ratte mit nassem Fell auftauchen sah. Das Tier blieb stehen, schien das Gleichgewicht zu suchen, lief auf den Arzt zu, blieb wieder stehen, drehte sich mit einem kurzen Fiepen um sich selbst und fiel schließlich um, wobei sein Blut aus den halb geöffneten Lefzen spritzte. Der Arzt betrachtete es eine Weile und ging in seine Wohnung hinauf.

Albert Camus: "Die Pest", Übers. von Uli Aumüller

Literatur-Nobelpreis 1957

Camus war ein Autor, der sich als Essayist, als Reporter, als Journalist und auch als Romancier für seine radikal humanistischen Ideen einsetzte. Den Nobelpreis erhielt er nicht für einen seiner Romane, er erhielt ihn auch nicht für seine philosophischen Schriften, er erhielt ihn für einen Essay mit dem Titel "Réflexions sur la Guillotine". Dort plädierte er gegen die Todesstrafe, die damals auch in Frankreich noch praktiziert wurde.

Politischer Kämpfer

Camus, der im November 1913 geboren wurde, wuchs als Halbwaise in einem Elendsviertel von Algier auf, seine Schul- und Universitätsbildung verdankte er Stipendien. Mit 22 Jahren trat er der Kommunistischen Partei Frankreichs bei, doch 1937 wurde er ausgeschlossen. Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte er in der Résistance, in der Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzungsmacht. Zeitlebens ließ er sich aber von keiner Partei vereinnahmen. Er stand 1953 in Ostberlin auf der Seite der Arbeiter, die gegen die SED und die Sowjets aufbegehrten. Und 1956 pries er den Aufstand der Ungarn gegen ihre sowjetischen Besatzer.

Das jähe Ende

Ein Jahr später, 1957, kam die Auszeichnung aus Stockholm. Camus war einer der jüngsten Preisträger für Literatur, noch nicht 44 Jahre alt, als ihn die Nachricht des Nobelkomitees erreichte. Er war zudem der erste, der aus Nordafrika stammte. Gut zwei Jahre später, am 4. Januar 1960, stieg er in das Auto von Michel Gallimard, einem Neffen von Camus' Verleger. Die Autofahrt endete mit einem folgenschweren Unfall: Camus war sofort tot, Michel Gallimard starb zehn Tage später an den Folgen des Unfalls im Krankenhaus.


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