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Folgen der Corona Pandemie Vorerst keine Prüfung für viele angehende Mediziner

Eigentlich sollte das 2. Staatsexamen in Medizin deutschlandweit zwischen dem 15. und 17. April 2020 geschrieben werden. Jetzt hat jedes Bundesland über den Termin selbst entschieden. Studierende aus Bayern und Baden-Württemberg müssen gleich ins Praktische Jahr in die Krankenhäuser.

Von: Annette Orth

Stand: 10.04.2020

Vorerst keine Prüfung für viele angehende Mediziner  | Bild: colourbox.com

Etwa 4600 Medizinstudierende in Deutschland bereiten sich seit Monaten intensiv auf das 2. Staatsexamen vor. Dann legte das Bundesgesundheitsministerium Mitte März einen Gesetzentwurf vor, der die Änderung der Ärztlichen Approbationsordnung in einer epidemiologischen Notlage möglich macht. Jedes Bundesland hat nun selbst entschieden, ob die Prüfungen im April stattfinden oder erst im kommenden Jahr und zwar mit dem sogenannten „Hammerexamen“. 

"Hammerexamen"

Das sogenannte Hammerexamen wurde 2014 eigentlich abgeschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden das 2. und 3. Staatsexamen nach dem Praktischen Jahr statt. Seit 2014 wurden die Prüfungen aufgeteilt: eins vor dem PJ, eins danach. Mit dem Bestehen beider Prüfungen erwirbt man die Approbation zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. In den schriftlichen und mündlichen Prüfungen wird der gesamte Lernstoff des Studiums abgefragt. 

Das sogenannte Hammerexamen wurde 2014 eigentlich abgeschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden das 2. und 3. Staatsexamen nach dem Praktischen Jahr statt. Seit 2014 wurden die Prüfungen aufgeteilt: ein Staatsexamen vor dem Praktischen Jahr (PJ) eins danach. Mit dem Bestehen beider Prüfungen erwirbt man die Approbation zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. In den schriftlichen und mündlichen-praktischen Prüfungen wird der gesamte Lernstoff des Studiums abgefragt. 

Keine einheitliche Regelung in den deutschen Bundesländern

Studierende aus Bayern und Baden-Württemberg müssen ab April ins Praktische Jahr, um in den Krankenhäusern im Kampf gegen die Corona-Krise zu helfen. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin dürfen die Studierenden selbst entscheiden, ob sie das 2. Staatsexamen Mitte April oder zu einem späteren Zeitpunkt schreiben möchten. Die anderen neun Bundesländer führen die Prüfung wie ursprünglich geplant durch. 

Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml sagte dazu:

"Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber es gibt wichtige Gründe für die Verschiebung  – vor allem mit Blick auf das Infektionsrisiko."

Melanie Huml Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege

Die jetzige Lösung habe den Vorteil, dass sich die Medizinstudent*innen auch ohne das zweite Staatsexamen in der Gesundheitsversorgung einbringen und gleichzeitig ihr Studium fortsetzen könnten. 

Kritik von Studierenden

Theresa, die in München Medizin studiert, lernte bis zur Entscheidung Anfang April einfach weiter. Sie versuchte optimistisch zu bleiben, aber dann habe es ihr erstmal „den Boden unter den Füßen weggerissen“.

"Glücklich bin ich über diese Entscheidung absolut nicht und ich kann auch die offizielle Begründung nicht nachvollziehen. Natürlich ist der Schutz der Aufsichtspersonen und der Studierenden wichtig, aber ich denke, es hätte auf jeden Fall Möglichkeiten gegeben, den Infektionsschutz zu beachten und das Examen stattfinden zu lassen. Und das Argument wird hinfällig, wenn man bedenkt, dass wir drei Tage später ins Krankenhaus sollen, wo eine weitaus höhere Infektionsgefahr besteht als in Kleingruppen während des Examens."

Theresa, 11. Semester Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Den bayerischen und baden-württembergischen Studierenden bleiben nach dem PJ, das von 48 Wochen auf 45 Wochen verkürzt wird, etwa sechs Wochen Zeit, sich erneut auf die nun verschobene Prüfung und das 3. Staatsexamen vorzubereiten: viel zu kurz, sagen viele Studierende. Und sie sind sich sicher, dass sie während des PJ keine Zeit haben werden, den Lernstoff optimal abrufbar zu halten. 

Regelung für COVID-19-bedingte Fehlzeiten

Sorgen bereiteten bisher auch die 30 Tage, die man normalerweise im PJ fehlen darf: als Urlaubs- oder Krankentage. Infiziert sich eine Studentin oder ein Student oder muss in Quarantäne sollte diese „Fehlzeit“ ursprünglich auf das PJ angerechnet werden – und es wäre noch weniger Lernzeit übriggeblieben. Mit der Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums vom 30. März werden nun COVID-19-bedingte Fehlzeiten im PJ nicht mehr angerechnet. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V. (bvmd) bewertet diese Entscheidung positiv. 

Die bvmd kritisiert jedoch den Flickenteppich, der nun durch die Entscheidungskompetenz der Länder entstanden ist. Dies führe dazu, dass PJ-ler in den unterschiedlichen Bundesländern zu verschiedenen Zeitpunkten starten werden und es erschwere „die innerdeutsche Mobilität im Praktischen Jahr, mit der viele Studierende fest gerechnet und ihr PJ dementsprechend schon geplant haben,“ heißt es in einer Pressemitteilung.

Noch eine Einschränkung kommt dazu: das PJ wird je zu einem Drittel in der Inneren Medizin, der Chirurgie und bisher in einem weiteren, frei wählbaren Bereich absolviert. Nun sollen die Studierenden im 3. Wahltertial, also dem eigentlich frei wählbaren,  nach Bedarf eingeteilt werden. In einem Bereich, der sie eventuell gar nicht interessiert. Viele haben bereits eine fest zugesagte „Wunschstelle“ in einer bestimmten Stadt. WG-Zimmer oder eine eigene kleine Wohnung sind gemietet, Umzüge geplant. Das ist jetzt für Studierende aus zwei Bundesländern hinfällig. 

"Die Entscheidung Bayerns für das Hammerexamen bringt wesentliche Nachteile für uns mit sich. Und nach wie vor sind viele unserer Fragen absolut offen und nicht beantwortet. Dies wäre aber wiederum wichtig, da wir uns bis zum 12.4. entscheiden müssen, ob wir das vorzeitige PJ antreten."

Theresa, 11. Semester Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Ansonsten haben Theresa und ihre bayerischen beziehungsweise baden-württembergischen Kommiliton*innen noch die Möglichkeit, sich für das jetzige Sommersemester abzumelden und das 2. Staatsexamen voraussichtlich im Oktober diesen Jahres zu schreiben. Das Studium würde dann ein halbes Jahr länger dauern. 

Medizinstudierende wollen der Gesellschaft helfen – gerade in Krisenzeiten. Auch und gerade deshalb haben sie sich für dieses Studium entschieden. Doch die Entscheidungen des Bundesgesundheitsministeriums haben in den vergangenen Wochen gerade die Medizin Studierenden belastet, die kurz vor ihrem Abschluss stehen. Viele werden nun eine längere Zeit bei ihren eigenen Plänen zurückgeworfen. 

Die eine oder der andere Studierende mag sich nun denken: Hätte ich doch nur in einem anderen Bundesland studiert.

Tim Schwarz von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland hält die Lösung der Bundesländer, die den Student*innen die Wahl geben, ob sie das 2. Staatsexamen schreiben möchten oder nicht, für die beste. Der föderale Flickenteppich allerdings führe „zu einer unklaren rechtlichen Situation und bringt keinerlei Vorteile bezüglich der Einbindungen der Studierenden in die Gesundheitsversorgung.“ Außerdem werde das Konzept „Staatsexamen“ ad absurdum geführt. „Von gleichen und fairen Bedingungen an den verschiedenen Standorten kann keine Rede sein.“

Links:

Föderaler Flickenteppich durch Fehlentscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit Format: PDF Größe: 196,61 KB

Stellungnahme der medizinischen Fachschaften Baden-Württembergs und Bayerns zur Absage des zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung in den beiden Bundesländern Format: PDF Größe: 914,45 KB

 

 


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