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Auf dem Prüfstand Auswahlverfahren im Assessment Center

Ein Job und viele Bewerber? Für Unternehmen ist es oft nicht einfach, den oder die Richtige für eine Stelle zu finden. Im ersten Schritt suchen große Firmen oft die aussichtsreichsten Kandidaten aus der Flut der Bewerber aus und laden sie zu einem Assessment Center ein.

Von: Matthias Rex

Stand: 22.06.2020

Um die Assessment Center wird meist ein großes Geheimnis gemacht. Dabei laufen sie immer ähnlich ab: Personaler und Psychologen schauen sich die Bewerber genau an. Wer passt ins Team? Wer hat die besten Qualifikationen für den Job? Wer bleibt cool in stressigen Situationen?

Das Assessment Center ersetzt oder ergänzt immer mehr das klassische Vorstellungsgespräch. Das hört sich spannend an. Deshalb besucht Campus Magazin die Psychologen der Universität Bamberg. Prof. Dr. Astrid Schütz und ihr Team erforschen, wie Assessment Center funktionieren und wie sie optimiert werden können.

Was ist ein Assessment Center?

Der Begriff leitet sich vom Englischen to assess ab, also übersetzt: bewerten, einschätzen. Und Center? Klar: Zentrum, Mittelpunkt. Unter einem Assessment Center, kurz AC, versteht man ein Gruppenauswahlverfahren bei der Suche nach Personal.

Beim Assessment Center wird auch das Verhalten bei Teamwork getestet.

Meist dauert dieses Auswahlverfahren ein bis drei Tage. In dieser Zeit absolvieren die Bewerber verschiedene Übungen. Zu den Klassikern zählen Selbstpräsentationen, Interviews, IQ-Tests, Gruppendiskussionen und Rollenspiele. Die Teilnehmerzahl in einem Assessment Center beläuft sich in der Regel auf maximal zwölf Personen. Es gibt aber auch Einzel- und Online-Assessment Center.

In einem AC werden üblicherweise die Teilnehmer von mehreren Beobachtern beurteilt, den so genannten Assessoren. Diese Assessoren sind häufig besonders geschulte Personalverantwortliche, Psychologen und Mitarbeiter aus den Fachabteilungen.

"Im Sinne des Person-Job-Fit und des Person-Organization-Fit ist es wichtig, dass Arbeitgeber die richtige Person für den richtigen Job und die eigene Unternehmenskultur auswählen. Eine gute Passung erhöht die Wahrscheinlichkeit für Zufriedenheit und Produktivität, bzw. senkt die Wahrscheinlichkeit für künftige Fluktuation und damit verbundene Kosten."

(Prof. Dr. Astrid Schütz, Leiterin Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie (KAP), Uni Bamberg)

Die Aufgabe: Bau eines möglichst hohen Spaghetti-Turms.

Manche Unternehmen beauftragen externe Institute mit der Durchführung der Assessment Center. Das Ziel des Auswahlverfahrens ist es, die Eignung der Bewerber zu ermitteln und zu beurteilen, wer am besten für die freie Stelle geeignet ist.

Vordergründig geht es bei vielen Aufgaben um Fachwissen. Aber die Beobachter bewerten neben der fachlichen Qualifikation in der Regel auch Teamfähigkeit, Motivation, Stressresistenz, Präsentationsgeschick, Kommunikationsfähigkeit, Zeitmanagement und Organisationstalent.

"Grundlage einer fundierten Personalauswahl sollte immer eine möglichst systematische Anforderungsanalyse sein: nur wenn klar ist, welche Merkmale für die erfolgreiche Erfüllung einer Tätigkeit notwendig sind, können Mitarbeitende entsprechend ausgewählt werden. Wichtig bei der Auswahl ist ein multi-methodales Vorgehen: nicht nur fragen, auch testen und beobachten. Letztlich müssen wir ja wissen, was die Kandidatinnen und Kandidaten wissen, was sie davon auch in Verhalten umsetzen können und wie sie motiviert sind."

(Prof. Dr. Astrid Schütz, Leiterin Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie (KAP), Uni Bamberg)

Trockenübung

Anna-Katharina beobachtet Teilnehmer beim Assessment Center.

Anna-Katharina Stöcker schreibt gerade ihre Masterarbeit bei Professorin Astrid Schütz. Das Thema: Feedback bei Assessment Centern. In diesem Zusammenhang hat sie als Beobachterin viele AC Übungen geleitet. Bei diesen fiktiven Auswahlverfahren sammelte sie Daten für ihre Arbeit, während die Teilnehmer üben, was sie in AC erwartet. Anna-Katharina hat selbst schon an ACs teilgenommen.

"Ein Assessment Center ist immer erstmal eine Stresssituation, auch für mich. Ich wusste, dass ich gleich bewertet werde - und meine Zukunft davon abhängt, wie diese Bewertung aussieht. Die Übungen an sich machten mir Spaß und ich hatte das Gefühl, dass ich zwar gefordert, aber nicht überfordert werde. Und am Ende kam die positive Antwort - da konnte ich mich dann gar nicht mehr auf dem Stuhl halten!"

(Anna-Katharina Stöcker, Masterstudierende der Psychologie an der Uni Bamberg)

Auch Rollenspiele sind Teil eines Assessment Centers.

Anhand von Bewertungsbögen erfasst Anna-Katharina die Ergebnisse der einzelnen Kandidaten und wertet sie aus. Nicht alle Prüfungssituationen kann man im Vorfeld trainieren. „Aber gute Vorbereitung kann dabei den entscheidenden Unterschied machen“, so Prof. Dr. Astrid Schütz, Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg. Und Anna-Katharina rät: „Sei Du selbst! Schauspielen rächt sich!“

Prof. Dr. Astrid Schütz, Leiterin des Kompetenzzentrums für Angewandte Personalpsychologie (KAP)

Prof. Dr. Astrid Schütz war u.a. tätig an der TU Chemnitz sowie der University of Virginia und leitet seit 2011 das Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie (KAP) der Universität Bamberg. Sie forscht zu Methoden der Personalauswahl, Potenzialdiagnostik sowie Mitarbeiterentwicklung und führt zu diesen Themen auch Projekte mit Praxispartnern durch.
Training und Coaching bieten sie und ihr Team zu Themen wie Führung, Kommunikation, Emotionale Intelligenz, Konflikt- und Stressbewältigung an. Sie hat über 100 Artikel in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht.
Für eine breite Leserschaft geschrieben sind die folgenden Bücher „Psychologie. Eine Einführung in Grundlagen und Anwendungsfelder“, „Je selbstsicherer, desto besser? Licht und Schatten positiver Selbstbewertung“, und „Positives Denken. Chancen, Risiken, Alternativen“, „Stressbewältigung im Arbeitskontext“ und „Psychologie der Kommunikation“.


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