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Besser, schneller, weiter Studenten im Selbstoptimierungsfieber

Manche Studenten chillen gerne, für andere ist es reine Zeitverschwendung. Sie nutzen jede Zeit, um an sich zu arbeiten und leistungsstärker zu werden. In der Uni oder körperlich oder geistig. Oder alles. Jakob ist so einer. Das Campus Magazin rätselt: Übertreibt er es? Oder macht er es genau richtig so?

Von: Barbara Weber

Stand: 27.06.2017

"Es geht mir darum ein besserer Mensch zu werden in den Dingen, die mir wichtig sind. Ich will mein Leben in vollen Zügen genießen und das tue ich auf diese Weise. Ich habe keine Freude daran im Garten rumzuliegen. Ich weiß nicht, ob das gesellschaftlicher Druck ist, bei mir glaube ich nicht. Ich bin einfach so ein Typ."

(Jakob)

Medizinstudent Jakob: Ein echter Überflieger

Jakob, 21 Medizinstudent - schön, klug, leistungsstark. Einser-Abi, einer der Besten beim Medizinertest, sechs Stunden lernen am Tag, sechs Tage die Woche Training - Kampfsport und Krafttraining. In den Lernpausen Klavier spielen, kochen und quer durch die Stadt radeln zur Uni und wieder zurück. Ein Leben auf der Überholspur oder in den Abgrund einer Mensch-Maschine, die Nichtstun nicht mehr aushält, weil es sinn- und wertlos erscheint?

Jakob, ein Selbstoptimierer?

"Ich bin auf jeden Fall ständig mit meiner Selbstoptimierung beschäftigt. Man strebt immer nach Zufriedenheit und durch die Arbeit an mir erreiche ich meine eigene Zufriedenheit, weil ich den Bezug zu mir selbst verbessere, aber auch den Bezug der Anderen auf mich."

(Jakob vor dem Filmdreh.)

"Ich würde mich selbst nicht als Selbstoptimierer bezeichnen. Ich kann das verstehen, wenn das Leute von mir sagen, aber ich mache das ja nicht ausschließlich um mich zu verbessern oder irgendwie um besser auf andere zu wirken, sondern ich mache es, weil es mir Spaß macht."

(Jakob, nachdem er zwei Wochen über die Frage nachgedacht hat.)

Was heißt schon Selbstoptimierung? Alles tun, um in allen Lebensbereichen Arbeit, Liebe, Essen, Sport besser – vielleicht sogar als Andere - zu sein? Oder sich einfach nur anstrengen in den Dingen, die einem wirklich wichtig sind und einen glücklich machen?

Was ist Selbstoptimierung überhaupt?

Selbstoptimierung meint weniger die radikale Verwandlung zu einem Neuen oder einem perfekten Menschen, sondern einen kontinuierlichen Veränderungsprozess in verschiedenen Bereichen des Lebens. Die Optimierung des Selbst gestaltet sich dabei für die meisten Menschen eher Schritt für Schritt und zeichnet sich gerade nicht durch technische, chemische oder genetische Optimierung aus, sondern durch kleine Modifikationen der alltäglichen Lebensführung hin zu einem glücklicheren, fitteren oder gesünderen Leben. (Definition der Bundeszentrale für politische Bildung)

Wir begleiten Jakob einen Tag lang, um herauszufinden, ob er tatsächlich ein Selbstoptimierer ist und wenn ja, ob das so schlimm wäre?

Lernen

Jakob steht für einen Studenten relativ früh auf, um 7.30 Uhr. Oft sitzt er vor dem Frühstück schon beim Lernen, vor allem in Prüfungszeiten.

"Ich habe kurz vor einer Prüfung zwölf Stunden am Tag gelernt, dann habe ich am Abend kurz Sport gemacht und dann habe ich bis elf Uhr abends gelernt. Ich probiere ständig neue Lernmethoden aus, Transkript, handschriftlich und am PC. Apps benutze ich nie. Ich bin kein Freund davon, weil ich glaube, das bekommt man auch ohne gut hin. Vor Prüfungen ganze Tage durchzulernen macht mir nichts. Danach ist es wieder entspannter. Ich kenne viele Leute, die stressen sich viel mehr als ich im Studium."

(Jakob)

Jakob setzt sich immer neue Ziele im Studium, das muss er auch, um das lernintensive Fach erfolgreich meistern zu können. Nichts für Faulenzer, denn derzeit liegt der NC bei 1,0 in fast allen Bundesländern. Viele Mediziner kritisieren das, ein top Abi-Schnitt mache noch keinen guten Arzt, aber so sind die Zugangsbedingungen derzeit.

Essen

Beim Blick in Jakobs WG-Kühlschrank fällt nur eines auf. Statt Superfood und Smoothies Fertigsoßen und Majo, eben eine echte Studentenküche. Ein richtiger Selbstoptimierer ernährt sich anders: super gesund, häufig sogar vegan, um sich und seinen Körper von innen heraus zu optimieren. Jakob macht das offensichtlich nicht.

"Ich esse nahezu kein Fleisch, lebe ziemlich vegetarisch, außer wenn ich bei meiner Oma bin, und ernähre mich meist von Nudeln und Reis. Alkohol trinke ich so gut wie keinen, schmeckt mir einfach nicht. Aber Chia Samen im Müsli und das ganze Superfood, das wäre mir viel zu umständlich und zu teuer."

(Jakob)

Sport

Jakob ist ein Sport-Ass. Er trainiert dreimal die Woche im Fitnessstudio und dreimal die Woche im Kampfsportstudio. Als Medizinstudent weiß er ziemlich genau, wie und wo er seinen Körper ansteuern muss. Seine Figur ist beeindruckend, will er genau das erreichen?

"Ich mache nicht Sport, um gut auszusehen, sondern ich mache es, weil es mich glücklich macht, meine Figur ist nur ein positiver Nebeneffekt des Trainings. Manchmal denke ich schon, jetzt könnte ich mal abnehmen, jetzt ist Sommer, aber es ist jetzt nicht so, dass ich mich runterhungere."

(Jakob)

Im Kampfsporttraining ist nicht nur Kraft gefragt, sondern vor allem strategische Cleverness. Für das Campus Magazin fightet Jakob mit seinem Studienfreund Tarek, der eigentlich Kickboxer ist.

"Das ist definitiv ein Selbstoptimierer. Wie ihr seht, wie er clincht. Das ist eine ganz klare Kiste. Da geht es wirklich darum sich selbst in eine gute Position zu bringen. Das macht er Eins-A."

(Tarek, Studienfreund)

Zahlen und Fakten:

Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 1,7 Millionen Smartwatches und Fitness-Tracker verkauft.
Weltweit gibt es über 70 Millionen Geräte

Gewinnen oder verlieren, ist es das warum Jakob hier trainiert, um sich für den späteren Konkurrenzkampf im Job vorzubereiten?

"Das ist überhaupt nicht meine Moral. Ich bin nicht auf Gewinnen orientiert. Es geht darum, dass man merkt, dass man Fortschritte macht. Dafür gibt es keine Zahlen, sondern nur Feedback von anderen und das eigene Gefühl. Man freut sich darüber, wenn jemand viel besser ist und man kommt trotzdem zweimal durch, das ist alles."

(Jakob)

Sport ist für viele – ähnlich wie Ernährung - ein wichtiger Bestandteil der eigenen Selbstoptimierung. Immer mehr Menschen nutzen dafür technische Hilfsmittel und vermessen sich und ihren Leistungsstand in Zahlen. Die gute alte Pulsuhr wirkt fast schon antiquiert, angesichts der hochmodernen Messmethoden, die einen durch den ganzen Tag begleiten und permanent zählen, wie viele Schritte man macht, wie gesund man isst und wie lange man schläft.

"Ich bin nicht so der Typ für Apps, weil ich glaube, dass man das auch ohne gut hinbekommen."

(Jakob)

Klavierspielen

Jakob war an einem musischen Gymnasium. Sein Klavier hat er nach dem Abi nicht mehr angerührt, bis jetzt.

"Klavierspielen ist wie Meditation, da bringe ich meinen Affengeist zur Ruhe und bekomme meinem Kopf frei, weil ich etwas ganz Anderes fokussieren kann."

(Jakob)

Fazit: Jakob ist ein Mensch, der ständig an sich arbeitet, um in vielen Bereichen seines Lebens mehr aus sich heraus zu kitzeln. Sein Antrieb ist die Lust daran, sich weiter zu entwickeln, weniger die Anderen. Und während andere unter der Last ihres Studiums stöhnen, genießt Jakob seine vollen Tage.

"Es ist straffes Programm, aber es macht mir Spaß und ich komme abends heim und rückblickend sehe ich, dass ich was erreicht habe und das macht mich glücklich und auch insgesamt, die Dinge, die ich erreicht habe mache ich nicht ausschließlich, um mich selbst zu verbessern, oder besser als andere zu sein, sondern es geht mir darum, dass es mir selbst dabei gut geht und insgesamt meine Lebensqualität steigert."

(Jakob)


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