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Digital Lehren und Lernen – aber wie? Wie die Uni Köln ins digitale Sommersemester startet

Seit ein paar Tagen hat das neue Semester begonnen - online. Campus Magazin hat Dr. Sandra Hofhues gesprochen. Sie unterrichtet an der Universität zu Köln im Bereich Mediendidaktik und Medienpädagogik und hat bereits vor der Krisenzeit digitale Tools im Unterricht eingesetzt. Ihrer Meinung nach, sollte Lehre jetzt neu gedacht werden.

Von: Julia Brestrich

Stand: 23.04.2020 09:29 Uhr

Universität zu Köln | Bild: Universität zu Köln/ Simon Wegener

"Die große Herausforderung ist, dass sich nahezu alle zu hundert Prozent darauf einlassen müssen, dass sie von Zuhause aus studieren. Viele Studierende haben sich ganz aktiv für ein Studium in der Präsenz entschieden und nicht für ein Fernstudium."

Dr. Sandra Hofhues, Juniorprofessorin für Mediendidaktik und Medienpädagogik an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln

Lehrende aller Universitäten und Hochschulen müssen derzeit kreativ werden, um ihre Lehrinhalte zu vermitteln. An der Uni Köln werden so zum Beispiel Vorlesungsinhalte synchron, sprich in Echtzeit, Studierenden vermittelt und damit Vorlesungen online realisiert – ein gern verwendetes Konzept. Für Juniorprofessorin Dr. Sandra Hofhues reicht das aber nicht aus. Sie ist der Meinung, dass die Lehre online anders stattfinden sollte als im Hörsaal. Bei einem Gespräch mit Campus Magazin verrät sie, wo ihre Bedenken liegen und wie man ihrer Meinung nach jetzt vorgehen sollte.   

Für Sie ist die Digitale Lehre kein Neuland – Sie lehren schon länger mit digitalen Tools oder auf Online-Plattformen. Was nutzen Sie hier konkret?

In meiner Einführungsvorlesung in die Mediendidaktik nutze ich seit vielen Jahren das Lernmanagement-System ILIAS. Lernplattformen wie ILIAS, Moodle, Stud.IP und weitere bieten viele Möglichkeiten an, um Lehrangebote digital und online zu begleiten. In meiner Vorlesung nutze ich zum Beispiel die Möglichkeit, Videos und Materialien zur Verfügung zu stellen und über die Nachrichtenfunktion und das Forum Austausch zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass die Studierenden ihre Aufgaben nicht nur in Lerntandems, das heißt zu zweit, sondern auch digital und vorlesungsöffentlich in Wikis bearbeiten. Das mag ziemlich fortgeschritten klingen, digital-medial betrachtet, ist die Vorlesung aber geradezu ‚klassisch’. So biete ich sie seit 2015 in der genannten Form an – technisch gibt es die genannten Möglichkeiten (mit den liebevoll “Dinosaurier“ genannten Plattformen) ohnehin weit länger. Ansonsten kommen für mich allerhand Medien in meinen Lehrveranstaltungen zum Einsatz – entweder solche, die ich mir vor dem Hintergrund meiner didaktischen Ziele selbst ausgesucht habe, oder solche, die Studierende in die Lehrveranstaltungen einbringen.

Wie gehen Sie mit der momentanen Krisenzeit um? Was bieten Sie Studierenden online an?

Ich schau eigentlich immer, was ist in der Lebenswelt von Studierenden und jungen Menschen gerade “in“ und bemühe mich, das dann auch in die Lehre einzubinden. Zum Beispiel möchte ich Studierende in der aktuellen Situation gemeinsam mit einem Kollegen dazu anregen, sich kritisch-reflexiv mit der Medienberichterstattung über Covid-19 auseinanderzusetzen und ihre eigenen Medienerfahrungen in dieser ungewöhnlichen Zeit wissenschaftlich-systematisch zu reflektieren. Um dies im Seminar „#Covid-19“ umzusetzen, fertigen etwa 30 Studierende im Sommersemester digitale Tagebücher an – in und auf einem Tool ihrer Wahl. Ein weiteres Beispiel ist meine Ringvorlesung im Master-Studiengang „Intermedia“, in der regulär zu jedem Termin eine andere Person einen Vortrag hält und dann diskutiert wird. Hier erproben wir gerade den Einsatz von GoogleDocs. ILIAS nutzen wir hier auch, aber eher für die organisatorischen Belange. Dann gab es eine Studentin, die hat den Online-Dienst “Snapchat“ genutzt, um ihre Portfolio-Inhalte zu dokumentieren. So erproben wir zum Beispiel gerade den Online-Dienst “Instagram“, indem wir “Instastorys“ schreiben lassen. Also je nachdem, welches Tool in welchem Semester gerade in der Lebenswelt Studierender präsent ist. So oder so: Letztlich geht es mir um die Dokumentation und die Reflexion des eigenen Lernens mit Medien und Optionen für die Interaktion mit den anderen Studierenden.

Es geht Ihnen also nicht primär darum, die Lehrangebote einfach nur digital zur Verfügung zu stellen, sondern neue Konzepte zu entwickeln, wie man online auch anders lernen kann?

an der Uni Köln, so gut wie alles digital

Genau, also meine Intention ist eigentlich, dass wenn wir uns in den Online-Raum begeben, wir dann nochmal grundsätzlich darüber nachdenken, wie eigentlich Lehre dort stattfinden kann. Aus meiner Perspektive findet Lehre online anders statt, als sie in der Präsenz gedacht werden kann. Ein großes Stichwort ist im Moment sicherlich, wie alle Angebote synchron stattfinden können – ich denke da an die Vorlesungen, die einfach gestreamt werden sollen, wenn plötzlich zigtausend Studierende einer einzelnen Universität die live gestreamten Inhalte rezipieren, dann ist völlig klar, dass da das ein oder andere System zusammenkracht. Nicht nur deswegen ergibt es viel Sinn, sich da auch zu überlegen, wie könnten eigentlich Aufgaben asynchron verteilt werden, wie kann ich mich in kleineren Gruppen deutlich besser um Studierende kümmern, wie kann ich sie vor allem auch in diesen Online Lern- und Arbeitsumgebungen gut begleiten und betreuen.

Wie gehen Sie mit dem Problem um, dass nicht alle Studierenden und nicht alle Lehrkräfte uneingeschränkten digitalen Zugang haben?

"Worüber wir seit vielen Jahren im Bereich diskutieren, wird jetzt in den Mittelpunkt gerückt."

Dr. Sandra Hofhues, Juniorprofessorin für Mediendidaktik und Medienpädagogik an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln

Wenn man jetzt von der Seite der Studierenden weggeht zu der Seite der Lehrenden: Sie haben als Mediendidaktikerin sehr viel Erfahrung mit digitalen Medien. Einige Lehrende hatten bisher kaum Kontakt zu diesem Feld und müssen sich neu einfinden. Wie sehen Sie das?

Zum Semesterstart bleiben die Hörsäle der Universität zu Köln leer

Ja, für mich ist das alles sehr einfach – und das darf man gar nicht zu laut sage – ich fühle mich momentan gar nicht gestresst, weil sich an meinen Lehrangeboten einfach nichts ändert, aber ich habe großes Verständnis dafür, dass das bei vielen anderen Lehrenden anders aussieht. Die entsprechenden Infrastrukturen kann man in einem bestimmten zeitlichen Rahmen zur Verfügung stellen, aber ich stehe durchaus kritisch der Anforderung gegenüber, dass man innerhalb von vier Wochen alle Lehrenden „fit macht“ für digitales Lehren und Lernen, wenn es vorher keine Praxis war. Ich bin ganz begeistert, wie viele sich jetzt trauen, den Sprung ins kalte Wasser wagen und sich auch trauen, Dinge mit Medien zu erproben, die sie sonst niemals erprobt hätten. Das ist etwas, das uns als Lehrende viel Erfahrung bringen kann. Gleichzeitig, und das ist die Kehrseite, gehe ich davon aus, dass viele im Moment vor allem ihre Lehrangebote digitalisieren, das heißt mit einer gewissen Übersetzungsmetaphorik vorgehen und sich überlegen: was mache ich da eigentlich in der Präsenz und mache Selbiges dann eben auch, wenn sie beispielsweise ins Netz gehen. Dadurch wird vor allem vergessen, dass Studierende online angemessen betreut werden müssen. Sie gehen davon aus, das läuft dann schon so, wenn die Studis vor ihrem Computer sitzen. Das ist, meiner Meinung nach, ein echter Irrglaube.

Sehen Sie diese Krisenzeit als eine Chance für die Etablierung von Digitalisierung an Hochschulen?

Ja, also die aktuelle Situation ist sicherlich eine Chance. Sehr viele machen sich Gedanken darüber, wie eigentlich unser Bildungssystem aufgestellt ist und welche Rolle darin die Lernenden und die Lehrenden spielen. Und das betrifft natürlich Universitäten und Hochschulen gleichermaßen. Ich muss sagen, dass ich es nach vielen Jahren der Diskussion als sehr angenehm empfinde, dass überhaupt eine Diskussion oder fast schon eine pragmatische Nutzungsweise von digitalen Medien in Gang gekommen ist. Ich möchte daran erinnern, dass wir seit über 30 Jahren das World Wide Web haben, das Learning Management Systeme seit über 20 Jahren im Einsatz sind – das ist ja jetzt alles keine große Innovation mehr. Sondern es war immer die Frage, wann und wie gelingt es Hochschulen, sich selbst zu entwickeln und zu transformieren. Wenn das hängen bleiben könnte, fände ich das einen sehr positiven Effekt. Wichtig wäre aus meiner Sicht auch, zu prüfen, was haben wir da eigentlich gemacht. Was ich aktuell beobachte sind Arten des Lehrens und Lernens, die sehr stark geprägt sind von Lernmodellen, die wir eigentlich längst abgelöst erhofften. Ich wünsche mir, dass man da im Gespräch bleibt und darüber nachdenkt, welche Art von Lehre wird da eigentlich gerade produziert – das erscheint mir ganz dringend und über die Krise hinaus wertvoll. 

Ein wichtiger Punkt für Dr. Sandra Hofhues: über alternative Prüfungsformen nachdenken:


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