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Klassenkampf Sind Lohnunterschiede in Lehramtsberufen gerecht?

"Sag mir, auf welche Schulart du Lehramt studierst, und ich sage dir, wie viel du verdienst!" Der Unterschied ist beträchtlich: Mehr als 600 Euro brutto beim Einstiegsgehalt zwischen Lehrern bestimmter Schularten in Bayern. In anderen Bundesländern ist die Bezahlung ähnlich ungleich - aber ist sie auch unfair?

Von: Nadja Armbrust

Stand: 09.11.2020

Ein Sonntagabend, Pizza, Bier: In einer Münchner Studenten-WG sitzen sich zwei Mitbewohner gegenüber, sie diskutieren. Über Geld, darüber, wer mehr leistet und über die Frage: "Ist es ungerecht?".

Es sind in diesem Fall etwa 600 Euro brutto. So viel wird der eine Mitbewohner später mehr verdienen als der Andere. Dabei werden beide nach dem Studium im gleichen Beruf arbeiten: als Lehrer. Warum ist das so?

Andreas (rechts im Bild) studiert Mittelschullehramt. Nach der Grundschule gehen die Schüler in Bayern entweder auf die Realschule, das Gymnasium oder eben auf die Mittelschule. Hier sollen die Schüler auf eine Berufsausbildung vorbereitet werden. Andreas wird später als verbeamteter Mittelschullehrer dort 3 520 Euro brutto verdienen. Sein Mitbewohner Daniel (links im Bild) studiert Gymnasiallehramt. Sein Einstiegsgehalt: 4 118 Euro, plus Zulage: 91 Euro. Wer jetzt zu faul zum Nachrechnen ist: Das sind mehr als 600 Euro brutto Unterschied.

600 Euro weniger - Ist das gerecht?

Andreas fühlt sich mit 600 Euro weniger auf dem Gehaltszettel ungerecht behandelt.

Der Grund dafür liegt in einer sehr differenzierten Besoldungstabelle. Realschul- und Gymnasiallehrer werden dort höher eingruppiert (A13) und Grundschul- und Mittelschullehrer niedriger (A12). Wer höher eingruppiert ist, verdient auch mehr. In diesem Fall ist der Gehaltsunterschied so hoch wie das, was Studenten wie Daniel und Andreas aktuell pro Monat zur Verfügung haben. 600 Euro - eine Summe, die die beiden fassungslos macht. Argumente für den Gehaltsunterschied gibt es, aber lassen die sich halten?

1. Leisten Realschul- und Gymnasiallehrer mehr?

Unterricht in der Mittelschule ist sicher nicht leichter als im Gymnasium

Eine Lehrerin, die es wissen muss: Verena Frei. Eigentlich war sie Gymnasiallehrerin, jetzt unterrichtet sie an einer Münchner Mittelschule. Sie sagt: "Es ist mindestens genauso anspruchsvoll hier an der Mittelschule zu unterrichten wie am Gymnasium, weil ich bei den Schülern hier sehr viel mehr differenzieren muss. Die einen Schüler bearbeiten eine Aufgabe in fünf Minuten - die anderen brauchen 25 Minuten für die selbe Aufgabe."

Dazu kommt: Mittelschullehrer wie sie müssen regulär sogar 27 Wochenstunden unterrichten - 23 nur die Gymnasiallehrer.

2. Liegt es an einer unterschiedlichen Ausbildung?

Daniel freut sich über sein besseres Gehalt, findet es aber nicht wirklich gerechtfertigt.

Daniel und Andreas beispielsweise studieren an der LMU in München, beide machen ähnliche Praktika, beide ein erstes und zweites Staatsexamen, beide sogar im selben Fach: Erziehungswissenschaften, beide absolvieren einen zweijährigen Vorbereitungsdienst - die Liste ließe sich noch verlängern.

Zwei Unterschiede gibt es: 1. Daniel (Gymnasium) studiert zwei Semester länger als Andreas (Mittelschule). 2. Daniel (Gymnasium) studiert zwei Fächer vertieft, Andreas (Mittelschule) ein Fach vertieft und drei als Didaktikfächer. Ist das genauso viel?

"Nein", behauptet Daniel (Gymnasium): "Ich hab das Gefühl, dass Andi sogar mehr studieren muss oder mehr können muss am Ende als ich."

Warum gibt’s dann weniger Geld? Auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks an das Bayerische Kultusministerium heißt es, dass die unterschiedliche Besoldung durch die verschiedene Ausbildungslänge und durch die "unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Anforderungen" begründet ist. Aber stimmt das auch?

3. Lehren Grundschul- und Mittelschullehrer einfacheren Stoff?

Nein, denn viele Schüler an Mittelschulen machen nicht nur den Hauptschulabschluss, sondern auch die Mittlere Reife. Für die Lehrer gibt es dafür trotzdem nicht mehr Geld - obwohl sie wie Realschullehrer ihre Schüler auf die Mittlere Reife vorbereiten.

Ungleiche Lehrerbezahlung - in ganz Deutschland?

Interessant ist: Solche Unterschiede in der Lehrerbezahlung gibt es nur in manchen Bundesländern. In einigen gilt: Gleiches Einstiegsgehalt - für alle Lehrer an weiterführenden Schulen, also Schulen nach der Grundschule. Dazu gehören beispielsweise Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg, Sachsen und das Saarland.

Einige Bundesländer setzen jetzt sogar noch was drauf: Sogar Grundschullehrer bekommen dort bald das gleiche Einstiegsgehalt wie alle anderen - nämlich in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein. Und viele andere Bundesländer überlegen das bereits ebenso.

Das könnte ein Problem lösen: In vielen Bundesländern, darunter Bayern, gibt es aktuell zu viele Gymnasial- und Realschullehrer, dafür fehlen Mittelschullehrer, besonders aber auch Grundschullehrer. Der Münchner Gymnasialstudent Daniel wollte sogar Grundschullehrer werden, aber: "Ich habe mich fürs Gymnasium entschieden, wegen dem Geld."


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