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Serious Games Spielerisch lernen - nur unterhaltsam oder auch effektiv?

Lernen ist anstrengend. Aber die Inhalte müssen rein in den Kopf. Manche Lernforscher glauben, dass sogenannte Serious Games das Lernen erleichtern können. Nur: Spielen und dabei ernsthaft lernen - passt das zusammen?

Von: Stefan Geier

Stand: 28.01.2021

Wenn unserem Gehirn langweilig ist, dann sucht es sich Beschäftigung. Nicht selten ist das ein Spiel oder ein Wettbewerb. Da wird der Gehweg plötzlich zum Lauf auf einem Muster. Oder die Wartezeit an der Ampel wird zum Countdown eines Raketenstarts: "3 – 2 – 1 – Lift off!"

Viele Lernforscher fragen inzwischen, inwieweit es sinnvoll ist, Spiele auch in der Lehre einzusetzen. Wer eh gern spielt, warum sollte der nicht nebenbei auch noch etwas lernen.

Japanische Schriftzeichen aus der virtuellen Welt

Beispiel Fremdsprache: An der Technischen Universität München entwickelt eine Gruppe von Studenten ein Computerspiel, mit dem es leichter werden soll, japanische Kanji-Schriftzeichen zu lernen. Sie zu schreiben und zu behalten ist für uns Europäer enorm schwierig. Die Idee der Studenten: ein zweigeteiltes Spiel. Zuerst muss der Spieler einzelne Schriftzeichen auf dem Tablet malen. Dadurch soll er sie sich einprägen. Dann taucht er in eine virtuelle Computerwelt ein. Die Geschichte eines kleinen japanischen Drachens, der sich ausschließlich mit diesen Zeichen verständigen kann. So wird ein klassisches Jump-and-run-Spiel mit Spracherwerb kombiniert.

Noch ist das Spiel in der Entwicklungsphase, aber der Ablauf - eine Mischung aus Unterhaltung und Wissenserwerb - ist typisch für ein Serious Game. Der Informatiker David Plecher, der zusammen mit Studenten das Kanji-Game entwickelt, meint dazu: "Solche Spiele sind eine Ergänzung zum reinen Lernen aus Büchern, aber sie beeindrucken die Lernenden oft mehr als der reine Frontalunterricht."

Lernen durch Stress

Studenten müssen sich im Börsenspiel "Risk Factory" behaupten.

Beispiel Finanzmathematik: Die Börse ist ein Ort der Gewinne. Aber wo einer gewinnt, muss ein anderer verlieren. Studenten an der Fakultät für Mathematik der TU München können den täglichen Wettstreit auf dem Börsenparkett seit kurzem hautnah erleben: in der sogenannten Risk-Factory. Das ist eine Simulation des echten Börsengeschehens.

"Die Studenten sollen erfahren, was es heißt, seine Emotionen im Griff zu haben und das Risiko zu kontrollieren", sagt Rudi Zagst, Professor für Finanzmathematik. Zwar lernen die Studenten im Uni-Alltag mathematische Formeln, Anlagestrategien und Börsenpsychologie. Aber in der Risk-Factory können sie diese theoretischen Informationen am eigenen Leib durchleben. Der Professor kann dabei jeden Schritt kontrollieren. "Irgendeiner fängt immer an zu zocken", so Zagst. "In diesem Spiel lernen die Studenten, dass sie im echten Leben an der Börse besser nicht spielen sollten."

Serious Games können also nicht nur digital sein. Auch analoge Spiele können einen in den Flow ziehen. Lerneffekt in der Risk Factory: ziemlich wahrscheinlich.

Game oder Serious Game?

Genau definiert ist der Begriff "Serious Game" nicht. Es gibt aber gewisse Kriterien, die viele "ernsthafte" Spiele gemeinsam haben. Sie müssen Spaß machen, sollen den Spieler motivieren, er soll nebenbei Lernen und er braucht immer mehr Wissen, um weiter zu spielen.

Das wichtigste Kriterium aber ist: Die Spieler sollen gänzlich im Spiel versinken. Je mehr Sinne angesprochen werden, desto mehr läuft der Erwerb von Wissen nebenbei. "Gerade Kinder und Jugendliche merken schnell, wenn das Lernen im Vordergrund steht. Dann verlieren sie schnell die Lust", sagt Gudrun Klinker, die mit ihrem Team mehr und mehr die Nachhaltigkeit der Serious Games erforscht.

Bleibt beim Spielen mehr hängen?

Michael Sailer

Aber bleibt beim Spielen mehr hängen, als beim Lernen aus Büchern, in Vorlesungen oder Seminaren? Die Nachhaltigkeit der Serious Games ist in vielen Fällen noch unklar, weil zu wenig erforscht.

Einen großen Vorteil sieht der Pädagoge Michael Sailer. Er hat in seiner Doktorarbeit die Wirkungen von einzelnen spielerischen Elementen im Alltag und in Serious Games untersucht und meint: "Wenn ich spiele, bin ich in der Regel motiviert. Und dann kann ich Inhalte oft leichter aufnehmen."

Fazit: Serious Games sind nicht fest definiert. An der Universität werden sie bislang nur bedingt eingesetzt, vieles ist noch im Entwicklungsstadium. Ob sie einem etwas bringen - das hängt sehr stark von den persönlichen Vorlieben ab. Wir raten: Wenn sich die Gelegenheit bietet – ob im Alltag oder an der Uni – ausprobieren und schauen, ob man sich damit leichter tut!

(Studien-)Infos zu Serious Games:

Serious Games sind interaktive Spiele meist in der digitalen Welt, in denen die Spieler nebenbei etwas lernen sollen. Es gibt inzwischen etliche Informatik-Lehrstühle, an denen Serious Games entwickelt werden können. Dazu zählt zum Beispiel der Master-Studiengang "Games Engineering" an der TU München oder der Universität Paderborn. Innerhalb dieses Masters kann man sich auf Serious Games weiter spezialisieren. In der Lehre wiederum sind Serious-Games-Angebote derzeit eher selten. Vieles steckt noch in der Entwicklung. An den Universitäten ist momentan unter anderem die Erforschung der Nachhaltigkeit von Serious Games ein großes Thema.

Weiterführende Links

In diesem Studium kann man selbst zum Spiele-Entwickler werden. Ob es dann das klassische Unterhaltungsspiel oder eher ein Serious Game wird, bleibt dem eigenen Interesse vorbehalten.

http://www.in.tum.de/fuer-studieninteressierte/bachelor-studiengaenge/informatik-games-engineering.html

Hier gibt es eine ganze Bandbreite an dem, was Serious Games alles bedeuten kann. Von Anwendungen für Kinder und Jugendliche über Erwachsenenbildung, Gesundheit, Sport, bis hin zum Einsatz im beruflichen Umfeld.

http://www.seriousgames.de


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