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Wohnen für Hilfe Die Studenten-Senioren WG

Ein 20 Quadratmeter großes Zimmer, in einem Haus mit Garten, komplett möbliert… völlig mietfrei, und das auch noch in München, der teuersten Uni Stadt Deutschlands! Daniel, 26 Jahre alt, hat genau das geschafft, indem er bei Klaus, der 55 Jahre älter ist, eingezogen ist.

Von: Florian Falzeder

Stand: 09.10.2019

Es ist eine echte, generationenübergreifende Wohngemeinschaft, die sich Daniel Caballero aus Mexiko und Klaus Fuckerieder in Obermenzing, einem beschaulichen Münchner Vorort, aufgebaut haben. In einem Haus, und was für einem: 600 Quadratmeter großes Grundstück mit Garten, zwei Stockwerke.

Hier hat Klaus Fuckerieder jahrzehntelang mit seiner Familie gewohnt. Seine zwei Töchter sind schon lange erwachsen und ausgezogen. Als vor ein paar Jahren seine Frau starb, war er plötzlich allein in dem riesigen Haus. Irgendwann kamen seine Töchter auf die Idee mit dem jüngeren Mitbewohner und entdeckten dieses Konzept:

Senioren und Studierende unter einem Dach

Wohnen für Hilfe heißt es und existiert in mittlerweile mehr als 30 Städten in Deutschland. So funktioniert es: In vielen Städten haben Senioren oft eine große Wohnung und ein Haus, nur für sich alleine - und brauchen gerade im Alter oft Hilfe im Haushalt und Alltag. Studierende oder junge Leute in Ausbildung suchen dringend bezahlbare Zimmer oder Wohnungen, aber gerade am Geld scheitert es oft. Die Lösung: eine WG.

Die Faustregel ist, dass die jüngeren ihren älteren Mitbewohnern so viele Stunden pro Monat helfen, wie sie Quadratmeter Wohnraum bekommen, und zwar bei allen Hilfsarbeiten. Pflege ist Tabu, denn dafür braucht es ausgebildete Fachkräfte. Aber Kochen, Putzen, Gartenarbeit, alles, was den Älteren schwerfällt, können die jungen Leute übernehmen. Dafür wohnen sie komplett mietfrei. Nur bei Nebenkosten, Strom, Internet, usw. sollen sie mitzahlen.

Eine Haftpflichtversicherung ist Pflicht

Damit es klappt, muss man als Studierender allerdings einiges mitbringen. Erstens eine Haftpflichtversicherung, falls irgendwas passiert. Und natürlich Zeit und Lust, wirklich mitzumachen. Mit 15 bis 20 Stunden Arbeit pro Monat sollte man rechnen. Und dann braucht es noch viel Glück, überhaupt einen Wohnplatz auf diese Weise zu bekommen. In München zum Beispiel rennen die Studierenden dem Seniorentreff Neuhausen, das dort 'Wohnen für Hilfe' organisiert, die Bude ein. Senioren zu finden, die mitmachen wollen, ist auch nicht so einfach. Aber es läuft immer besser, das Projekt wird bekannter, und immer mehr machen mit. Aktuell gibt es etwa 100 solcher Wohnpaare in München.

 Mehr als eine Zweck-WG

Klaus Fuckerieder musste nicht lange überlegen. Als Student - er hat Biologie und Chemie studiert und war danach Lehrer - hat er schon in einer WG gelebt und dabei gute Erfahrungen gemacht. Daniel Caballero ist schon sein zweiter Mitbewohner, seit er sich bei Wohnen für Hilfe angemeldet hat.

Seit zwei Jahren wohnt Daniel schon bei Klaus bzw. Herrn Fuckerieder. Denn duzen will er seinen älteren Mitbewohner partout nicht, obwohl der ihm das immer wieder anbietet. Aber dem Mexikaner Daniel würde das komisch vorkommen. In seiner Kultur, sagt er, gehört zum Respekt für ältere Menschen dazu, dass man sie siezt. Sonst unterhalten die beiden sich aber ganz zwanglos, wenn sie denn mal zusammen kommen.

Unter der Woche sind die beiden nämlich eher eine Zweck-WG. Daniel ist den ganzen Tag an der TU München, um dort für seine Doktorarbeit in Biotechnologie zu forschen, die er vor kurzem begonnen hat. Abends macht er sich vielleicht noch eine Kleinigkeit zu essen und zieht sich dann in sein Zimmer zurück. Party, Alkohol, nachts um die Häuser ziehen - all das ist für Daniel nichts.

Am Wochenende dagegen unternehmen die beiden viel zusammen. Sie gehen zum Beispiel essen. Klaus will am liebsten ins bayerische Wirtshaus ganz in der Nähe, aber sie probieren auch immer wieder neue Gasthäuser aus, auf Daniels Initiative. Oder sie machen Radtouren, hören sich zusammen Vorträge an oder Daniel kocht für die beiden.

Sie lassen sich ihren Freiraum, das haben beide schon in früheren WGs gelernt, sind sich aber in den letzten beiden Jahren auch richtig ans Herz gewachsen. Eine echte Wohngemeinschaft eben.


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