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Einstieg bei Internationalen Organisationen "Überall zuhause sein und am Puls der Zeit arbeiten"

Jakob Prüß hat während seines Studiums viele Hörsäle gesehen, für Praktika und Forschungsaufenthalte zog es ihn nach Frankreich, Israel, Côte d‘Ivoire und Kolumbien. Heute arbeitet er für die OECD in Paris.

Stand: 03.04.2016

Jakob Prüß im OECD Conference Centre in Paris | Bild: Jakob Prüß

Jakob Prüß studierte Internationale Beziehungen, VWL und BWL und verbrachte einen Großteil seines Studiums im Ausland. Sein Interesse an Themen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und Zusammenarbeit führten zu dem Wunsch, bei einer Internationalen Organisation einzusteigen. Als Fellow des Carlo-Schmid-Programms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Studienstiftung des deutschen Volkes sammelte er Arbeitserfahrung bei den Vereinten Nationen in Westafrika. Heute arbeitet er für die OECD und hat damit geschafft, wofür sich viele interessieren: den Berufseinstieg in einer Internationalen Organisation. Es gibt aber auch die Welt außerhalb des Elfenbeinturms. Jakob beschreibt, welche Herausforderungen euch erwarten und gibt Tipps, mit denen der Einstieg bei Internationalen Organisationen gelingt.

Campus Magazin: Wie sieht dein Arbeitsalltag bei der OECD aus?

Jakob Prüß: Ich arbeite im Direktorat für Wissenschaft, Technologie und Innovation (STI) und unterstütze die Arbeit an dem zweijährig erscheinenden Science, Technology and Industry Outlook. Wir interessieren uns für Trends nationaler STI-Politiken von OECD-Mitgliedstaaten sowie relevanter Schwellenländer. Typisch für die Arbeit der OECD ist dabei die Definition von Messindikatoren sowie die Herausgabe von Politikempfehlungen. Wir schauen auch in die Zukunft und versuchen, zukünftige globale Megatrends und Schlüsseltechnologien zu antizipieren. In diesem Zusammenhang habe ich mich intensiv mit 3D-Druck, Energiespeicherung und Nanomaterialien beschäftigt. Der Umfang des Outlooks macht die Arbeit sehr interdisziplinär und abwechslungsreich. Persönlich interessiere ich mich auch für den integrativen Aspekt von Innovation. Wie muss STI-Förderung gestaltet werden, um soziale Ungleichheit abzubauen und integratives Wachstum zu fördern? Wie gestaltet sich Innovationsförderung für Schwellen- und Entwicklungsländer?

"Eine spannende Arbeit in einem multikulturellen Umfeld, Arbeiten am Puls der Zeit und interdisziplinäre Aufgaben."

(Jakob Prüß)

Das klingt nach einem spannenden Job. Die Assoziationen sind überhaupt sehr positiv. Siehst du auch negative Seiten, was die internationale Arbeit betrifft?

Zunächst mal vorweg: Internationale Organisationen decken eine enorme inhaltliche Bandbreite ab. Es gibt praktisch keinen thematischen Bereich, für den es keine Organisation, Unterorganisation oder Expertenforen gibt. Diese Heterogenität macht Verallgemeinerungen so schwierig. Mich persönlich stört eine gewisse Systemträgheit. So spannend und wichtig die Themen sein mögen, so entmutigend können die ihnen zu Grunde liegenden Prozesse sein. Internationale Organisationen verteilen ihre Mandate oft auf viele Staaten und Stimmen. Das kann zu langwierigen Verfahren in der Überarbeitung führen. Zum Beispiel verlieren manchmal Arbeitsresultate bis zur eigentlichen Umsetzung oder Veröffentlichung an Aktualität und verfehlen damit ihr Ziel aufgrund veränderter Umstände. Dies ist besonders im entwicklungspolitischen und humanitären Bereich frustrierend.

Was muss ich mitbringen, um bei einer internationalen Organisation wie der OECD einsteigen zu können?

Von den Studienfächern gibt es da zunächst keine Einschränkungen. Wie so oft geht es um die spezifischen Qualifikationen, die passgenau dem jeweiligen Stellenprofil entsprechen sollten. Die OECD arbeitet vergleichsweise wissenschaftsintensiv und viele Beschäftigte verfügen über eine abgeschlossene Promotion beziehungsweise über einen PhD, haben sich also in bestimmten Fachbereichen bereits Expertenwissen angeeignet. Auch erste relevante Berufserfahrung wird meistens vorausgesetzt. Darüber hinaus sind Aufgeschlossenheit, Bescheidenheit, Neugier und die Fähigkeit zu Selbstreflexion in multikulturell zusammengesetzten Teams meiner Meinung nach sehr wichtig. Mehr Infos gibt es auf der Karriereseite der OECD.

Und wie sieht es mit Sprachen aus? Wie viele muss ich fließend beherrschen?

Offizielle Arbeitssprachen der OECD, aber auch der Vereinten Nationen und anderer Internationaler Organisationen, sind Englisch und Französisch. Als Amtssprachen der Vereinten Nationen beispielsweise kommen Arabisch, Chinesisch, Russisch und Spanisch hinzu. Das heißt freilich nicht, dass Kandidaten all diese Sprachen beherrschen müssen. In OECD-Stellenausschreibungen ist bei Sprachvoraussetzungen oft folgendes zu lesen: "Fluency in one of the two OECD official languages and knowledge of the other, with a commitment to reach a good working level". Insgesamt ist und bleibt Englisch die "lingua franca" in Internationalen Organisationen. Ausnahmen bilden Länderbüros, in denen neben Englisch vor allem die jeweilige Landessprache im Büroalltag zur Anwendung kommt. Heterogene Sprachhintergründe und Akzente sind natürliche Erscheinungen von multikulturellen Teams und durchaus gewollt. Der Mythos, dass Angestellte mindestens sechs Sprachen fließend beherrschen müssten, hat nichts mit der Realität zu tun.

Wie sicher ist ein Arbeitsplatz bei Internationalen Organisationen?

Die Zahl jener Stellen, die unbefristet in Internationalen Organisationen vergeben wird, nimmt weltweit rapide ab. Bei Einstieg mit wenig Arbeitserfahrung sind einjährige Verträge die Regel für "Officials". Darunter fallen auch die meisten Junior Professional Officer (JPO)-Ausschreibungen im Programm "Beigeordnete Sachverständige" der deutschen Bundesregierung. Viele Absolventen steigen zunächst auf temporärer Basis als sogenannte "Consultants" ein. Hier belaufen sich die Arbeitsverträge oft nur auf wenige Monate. Eine allgemeine Flexibilität wird vorausgesetzt. Die Nachfrage nach den limitierten Plätzen bleibt dennoch hoch.

Wie sieht es deiner Meinung nach mit der Familienplanung aus?

Das ist eine Frage, die viele Interessenten während der Wahl der Studienschwerpunkte und der ersten beruflichen Erfahrungen ausblenden. Was zunächst nach Horizonterweiterung, abwechslungsreichem Alltag und gut dosiertem Abenteuer klingt, wird für Betroffene mit zunehmendem Alter zur Herausforderung. Es muss in Kauf genommen werden, oft Wohn- und Arbeitsplatz zu wechseln. Spätestens, wenn die Partnerin oder der Partner vor Ort keine Arbeit findet beziehungsweise keine Arbeitserlaubnis bekommt, kann es schwierig werden.

"Jede Entscheidung bedeutet im Umkehrschluss auch Verzicht, weswegen es so wichtig ist, die Frage nach der Familienplanung ehrlich und frei von Romantisierung zu beantworten."

(Jakob Prüß)

Welche Tipps hast du für Studierende, die sich als Mitarbeiter in Internationalen Organisationen versuchen möchten?

Bis auf wenige Ausnahmen haben die meisten Internationalen Organisationen ihre Büros außerhalb von Deutschland. Könnt ihr euch für eure Lebensplanung vorstellen, langfristig fernab von Familie und Freunden auch unter zum Teil erschwerten Bedingungen zu leben? Es ist wichtig, sich schnell in andere Kulturkreise und neue Arbeitssituationen hineinzufinden. In erster Linie geht es dabei nicht um den Lebenslauf, sondern um euch selbst als Person: Findet heraus, was euch wirklich Spaß macht und was euch erfüllt.

Es gibt eine Vielzahl von Initiativen und Programmen in Deutschland, die den Einstieg in Internationale Organisationen erleichtern. Zum Beispiel das sogenannte "Beigeordnete Sachverständigen"-Programm der Bundesregierung, das Mercator Kolleg für Internationale Aufgaben oder das Carlo-Schmid-Programm. Darüber hinaus bieten die meisten Internationalen Organisationen auch eigene Nachwuchsprogramme an.

Bei weiteren Fragen kann ich euch insbesondere das Büro Führungskräfte zu internationalen Organisationen (BFIO) in Bonn empfehlen, das Teil der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit ist.


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