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Prof. Dr. Christina von Hodenberg, Historikerin 68 war anders: Gegen die Gedenkroutine

Die Studentenrevolte von 1968 wird in unseren Gedenkroutinen gerne auf den SDS, die männlichen Revoluzzer, Westberlin und Frankfurt verengt. Dieser bildungsbürgerliche Tunnelblick blendet zentrale Elemente aus und kann daher nicht erklären, wieso 1968 die Gesellschaft der Bundesrepublik so nachhaltig veränderte.

Stand: 04.08.2023

Eine Entdeckungsreise in die Familien und in die Privatsphäre der sechziger Jahre zeigt zum einen, dass der Protest der Frauen einen tiefgreifenden Wandlungsschub auslöste. Die 68‘erinnen waren langfristig wichtiger als ihre männlichen Mitstreiter. Zum anderen entpuppt sich die Vorstellung vom Generationenkonflikt zwischen antifaschistischen Söhnen und belasteten Nazi-Vätern als ein Mythos. In den Familien beteiligten sich Großeltern, Eltern und Kinder gemeinsam am Verschweigen der braunen Vergangenheit.

Christina von Hodenberg ist Professorin für Europäische Geschichte an der Queen Mary University of London. Sie forscht zur Sozial- und Politikgeschichte Deutschlands, wobei sie sich besonders für Proteste, Generationsbeziehungen und Massenmedien interessiert. Ihr neuestes Buch Das andere Achtundsechzig (Beck Verlag, 2018) ist eine Gesellschaftsgeschichte der westdeutschen Revolte der späten sechziger Jahre. Ihre anderen Bücher befassen sich mit der gesellschaftsverändernden Wirkung von Unterhaltungsfernsehen (Television’s Moment, Berghahn Books 2015) und politischem Journalismus nach 1945 (Konsens und Krise, Wallstein Verlag 2006) sowie mit Protesten und Liberalismus im 19. Jahrhundert. Bevor sie 2006 nach London ging, lehrte sie an den Universitäten Freiburg, Berkeley und Montréal und forschte in Harvard und Bielefeld. Ein Humboldt-Forschungspreis führte sie im Jahr 2014/15 an die Universität Halle-Wittenberg.


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