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Zwischen Geschichte und Gegenwart Visionen für Jüdische Studien in Deutschland

Neri Ariel aus Israel, Enkel einer Holocaustüberlebenden, möchte nicht nur Jüdische Studien in Deutschland neu beleben, er will, wie seine Vorfahren, auch deutscher Staatsbürger sein.

Author: Annekathrin Wetzel

Published at: 27-12-2019 | Archiv

Jerusalem – Leipzig und zurück: Jüdische Studien in Israel und Deutschland

Neri Ariel hat eine Vision: Als deutscher Staatsbürger und Jude in Deutschland möchte er gerne sein Studienfach an den Hochschulen weiter ausbauen. Ein Traum mit Hindernissen.

"Viele Israelis haben ein zwiespältiges Verhältnis zu Deutschland. Wir haben diese Zwiespältigkeit zu unserer Vergangenheit. Die Vergangenheit können wir nicht löschen. Gleichzeitig müssen wir sie aber heute in den richtigen Kontext stellen."

Neri Ariel

Wie viele Juden hat auch Neri dieses zwiespältige Verhältnis zu Deutschland wegen des Holocausts. Auf der einen Seite findet Neri Deutschland großartig. Er ist ein ausgezeichneter Kenner sowohl der alten jüdischen Texte aus Tora und Talmud, als auch von judeo-arabischer Literatur. Nach Auslandssemestern in Heidelberg, lehrt er inzwischen als Doktorand an der Universität  und fühlt sich in Deutschland zu Hause. Aber: Für seine Familie, Nachfahren von Holocaustüberlebenden, und besonders für seinen Großvater Prof. Dr. Itamar Aviad-Wolfsberg, der vor den Nazis aus Berlin fliehen musste, ist Deutschland ein rotes Tuch. Sie verstehen zwar, dass Deutschland heute anders ist, doch, was sie erleiden mussten, sitzt tief. Nicht nur das. Auch die Demonstrationen am 8. Dezember 2017, bei denen öffentlich die Israelische Flagge in den Straßen Berlins verbrannt wurde und von Demonstranten laut zum Mord an Juden aufgerufen wurde, beängstigen Neri’s Großvater. Er will nicht, dass sein ältester Enkel, wie er einst, solchem Judenhass ausgesetzt ist.

Neri sind die antijüdischen Tendenzen in Deutschland bewusst, gleichzeitig zeigt er sich zuversichtlich.

"Ich habe meine Ängste. Ich will nicht rassistisch klingen, aber es gibt viele Moslems in Deutschland und einige Extremisten sind sehr brutal. Wir erleben aktuell wieder einen starken Judenhass in ganz Europa, der überwiegend von Muslimen ausgeht…leider! Ich hoffe, das ist nicht wirklich die Zukunft Deutschlands. Aber: Wir haben Migration in Deutschland. Wir haben Wissenschaftler aus Syrien, aus Irak, die eigentlich mit ähnlichem Hintergrund wie Juden, aus der Hölle geflohen sind. Gemeinsam, zusammen mit jüdischen Gelehrten in Deutschland, könnten wir etwas bauen. Wir müssen nicht als Feinde leben. Wir könnten auch anders leben. Wir könnten auch wissenschaftlich zusammenarbeiten und etwas Gutes in die Welt bringen."

Neri Ariel

Gerade auch wegen solcher wieder aufflackernden antijüdischen Propaganda möchte Neri dazu beitragen, ein positives Bild vom Judentum an seine Studierenden, seine Kolleginnen und Kollegen und seine Freunde zu vermitteln. Der 33jährige hat auch Arabistik und Islamwissenschaften studiert und forscht an judäo-arabischen Texten. Neri hat viele interessante tiefgehende Verbindungen der Kulturen entdeckt. Eines seiner guten Erlebnisse in Deutschland: Er konnte in Leipzig mit einem arabischen Studienkollegen Freundschaft schließen.

"Sowas wäre für mich in Israel unmöglich. Fast! Richtig ein Kollege, mit dem ich mich gut fühle und auch Bier trinke. Wir verstehen uns einfach super, wir kooperieren in der Wissenschaft, können Themen miteinander diskutieren. Ich hatte einfach das Gefühl gehabt: Wow, etwas hat sich für mich geöffnet. Etwas ist für mich jetzt anders."

Neri Ariel

Neri konzentriert sich auf die vielen positiven Seiten in Deutschland. Für seine Forschung hat er hier Stipendien erhalten und so kann er viele seiner wissenschaftlichen Träume umsetzen. Sein Ziel ist es, bei seinen Studierenden und seinen Kolleginnen und Kollegen mehr Begeisterung für das Judentum zu wecken.

"Sogar Professoren für Judaistik haben nicht die entsprechenden Talmud Kenntnisse, diesen Zugang zu jüdischen Quellen, den man durch die Jeschiwa mitbringt. Ein Beispiel: Im Judentum gibt es eine Leidenschaft für Textlernen. Normalerweise - manche Studenten quälen sich eher mit Texten. Wie kann man das ändern? Wir können eine Leidenschaft für den Text entwickeln. Wir lesen zum Beispiel an einem Lesepult im Stehen. Und manche  bewegen sich  beim Lesen. Warum? Damit wir nicht einschlafen! Ein guter Tipp fürs Lernen. …Ich glaube, die Kombination von Jeschiwa-Methodik und akademischer Ausbildung würde zu einem wunderbaren Verständnis des Judentums beitragen."

Neri Ariel

Neri Ariel ist nun deutscher Staatsbürger und hofft, dass er seine Träume in naher Zukunft umsetzen kann: Jüdische Studien neu zu beleben und gemeinsam mit den anderen Immigranten die Demokratie zu stärken.


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