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Zur Gründung der jungen Volt-Partei Wie kann eine Partei in 13 Ländern funktionieren?

Von wegen „unpolitische Jugend“: die meisten Mitglieder der Volt-Partei sind jung und haben Bock auf mehr Europa: Als erste paneuropäische Partei will Volt das politische Schicksal des Kontinents nicht länger den etablierten Parteien überlassen. Auf dem Weg dorthin, gilt es einige Hürden zu nehmen.

Von: Johannes Reichart

Stand: 13.05.2019

Abstimmung auf europäisch

In einem gemeinsamen Chat der „Volt“-Spitzenkandidaten laufen regelmäßig die Drähte zusammen: die Teamleiter der verschiedenen Länder stimmen sich intern über gemeinsame Positionen ab. Wie reagieren auf die jüngste Brexit-Wendung? Was sagen zu etwaigen Äußerungen des italienischen Innenministers Salvini? Und wie mit dem Aufbau der Partei vorankommen? Die jungen Kandidaten wollen als paneuropäische Partei mit einer Stimme sprechen – entsprechend aufwendig sind die Absprachen. „Volt“ ist nach eigener Auskunft in 30 Ländern aktiv.

Die 350 lokalen Teams sollen dafür sorgen, dass rechtzeitig bis zur Europawahl am 26. Mai auch genügend Menschen auf die jungen Proeuropäer aufmerksam werden. Auch die Münchner Spitzenkandidatin Marie-Isabelle Heiss ist sich beim Flyer verteilen in der Innenstadt nicht zu schade, jeden Angesprochenen noch um einen Gefallen zu bitten: „Bitte erzählen Sie weiter, dass es uns gibt!“ Bekannt werden, das ist wichtig, besonders für eine junge Partei.

Brexit, Flüchtlinge, Trump

„Volt“ wurde am 29. März 2017 vom Deutschen Damian Boeselager gemeinsam mit einer Französin und einem Italiener gegründet. Genau an jenem Tag, an dem die Briten offiziell ihr Austrittsgesuch an die EU übermittelt haben. „Es ist Zeit, dass unsere Generation Verantwortung übernimmt“, ist das Motto von Damian Boeslager. Der Brexit ein Weckruf für die Gründer. Inzwischen strebt „Volt“ programmatisch eine engere politische Integration der EU an.

Marie-Isabelle Heiss ist neben Boeselager Spitzenkandidatin von Volt. Die Münchner Anwältin ist bundesweit auf Platz 2. Sie hat sich nach eigener Aussage über die Flüchtlingskrise politisiert. Als sie sich 2015 mit Fragen des Flüchtlingsrechts beschäftigte, wurde ihr klar, dass die Rahmenbedingungen der europäischen Asylpolitik nicht stimmten. Brexit, Flüchtlinge, Trump – die meisten Anhänger von Volt haben Europa eher von seiner schönen Seite kennengelernt: Sie schwärmen von ihrem Erasmusjahr in Lissabon, Padua oder Barcelona. Viele pflegen europaweite Freundschaften und wollen es nicht hinnehmen, dass Populisten immer offener gegen die EU und eine Politik der offenen Grenzen wettern.

Zur EU-Wahl erst in acht Ländern wählbar

Doch noch kann Volt nicht überall Fuß fassen. Für die Registrierung als Partei sind die Hürden in manchen Ländern sehr hoch: Während man in Deutschland nur 4.000 Unterschriften braucht, um eine Partei zu gründen, sind es in Italien 150.000 Unterschriften, die für eine Wahlzulassung nötig sind. In Frankreich wiederum muss eine Partei, die antreten will, mindestens 800.000 Euro auf einem Konto bereithalten, zur Finanzierung der Stimmzettel. Der Hintergrund: In Frankreich druckt jede Partei ihren eigenen Stimmzettel und legt ihn in den Rathäusern zur Wahl aus. Die französischen Wähler müssen sich dann zwischen den Parteien und ihren Zetteln entscheiden. 

Volt hat also keine Kandidaten in Italien und Frankreich, tritt aber immerhin in acht Ländern zur EU-Wahl an: neben Deutschland und den Niederlanden, in Luxemburg, Bulgarien, Schweden, Spanien, Belgien und Großbritannien.

Nicht nur die Niederungen der europäischen Bürokratie bergen Fallstricke. Auch inhaltlich ist ein länderübergreifendes Vorgehen mitunter schwierig. Beispiel Energiepolitik: Während in Frankreich die wichtigste Energiequelle die Kernkraft ist, bezieht Polen seine Energie zu mehr als 2/3 aus Kohle, Litauen setzt auf Gas, Österreich auf Wasserkraft. Welche Lösung tischt man nun als Partei auf, ohne einzelne Länderteams zu vergraulen?

„Amsterdamer Erklärung“

In der „Amsterdamer Deklaration“ hat sich „Volt“ dieses Jahr ein gemeinsames Programm gegeben. Jetzt gibt es kein Zurück mehr für die nationalen Teams. Doch vieles bleibt eher vage in dem Text: Mehr Geld soll in Bildung und die Digitalisierung fließen, europäische Institutionen sollen gestärkt und das Klima geschützt werden. Wie man sich allerdings beim Thema Energie positioniert, ob also ein europaweiter Energiemix mit oder ohne Kohle und Atomkraft rauskommt, dazu steht nichts im Text. Man sei ja noch jung und gerade dabei, ein ausgefeiltes Programm zu erstellen, heißt es von den „Volt“-Kandidaten bezüglich kritischer Detailfragen. 

„Volt“ steht für: neue Energie in der Politik

Einigkeit herrscht beim gemeinsamen Ziel für die Europawahl 2019. Mindestens fünfundzwanzig Abgeordnete aus sieben Ländern sollen ins europäische Parlament in Brüssel und Straßburg einziehen, um mit viel „Volt“ Energie für ein geeintes Ziel einzustehen. Ob das wohl klappen wird am 26. Mai?


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