ARD alpha - Kant für Anfänger


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Kant, Sophie und der kategorische Imperativ Folge 3 - Hypothetisch oder kategorisch?

Stand: 20.03.2017 | Archiv

Lukas lädt Sophie zu einem Konzert ein: Angeblich hat ein Geschäftspartner abgesagt. Als sie nach dem Konzert durch den Park schlendern, nimmt er sie in die Arme und sie küssen sich. Doch dann macht Sophie einen Rückzieher - eine Affäre mit einem verheirateten Mann ist ihr zu riskant.

Als sie an ihrem Vortrag weiterarbeitet, trifft Sophie auch Kant wieder. Der erklärt ihr, warum Maximen immer auf den Prüfstand gehören - und warum Erfahrungen und Neigungen gänzlich ungeeignet sind, ein moralisches Gesetz zu begründen. Bei einem Treffen im Biergarten kann Sophie schließlich an einem praktischen Beispiel den Unterschied zwischen hypothetischen und kategorischen Imperativen festmachen.

Dialog: Philosophie im Biergarten

Sophie sitzt mit ihrer Freundin Eva und ihrem Kommilitonen Sebastian im Biergarten. Sophie und Sebastian trinken Bier, Eva Wasser mit einem Diätmittel.
SEBASTIAN: Das hast du doch echt nicht nötig!
EVA: Die Hose kneift. Also ist es nötig.
SOPHIE: Das ist es! Eva, danke! Schau, Kant schreibt: "Alles in der Natur wirkt nach Gesetzen." Weiter schreibt er: "Nur ein vernünftiges Wesen kann nach Prinzipien handeln ..." Eva, was du da gerade machst mit deiner Diät ..., ich meine, du nimmst die Möglichkeit wahr, als Vernunftwesen deinem Willen ein eigenes Gesetz vorzustellen, d. h. ein Prinzip aufzustellen, in diesem Fall für deinen Speiseplan. Prost!
EVA: Wie bitte?
SOPHIE: Befolgst du deinen Diätplan, ist dies das Vorstellen eines eigenen Gesetzes.
SEBASTIAN: Sophie hat Recht.
SOPHIE: In der Natur kommt dieses Gesetz nicht vor. Die Natur des Tieres kennt nur den Hungertrieb. Dazu aber ist keine Vernunft nötig, im Gegensatz zu deiner Handlung. Ohne Vernunft - keine Diät! 
SEBASTIAN:
 Tiere hungern, Menschen fasten!
EVA: Gut. Ich bin also kein Tier. Das ist schön. Und was hat das alles mit deinem kategorischen Imperativ zu tun?
SOPHIE: Noch nichts. Aber es ist ein Imperativ, hör zu: "Wenn nun die Handlung bloß wozu anders, als Mittel, gut sein würde, so ist der Imperativ hypothetisch ..."
SEBASTIAN: Ich glaube auch, Kant meint hier genau: Deine Handlung, das Diät-Zeug einzunehmen, ist ein Mittel zu etwas anderem, nämlich dem Abnehmen. Sophie, darf ich mal?
Sebastian nimmt Sophies Kant-Lektüre.
SEBASTIAN: (liest) "Wird die Handlung als an sich gut vorgestellt, mithin als notwendig in einem an sich der Vernunft gemäßen Willen, als Prinzip desselben, so ist der Imperativ kategorisch."
SOPHIE: Siehst du, Eva: Weil deine Diät nicht an sich gut ist, nicht allgemein gültig, "mithin nicht notwendig", ist sie nicht kategorisch, sondern hypothetisch.
EVA: Super. Das hilft! Ich gehorche also einem ... hypothetischen Imperativ? Und jetzt?
SEBASTIAN: Hier steht es: "Der hypothetische Imperativ sagt also nur, dass die Handlung zu irgend einer möglichen oder wirklichen Absicht gut sei." Deine Absicht ist eben, abzunehmen.
SOPHIE: Ein Mittel zum Zweck.
SEBASTIAN: Darauf trinke ich. Zum Wohl!


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