ARD alpha - Klassiker der Weltliteratur


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Klassiker der Weltliteratur Aischylos - "Orestie"

Schuld, Rache und Sühne stehen im Zentrum der "Orestie" von Aischylos. Die großen tragischen Helden des antiken griechischen Theaters - Agamemnon und Ödipus, Elektra und Antigone - stehen noch heute sinnbildlich für Höhen und Abgründe der menschlichen Existenz.

Stand: 16.10.2017 | Archiv

Tilman Spengler führt durch die Literaturgeschichte. | Bild: Honorarfrei lediglich für Ankündigungen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit obiger BR-Sendung bei Nennung: Bild: BR/Foto Sessner. Die Nutzung im Social Media-Bereich, sowie inhaltlich andere Verwendungen nur nach vorheriger schriftlicher Vereinbarung mit dem BR-Bildarchiv, Tel. 089 / 5900 10580, Fax 089 / 5900 10585, Mail Pressestelle.foto@br.de

Im Zentrum des ersten Teils der "Orestie" steht die Ermordung Agamemnons, König von Argos, durch seine Frau Klytaimnestra und deren Geliebten Aigisthos. Klytaimnestra tötet Agamemnon, den siegreichen Helden aus Troja, der ihre gemeinsame Tochter Iphigenie auf dem Schlachtfeld geopfert hat. Auch die Seherin Kassandra, Agamemnons Konkubine, kann diesem Schicksal nicht entfliehen.

Orestes und der Muttermord

Im zweiten Teil der "Orestie" wird der nächste Schritt der Rache vollzogen - und zwar von den Geschwistern Elektra und Orestes, den Kindern Agamemnons und Klytaimnestras. Am Grab des Vaters trifft Elektra ihren verschollenen Bruder Orestes, den sie zunächst nicht wiedererkennt. Orestes vollzieht den Mord an seiner Mutter und deren Geliebten Aigisthos - in Apollons Auftrag.

Die Gemeinschaft richtet

Im dritten Teil verlangt Klytemnaistras Tod nach Rache, denn Orestes wurde für den Muttermord nicht bestraft. Der Streit über Recht und Unrecht, Blutrache und Sühne wird bis zur Göttin Pallas Athene getragen. Diese Göttin gibt dem Drama seine entscheidende Wendung. Pallas Athene entscheidet, dass nicht ein Einzelner, sondern eine Gemeinschaft über Schuld und Sühne entscheiden muss.

Kosmopolit und Krieger

Aischylos lebte in jenen Jahrzehnten, in denen Athen zu einer Weltmacht aufstieg. Es waren gleichzeitig die Jahre demokratischer Reformen. Der Dichter stammte aus einer vornehmen Familie - er war Poet, Kosmopolit und Krieger. So kämpfte er unter anderem in den Schlachten von Marathon, Salamis und Platää. In der Schlacht gegen die Perser verlor er seinen Bruder. Leid, Tragik und Unglück zählten zu seinen Wegbegleitern.

Einzig erhaltene antike Trilogie

Sein Gesamtwerk soll rund 90 Tragödien umfasst haben, davon sind bis heute sieben vollständig erhalten. Seine beiden bedeutendsten Werke sind "Die Perser" und die "Orestie". Die Orestie ist dabei die einzige, in ihrer Gesamtheit erhaltene antike griechische Trilogie. Aufgeführt wurde sie erstmals 458, mehr als zweieinhalb Jahrtausende vor unserer Zeit. Aischylos war damals bereits 83 Jahre alt.

Die Legende von Aischylos' Tod

Gestorben ist Aischylos angeblich durch eine Schildkröte, die einem Adler über ihm aus den Fängen glitt und so dem Dichter auf den kahlen Kopf fiel und ihn erschlug. Mehr als diese Legende und seine Stücke sind aus dem Leben des antiken Tragödiendichters nicht hinterlassen.

"Chor: Ist es Satzung ja, daß des Mordbluts Strom,
Vergossen zur Erd, aufs neue verlangt
Nach Blut. Ruft doch Mord die Erinys [Rachegöttin] auf,
Die zur Blutschuld an vordem Gemordeten führt
Immer wieder herbei neue Blutschuld.
[…]
Klytaimnestra: In acht nimm vor der Mutter wütgen Hunden (die Erinyen) dich!
Orestes: Und die des Vaters, wie sie meiden, laß ich's sein?
[…]
Klytaimnestra: Weh mir, ich gebar den Drachen da, zog mir ihn groß!
Orestes: Ja, wahr als Seherin sprach aus Träumen dir die Furcht.
Du erschlugst, den du nicht solltest; Gleiches dulde nun!"

Aischylos: Choephoren; Übersetzung: Oskar Werner


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