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Promovieren als Schwerbehinderter Der Körper bremst, aber der Geist rast!

Er kann nicht sprechen, nicht gehen, sich nicht bewegen - aber Aaron war in der Schule einer der besten. Und nach einem erfolgreichen Studium promoviert er jetzt in mathematischer Physik. Alles erinnert irgendwie an Stephen Hawking. Campus Magazin traf Aaron Schaal zuhause und an seinem Arbeitsplatz als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München.

Von: Margarete Jall

Stand: 13.11.2019

„Ich organisiere alles selbst“, sagt Aaron stolz. Eigentlich nicht ungewöhnlich für einen 26-jährigen und doch: Bei Aaron ist alles bemerkenswert anders. Er kann nämlich nicht gehen, sich nicht bewegen und nicht sprechen. Die Kommunikation übernimmt sein Computer mit Sprachausgabe für ihn, den steuert er über Augenbewegungen.

Ein Kindheitstraum wird wahr

So organisiert Aaron fast sein ganzes Leben: er schreibt E-Mails, Whatsapp-Nachrichten und seine Doktorarbeit in mathematischer Physik. Darin will er den Zeitpfeil erklären, also zeigen, warum die Zeit für uns immer in die gleiche Richtung läuft, obwohl die mikroskopischen Gesetze zeitumkehrbar sind. Dass er mal Physiker werden will, war für ihn schon früh klar:

"Ich war als Kind schon oft im deutschen Museum mit meinen Eltern. Und dann habe ich in der 9. Klasse ein Schulpraktikum im Max-Planck-Institut für Physik gemacht. Seither wollte ich theoretische Physik studieren."

Aaron Schaal

Maximale Selbständigkeit

Urlaub

Aaron ist mit einer sehr seltenen Stoffwechselstörung zur Welt gekommen, die hat eine generalisierte Dystonie ausgelöst, d.h. seine Muskeln verkrampfen sich ständig. Trotzdem wohnt Aaron seit acht Jahren in seiner eigenen Wohnung. Aber nicht allein, es ist immer ein Assistent bei ihm – für Aaron bedeutet das maximale Selbständigkeit. Er fährt nämlich auch mit seinen Assistenten in den Urlaub. Überall, wo man mit dem Auto hinkommt. Im Sommer war Aaron z.B. mit vier seiner Assistenten in Kroatien.

„Chronisch akademisch“

Weil Aaron mit seiner Doktorarbeit und einer halben Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht ausgelastet ist, studiert er nebenbei an der Fernuni Mathematik und Informatik. Das Programmieren macht ihm so viel Spaß, dass er es auch ehrenamtlich macht. Er hat z.B. die Website von Chronically academic (https://www.chronicallyacademic.org/index.php/de/ programmiert, einem Netzwerk, dass er mitgegründet hat. Es soll behinderten und chronisch kranken Wissenschaftlern helfen, sich besser zu vernetzen, vor allem auf internationaler Ebene.

"Mir ist vor allem der Austausch wichtig, es kann ja jederzeit sein, dass ich z.B. an eine andere Uni gehe."

Aaron Schaal

Denn Aaron hat ein großes Ziel: eine wissenschaftliche Karriere in der mathematischen Physik.

Und sein großer Traum? Ein Urlaub in Afrika.


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