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Filmschoolfest Munich-Interview WELCOME – Regisseur Lucas Piloto

Am Eröffnungsabend lief auch der Spielfilm „Welcome“ des Brasilianers Lucas Piloto. Eine Geschichte über die Abgründe zwischen Familienmitgliedern. Campus Cinema hat mit dem Filmemacher gesprochen.

Stand: 21.11.2018

 Regiesseur Lucas Piloto im Interview zu seinem Film WELCOME | Bild: BR

Welcome!

Regie: Lucas Piloto, Spielfilm, School of Communication and Arts, University of São Paulo, Brasilien 2017

Es ist Muttertag. Eine Großfamilie trifft sich zum festlichen Mittagessen. João, das sechs Monate alte Baby und jüngste Familienmitglied, verweigert das Essen. Kein Wunder: Bei den Konflikten, die unter der Oberfläche brodeln und sich langsam oder ganz abrupt Bahn brechen, kann einem der Appetit schon mal vergehen.

Campus Cinema (CC): „Welcome“ ist Dein erster Spielfilm und Dein Abschlussfilm an der Filmhochschule in São Paulo. Wie bist Du auf dieses Thema gekommen? Eine Familie an einem Festtag zu zeigen, wo es besonders harmonisch zugehen soll. Stattdessen brechen gerade dann die unterschwelligen Konflikte auf...

Lucas: Ich wollte schon immer etwas über diese Abgründe machen, die sich bei Familientreffen auftun. Es gibt eine Schriftstellerin, die in Brasilien sehr bekannt ist, Clarice Lispector. Sie hat ein Buch mit Short Stories veröffentlicht. Und eine dieser Kurzgeschichten handelt eben von diesen Abgründen zwischen Familienmitgliedern – diese peinlichen Situationen, die ich gut kenne. Und das wollte ich auf die Leinwand bringen.

CC: Wie kamst Du darauf, die Geschichte aus der Perspektive eines Babys zu erzählen?

Lucas: Meine Cousine hat ein Baby bekommen. Die letzte Generation in unserer Familie war so in meinem Alter, 25, 26, dann kam eben lange keiner mehr – und dann ihr Baby. Und die ganze Familie war total aufgeregt. Alles drehte sich nur noch um dieses Baby. Das habe ich benutzt.

CC: Inwiefern hat das Baby auch eine dramaturgische Funktion in Deinem Film?

Lucas: Auf dieses Baby von meiner Cousine wurde unheimlich viel projiziert. Alle hatten schon Ideen und Vorstellungen für sein Leben. Und ich dachte: Was wäre, wenn wir durch die Augen des Babys sehen könnten, das schon all diese Erwartungen spürt, obwohl es eigentlich noch gar nichts verstehen kann. Andererseits entlarvt die Perspektive des Babys natürlich die Erwachsenen, zieht ihr Gebaren noch mehr ins Lächerliche. Und ich dachte, ich kann durch die Augen des Babys, die Konflikte zwischen den Familienmitgliedern noch deutlicher herausarbeiten.

CC: Was war für Dich die größte Herausforderung bei der Umsetzung?

Lucas: Eines meiner Hauptinteressen ist, mit Schauspielern zu arbeiten. Ein Großteil meines Jobs für diesen Film war das Casting und dann die Proben mit den Schauspielern.

CC: Wie hast Du die Schauspieler gefunden?

Lucas: Ich habe öffentlich zum Casting eingeladen – und aus 60 Schauspielern 6 ausgewählt. Nur die Großmutter konnte ich nicht besetzen, denn eine Dame in diesem Alter hatte sich nicht vorgestellt. Ich habe dann in einem Film eine Schauspielerin gesehen, die perfekt passte. Und die habe ich gefragt. Zum Glück hat sie zugesagt.

CC: Hast Du im Studium gelernt, Schauspieler zu führen?

Lucas: Im ersten Studienjahr haben wir eine Übung mit Schauspielern gemacht. D.h. einer war Schauspieler, der andere Laie. Aber ich war total unerfahren. Ich wusste überhaupt nicht, was ich denen sagen sollte! Danach habe ich dann ganz viel über die Arbeit mit Schauspielern gelesen. Fast alles, was ich weiß, habe ich aus dem Buch von Judith Weston „Directing Actors“. Und dieses Wissen wollte ich unbedingt in die Praxis umsetzen.

CC: Was für ein Budget hattest Du für den Film?

Lucas: Von der Hochschule haben wir ungefähr 1.500 Euro bekommen. Und wir haben Crowdfunding gemacht. Darüber kamen nochmal 1.800 Euro zusammen. Die Schauspieler haben für wesentlich niedrigere Gagen gearbeitet als sie normalerweise bekommen.

CC: Du hast im Januar Deinen Abschluss an der Filmhochschule gemacht. Wie willst Du jetzt weitermachen?

Lucas: Ich will weiter in Richtung Regie gehen, mit Schauspielern arbeiten. Ich mache gerade selber eine Ausbildung zum Schauspieler, weil ich den Beruf besser verstehen will, um ein noch besserer Regisseur zu werden. An der Filmhochschule in São Paulo habe ich selber in ein paar Kurzfilmen mitgespielt. Daher weiß ich, dass man als Schauspieler sehr exponiert ist, in einer sehr verletzlichen Position.

CC: Wie ist es für Dich, dass Dein Film nun hier gezeigt wird, auf dem Filmschoolfest Munich?

Lucas: Toll! Es ist das erste internationale Filmfest, wo ich zusammen mit meinem Film bin. Und das erste Mal, dass der Film vor so einem großen Publikum gezeigt worden ist.

CC: Wie ist es, den eigenen Film zusammen mit Publikum zu sehen? Warst Du aufgeregt?

Lucas: Klar. Man ist besonders aufgeregt, wenn der Film Humor hat, ob das funktioniert. Und es war für mich interessant zu sehen, auf was das Publikum reagiert. Das Publikum hier hat auf ganz andere Stellen reagiert als das Publikum in Brasilien.


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