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Student des Jahres 2018 Philipp Humbsch, der Heldenmacher

Erste Hilfe ist in Deutschland zum Problemfall geworden. Viele sind hilflos, desinteressiert oder halten beim Notfall lieber ihr Handy drauf statt den Notruf abzusetzen. Medizinstudent Philipp Humbsch will das ändern und gibt mit Kommilitonen ehrenamtlich Erste-Hilfe-Unterricht an Grundschulen. Das Motto: „Jeder kann ein Held sein“

Von: Christoph Wittmann

Stand: 30.05.2018 | Archiv

Kinder wollen Helden sein. Philipp bietet ihnen mit seinem Projekt die Möglichkeit dazu. Das zeigt schon das Logo.

„Ich war und bin ein Jugend-forscht-Nerd“, sagt Philipp. Erst sollte es irgendwas mit Chemie oder Naturwissenschaft werden, aber spätestens nach dem Abi war klar: „Ich will Medizin studieren!“ Auf den Studienplatz an seiner Wunsch-Uni, der traditionsreichen Berliner Charité, musste er ein paar Jahre warten, langweilig wurde es ihm in der Zeit nicht: Rettungsschwimmer, Sanitätssoldat, Rettungsassistent. In Frankfurt/Oder, wo der 26-jährige lebt, fährt er Rettungseinsätze, um sich nebenher als Sanitäter sein Studium zu finanzieren. Das Thema Retten und Helfen zieht sich bei ihm durch, Notfall-Hilfe ist Beruf und Hobby.

"Wir sind so ein reiches Land, aber beim Thema „Erste Hilfe“ sind wir ein Entwicklungsland. Ich erlebe es als Rettungsassi immer wieder, dass Menschen sterben, weil andere nicht helfen können oder wollen. Oder lieber ihr Handy drauf halten, was ich unfassbar widerwärtig finde. Wir wollen beweisen, dass wir das als Gesellschaft besser können."

(Philipp Humbsch)

Die Idee

Zwei Schülerinnen trainieren die ersten Schritte beim Auffinden einer bewusstlosen Person.

Nach Erste-Hilfe Kursen für Erwachsene war Philipp oft frustriert. Zu wenig motiviert, ja desinteressiert, seien viele Teilnehmer gewesen, überhaupt nur anwesend, weil sie die Bestätigung brauchten. Deshalb wollt er früher ansetzen, mit Kindern arbeiten. Seither ist Phillip mit seinem Team an Grundschulen unterwegs und versucht, unter dem Motto „Jeder kann ein Held sein“ das ernste Thema Nothilfe spielerisch zu vermitteln. Der Verein finanziert sich ausschließlich über Spenden und Preisgelder. Mit den 5000 Euro, die es für die Auszeichnung „Student des Jahres“ 2017 gab, möchte Philipp jetzt eine Stiftung gründen.

Spezialkurs „Sozialkompetenz und Anamnese“

Zu Philipps Mitstreitern gehören KommilitonInnen, Freunde oder Kollegen aus dem Rettungsdienst. Einige Ausbilder haben sich auch auf Facebook-Anfragen gemeldet. Die mittlerweile über 50 „Heldenmacher“ sind die Basis des Projekts, denn ihr Einsatz ist komplett ehrenamtlich, das dreitägige Projekt für die Schulen kostenlos. Doch auch die Kinder geben etwas zurück, wovon die Beteiligten enorm profitieren können.

"Im Prinzip ist Medizin ein sozialer Beruf, d.h. wir arbeiten nicht unbedingt nur mit Reagenzgläsern, sondern mit Menschen, da braucht’s Verständnis, Einfühlungsvermögen, das ist was, was im Studium vielleicht zu kurz kommt.  Aber durch den Kontakt und die Arbeit mit den Kindern lernen wir etwas über unsere Gesprächsführung und wie wir Informationen besser vermitteln können. Die Geräte und Medikamente, das alles lernt sich fix, aber eine gute Anamnese, das ist das Schwierige. Und da kann uns das Projekt vielleicht helfen, so manche Defizite auszugleichen."

(Philipp Humbsch)

Die Abschluss-Prüfung als künstliche Stresssituation

Die dreitägige Ausbildung gliedert sich in vier Kapitel: Verbandlehre, Stabile Seitenlage, Reanimation und das allerwichtigste: Der Eigenschutz.

Wichtige Lektion: Das richtige Absetzen eines Notrufs, damit schnell Hilfe kommt.

„Wir wollen die Kinder nicht zu Rettungs-Rambos erziehen, im Gegenteil: Sie sollen erkennen, dass sie sich unter keinen Umständen selbst in Gefahr begeben dürfen“, betont Philipp, „aber den Notruf abzusetzen, das geht eigentlich immer und allein damit können sie Leben retten.“ Am Ende gibt es eine schriftliche wie praktische Prüfung, in der die Kinder zeigen sollen, ob sie das Gelernte auch unter Druck anwenden können.

Kritiker hielten die Inhalte bisher für zu schwierig für Grundschulkinder. In den Lehrplänen beginnt der Erste Hilfe-Unterricht momentan frühestens in der 7.Klasse. Doch valide Daten darüber, welcher Stoff sich bei Grundschülern verankert, gibt es nicht. Deshalb ist das Projekt „Jeder kann ein Held sein“ Basis einer groß angelegten wissenschaftlichen Evaluationsstudie, die den Ausbildungserfolg, die Didaktik und die Entwicklung der Schüler während des Kurses neu bewerten soll.

"Dass es das Lernen fördert, wenn’s Spaß macht, wissen wir. Aber wie der Schulungserfolg genau aussieht, dazu gibt es bisher leider zu wenig Daten. Deshalb hat diese Studie auch hohen wissenschaftlichen Wert. Insgesamt wird Erste Hilfe Unterricht – auch in höheren Jahrgangsstufen - bisher nur sehr punktuell umgesetzt. Es gibt keine flächendeckenden Programme. Ich denke, das Ziel sollte sein, dass es irgendwann Teil des Regelunterrichts wird und dann auch von den Lehrern übernommen werden kann."

(Prof. Dr. Thomas Keil, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité Berlin)

 Erste Hilfe als Event

Zwei Schüler beim Anlegen eines Druckverbands.

„Wichtig ist die Begeisterung. Von 3500 Schülern, die wir bisher unterrichtet haben, wollten nur zwei am Ende nicht mehr mitmachen. Das sagt eigentlich alles“, so Philipp Humbsch. Das Projekt gibt am letzten, also dem Prüfungs-, Tag auch den örtlichen Hilfsorganisationen wie Freiwillige Feuerwehr, THW oder anderen die Möglichkeit, sich vorzustellen und zu präsentieren. Für die Kinder ein echtes Event und für die Hilfsorganisationen die Chance, für Nachwuchs und ehrenamtliches Engagement zu werben. Das Projekt soll bald auch außerhalb Brandenburgs in ganz Deutschland unterwegs sein und Kinder zu kleinen „potentiellen“ Helden machen.

Portrait des Deutschen Hochschulverbands über Philipp Humbsch

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Student des Jahres - Philipp Humbsch | Bild: Deutscher Hochschulverband (via YouTube)

Student des Jahres - Philipp Humbsch


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