Exzellenzinitiative 2,7 Milliarden Euro für 34 Hochschulen
Die Exzellenz-Initative hat die Hochschulen umgekrempelt. Seit elf Jahren stehen die Hochschulen nun in einem Wettstreit um Fördergelder. Nun wurden erneut 2,7 Milliarden an 57 Exzellenzcluster in 34 Hochschulen verteilt. Nächstes Jahr entscheidet sich dann, welche Hochschulen "Exzellenzunis" werden.

Exzellenz! Bischöfe, Staatsoberhäupter, Diplomaten werden so angesprochen. Doch seit Start der Exzellenz-Initiative 2006 steht der Begriff auch für Universitäten. Als exzellent gelten dabei vor allem jene Universitäten, die für ihre Zukunftkonzepte ausgezeichnet wurden. Zum Kreis der Exzellenz-Universitäten zählen dabei so unterschiedliche Hochschulen wie die Universität Köln mit ihren rund 48.000 Studierenden und die RWTH Aachen, deren Professoren deutschlandweit die meisten Forschungsfördergelder einwerben, aber auch die TU München, die HU Berlin, oder die Universität Konstanz.
Die Exzellenzinitiative ist staatlich finanziert
Finanziert wird die Exzellenzinitiative zu 75 Prozent vom Bund. Die Länder steuern 25 Prozent bei. Bis 2012 erhielten die Universitäten 1,9 Milliarden Euro. Bis 2017 flossen weitere 2,4 Milliarden fließen. Und im September 2018 bestimmte die "Exzellenzkommission", bestehend aus Wissenschaftsrat, Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Wissenschaftsminister aus Bund und Ländern, nun das weitere Vorgehen. Demnach erhalten 57 Exzellenzcluster an 34 Hochschulen eine weitere Fröderung. Für 17 der Hochschulen, die zwei oder mehr Exzellenzcluster haben, startet nun das Rennen um den Titel "Exzellenzuni", der weitere Fördergelder mit sich bringt.
Spitzenforschung für die Ausgewählten
Derzeit fördern Bund und Länder neben den Zukunftskonzepten noch Exzellenz-Cluster und Graduiertenschulen. In den Graduiertenschulen können Nachwuchsforscher ihre Doktorarbeit schreiben. Sie erhalten ein Stipendium und können sich regelmäßig mit Kollegen auch anderer Disziplinen über ihre Arbeit austauschen. Studien zeigen, dass Doktoranden an Graduiertenkollegen ihre Promotion seltener abbrechen als der klassische Einzelkämpfer.
Förderbeispiel: Universe-Cluster der TU München
An der Technischen Universität München zum Beispiel, erforscht ein Team um den Physik-Professor Stephan Paul den Ursprung des Universums. Beteiligt sind Physiker und Astronomen, vielfach von außeruniversitären Forschungsinstituten und aus dem Ausland. Ohne die Millionen der Exzellenz-Initiative hätte diese Gruppe von Spitzenforschern kaum zusammengefunden. Jetzt arbeiten sie unter einem eigens aufgeschütteten Hügel, abgeschirmt vor kosmischer Strahlung, um frei von unerwünschten Umwelteinflüssen Messungen machen zu können. Neben dem Universe-Cluster betreibt die TU vier weitere Exzellenz-Cluster mit der LMU. Die Zusammenarbeit beider Hochschulen erfuhr durch die Exzellenz-Initiative einen Schub.
Kleine Fächer könnten sterben
Auch Tübingen ist "exzellent". Dort lehrt Jürgen Wertheimer der Tübinger Literaturwissenschaft – ein Fach, ein Traditions-Fach in Tübingen, das auch in Zukunft eine große Rolle spielen wird. Bei kleineren Fächern, den akademischen "Orchideen", könnte das anders aussehen, fürchtet Wertheimer: "Wie bei jedem Wettbewerb gibt es Aufsteiger und Verlierer. Die Verlierer sieht man nicht mehr, weil sie entweder abgeschafft werden, viele kleine Fächer haben die bittere Erfahrung machen müssen."
Kritik an reiner Ausrichtung auf die Forschung
Eine neue Exzellenz-Initiative forderten im März 2015 auch CHE-Chef Frank Ziegele und Uwe Schneidewind, Ex-Präsident der Universität Oldenburg in einem Plädoyer in der Zeit. "Bei der Exzellenzinitiative galt: Nur wer sich in der Forschung bereits auf hohem Niveau bewegte, hatte eine Chance, sich über Exzellenzcluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepte für den Olymp der deutschen Wissenschaft zu qualifizieren", schreiben die Autoren. Und sie fordern, dass auch andere Schwerpunkte als Forschung gefördert werden. Ausgezeichnete Lehre zum Beispiel. Schließlich müssten Hochschulen heutzutage viel mehr leisten als nur Forschung: Sie sollen immer mehr Studierende ausbilden, neue Bildungsbiographien berücksichtigen und mit der lokalen Wirtschaft zusammenarbeiten.
Exzellente Nebenwirkungen
Lehre
Flucht der Exzellenten
An vielen Exzellenz-Universitäten versprechen "Insitutes for Advanced Studies" Spitzenwissenschaftlern sorgenfreies Forschen - enthoben von der Pflicht zur Lehre. Die Unis würden "Spitzenforscher nachgerade dazu einladen, ihren Lehrverpflichtungen zu entfliehen", kritisiert der Soziologe Ulrich Schleiterer in einem Evaluationsbericht zur Exzellenz-Initative, den die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften bereits 2010 vorgestellt hat. Die Institutes for Advanced Studies böten inzwischen genügend Plätze, "um alle exzellenten Forscher an den deutschen Universitäten auf Dauer aufzunehmen, wenn sie denn nur wollten". Langfristig konterkariere dies die Ziele der Exzellenz-Initative. Wer Studierende schlecht ausbilde, dem fehle später der Nachwuchs.
Orchideen
Leiden der kleinen Fächer
Durch die Exzellenz-Initative könnten kleine Fächer "auf Dauer systematisch benachteiligt werden", schreibt der Sozialwissenschaftler Michael Zürn vom Wissenschaftszentrum Berlin in dem Evaluationsbericht zur Exzellenz-Initative. Nicht geförderte Fächer würden vielfach zugunsten der neuen Exzellenz-Forschungsbereiche beschnitten. Langfristig bräuchten die Universitäten aber ein breites Fächerspektrum, um innovativ zu bleiben.
Bürokratie
Doppelstrukturen
Exzellenzräte, Beiräte, Cluster-Vorstände: Die ExzellenzInitative hat nicht nur die Forschung gefördert, sondern auch die Verwaltung aufgebläht. Die Gutachter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften warnen vor sich "blockierenden Parallelstrukturen". Konflikte drohten besonders, wo neue Machthaber die traditionellen Strukturen übergingen, heißt es in der Studie.
Manipulation?
Zweifel an der Exzellenz
Sind die Exzellenz-Unis tatsächlich exzellent? Nach Kür der ersten Sieger 2006 drangen geheime Sitzungsunterlagen an die Öffentlichkeit. Sie schürten den Eindruck, dass die Gutachter einigen Exzellenz-Unis über die Ziellinie geholfen hatten. Michael Zürn, Mitautor der Akademie-Studie und Mitglied der Exzellenz-Gutachterkommission räumt im Evaluationsbericht ein: Es habe zwar "keine drastischen Fehlgriffe" gegeben, doch sei "nicht wirklich gesichert", dass die damaligen Sieger auch wissenschaftlich die Besten waren. Grund des Problems seien unklare Bewertungskriterien der Gutachter gewesen. So sei nie geklärt worden, ob die Qualität der Anträge erfolgsentscheidend sei – oder die vorangegangen Leistungen der beteiligten Forscher.
Doktoranden
Ohne Perspektiven
Mit den Exzellenz-Millionen haben viele Unis den Nachwuchs gefördert – und begabten Studierenden die Promotion ermöglicht. Doch die Studie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften warnt, nur wenige dieser hoch spezialisierten Nachwuchsforscher hätten Aussicht auf eine Karriere in der Wissenschaft. Denn die Zahl der Professuren und festen Mitarbeiterstellen ist bei weitem nicht im gleichen Umfang gestiegen. Kein Wunder: Die Exzellenz-Millionen fließen bislang nur befristet.
Überspezialisierung
Der Verlust der Breite
Die Exzellenz-Initiative könne bundesweit "zur Überspezialisierung ganzer Wissenschaftlergenerationen führen", warnt die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Schließlich würden in den geförderten Projekte nur bestimmte begrenzte Fragen untersucht, heißt es.