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Landesstudierendenvertretung in Bayern Die Pandemie fordert Tribut: „Studierende sind psychisch am Ende“

Die Landesstudierendenvertretung in Bayern fordert auch 2022, zum Beginn des dritten Corona-Jahres, endlich den Ausbau der psychosozialen Beratungsangebote an Hochschulen und Universitäten anzugehen.

Von: Christian Wurzer

Stand: 09.02.2022

Eine Box mit Papiertüchern und eine Sprühflasche mit Desinfektionsmittel steht neben einer Studentin in der Begrüßungsveranstaltung für Studierende im ersten Semester. | Bild: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Seit zwei Jahren herrscht die gleiche Situation. Junge Studierende machen sich auf,  einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Sie ziehen in eine neue Stadt. Sie freuen sich auf neue Menschen und auf eine neue Gemeinschaft. Tatsächlich sitzen sie pandemiebedingt isoliert in ihrer kleinen Wohnung und leiden an Vereinsamung, manche an Depressionen. Viele Erstsemester-Studierende haben seit Studienbeginn nur vereinzelt ihre Hochschule, oder ihre Universität besucht. Manche haben noch nie einen Vorlesungssaal von innen gesehen, geschweige denn Seminare in kleinen Gruppen erlebt.

"Depressionen sind kein Phänomen, das nur bei einzelnen Studierenden im Fernsehen auftritt, sondern eines, dass bayernweit angegangen werden muss. Die psychosoziale Beratung hat bereits für unzählige Studierende das Studium gerettet. Diese großartige Arbeit der Studierendenwerke anzuerkennen und zu fördern ist also längst überfällig."

Paul Thieme, Sprecher der bayerischen Landesstudierendenvertretung

Das Deutsche Studentenwerk schlägt erneut Alarm.

Schon vor der Pandemie haben sich ständig mehr Studierende die Krisenberatungsangebote der Studentenwerke in Anspruch genommen. Mit der Pandemie hat sich die die Lage weiter verschärft. Bislang hat sich die finanzielle Situation für die Beratungsangebote der Studierendenwerke nicht verändert.

"Psychosoziale Beratung ist ein wichtiger Baustein, der Studierenden Halt gibt. Trauerfälle in der Familie, Prüfungsangst oder die wirtschaftlich oft schwierige Lage waren auch bisher Gründe für das Aufsuchen von Beratungsstellen. Die Pandemie hat die Situation gleich doppelt verschlimmert. Einerseits müssen Studierende nun mit ihren Sorgen allein klarkommen. Die normalen sozialen Netze können sie durch die Pandemie nicht mehr nutzen. Das Online-Studium isoliert. Andererseits wurden die Probleme größer. Jobs sind weggefallen, Studieninhalte mussten im Selbststudium erlernt werden, Prüfungen konnten teilweise nicht abgelegt werden."

Johanna Weidlich, Sprecherin der bayerischen Landesstudierendenvertretung

Das zeigen die Zahlen, mit denen die Landesstudierendenvertretung argumentiert. Beispiel: Beim Studentenwerk Erlangen Nürnberg ist die Zahl der in Anspruch genommenen Beratungsstunden im ersten Corona-Jahr 2020 um 11% und im zweiten Corona-Jahr 2021 um 25 % angestiegen. Die Landesstudierendenvertretung in Bayern spricht von einem Trend, der an allen bayerischen Hochschulen und Universitäten festzustellen ist.

Die Angebote für psychosoziale Beratung für Studierende sind unterfinanziert

Die Angebote der psychosozialen Beratung werden zum größten Teil durch die Studierendenwerke getragen. Diese finanzieren aktuell mehr als die Hälfte dieses Angebots aus eigenen Mitteln. Doch erscheint das wie der sprichwörtliche ‚Tropfen auf den heißen Stein‘. Bei der Universität Passau steht derzeit nur eine einzige Fachkraft für die gesamte Universität mit knapp 12.000 Studierenden zur Verfügung. Oft ist es nicht möglich einen notwendigen Beratungstermin zeitgerecht zur Verfügung zu stellen.

Studierende kämpfen mit der Pandemielage und geraten psychosoziale Not

Für Studierende, die auf Hilfe angewiesen sind, kann das zu einem Problemen führen, die einen erfolgreichen Abschluss des Semesters oder gar des Studiums in Frage stellen. Für die erhöhte Nachfrage braucht es also auch die nötigen Mittel für die Studierendenwerke, denn diese sind an ihrer Belastungsgrenze.

"Seit Beginn der Pandemie fordern wir die bayerische Staatsregierung dazu auf, den Studierenden unter die Arme zu greifen und endlich auch bei der psychosozialen Beratung nachzubessern. Passiert ist bis jetzt noch nichts. Es ist jetzt Zeit zu handeln."

Paul Thieme, Sprecher der bayerischen Landesstudierendenvertretung

Die Forderung nach der Anerkennung der psychologischen Betreuung als Aufgabe der Studierendenwerke und entsprechende Bezuschussung durch den bayerischen Staat haben auch die Bayerischen Studentenwerke, das Deutsche Studentenwerk und die Landes-ASten-Konferenz Bayern bei ihren Stellungnahmen zum Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz gefordert. Bislang ohne Erfolg.


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