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alpha-retro: Ab in den Süden alpha-retro: Hydra - weißes Eiland (1967)

Ein Esel posiert als Fotomodell auf der griechischen Insel Hydra 1967. | Bild: BR

Freitag, 26.06.2020
21:00 bis 21:45 Uhr

  • Schwarz-weiß

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BundesRepublikDeutschland (historisch) 1967

Den meisten Europäern ist Hydra, diese kleine Insel an der Ostseite der Peloponnes nicht wirklich ein Begriff. Wenn, dann kennt man sie nur deswegen, weil Leonard Cohen dort etliche Jahre gelebt hat. „So long Marianne“ und „Bird on the Wire“ sind dort entstanden. Die Filmemacherin Lis Klatt drehte ihren Film über Hydra, dieses weiße Eiland in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre, als davon noch nicht die Rede war.

Der Film kommt quasi mit dem Boot zu dieser Insel und auf den letzten Metern bei der Einfahrt in den Hafen lässt Lis Klatt ihren Sprecher Gustl Weishappel (30 Jahre lang Radiomoderator des morgendlichen „Musikjournal“ auf „Bayern 1“ und berühmt für seinen Temperaturanzeiger auf dem Fensterbankerl) sagen: „Und dann plötzlich nach einer Biegung, hell, leicht und überraschend das weiße Halbrund des Hafens, sich an die Hänge schmiegend wie ein Amphitheater. Keine Stadt und kein Dorf, sondern ein Ort, der sich mit der Thymian-duftenden Macchia ebenso gut verträgt wie das Geläute der Klosterglocken mit aufsässigen Liedern.“ Damit ist sozusagen die Tonlage für diesen Film vorgegeben.

In den Sechzigerjahren, als Lis Klatt diesen Film drehte, hatte Hydra noch gut 2700 Einwohner, wovon 2500 im Hafenort mit dem Namen Hydra wohnten. Die Kamera von Hans Lutz fängt wunderschöne Schwarzweißbilder einer vergangenen Inselkultur ein: Fischer nähen im Freien ihr löchriges Netz, Schiffe werden entladen, bärtige Männer sitzen auf Stühlen vor einem Café und spielen mit ihrem Geduldskettchen, dem Komboloi, Katzen streunen umher und alles ist frei von Hektik. Hydra war damals Auto-frei und ist es bis heute geblieben. Das bedeutete aber damals schon, dass alles, was im Hafen per Schiff ankam, mit Eseln oder Maultieren weitertransportiert werden musste.

Es gab damals sogar noch einen eigenen Esel- und Maultierparkplatz! Und da Hydra fast komplett abgeholzt ist und deswegen dort so gut wie keine Landwirtschaft mehr existiert – in früheren Jahrhunderten bestand die griechische Flotte zu mehr als der Hälfte aus Schiffen, die auf Hydra gebaut worden waren –, musste damals wie heute jede Art von Lebensmittel per Schiff nach Hydra gebracht werden. Weil aber der Ort Hydra am Hang liegt, müssen dabei permanent Stufen und ganze Treppen erklommen werden. Weiße Stufen, die laut Film angeblich jede Woche neu geweißelt werden!

Das 11-Uhr-Schiff brachte in der Saison jeden Tag die Touristen, die dann die Restaurants am Hafen frequentierten und in den kleinen Kunsthandwerksläden einkauften. Aber die Touristen interessieren Lis Klatt nicht, viel lieber begleitet sie einen Bäckerjungen, der die frischen Brote überall im Ort ausliefert – mit einem Esel, der die Brote trägt. Als der Junge damit fertig ist, schaut er den Männern beim Tanzen zu und der Sprecher meint: „Griechische Tänze sind einsame Tänze, sie werden meistens nur von Männern getanzt und auch wenn sie im Reigen tanzen, bleibt jeder in sich selbst versunken. Es sind Tänze, die nach innen gehen – wie ein Selbstgespräch. Und man tanzt sie irgendwo und zu jeder Tageszeit.“

Lis Klatt konnte noch die letzten hydriotischen Schwammtaucher bei der Ausfahrt zur Arbeit filmen: Sie ernteten an der afrikanischen Küste die Schwämme am Meeresgrund per Apnoetauchen. Das Schwammtauchen war in der Zeit nach den Befreiungskriegen gegen die Türken im 19. Jahrhundert eine wichtige Einnahmequelle für die Hydrioten. Da die Naturschwämme in den Sechzigerjahren jedoch immer stärker durch Kunststoffschwämme ersetzt wurden, wurde das Schwammtauchen unrentabel: „In absehbarer Zeit werden diese wilden, mutigen Gesichter sich andere Berufe suchen müssen.“ Am Ende widmet sich der Film der Küche auf Hydra, die wie die gesamte griechische Küche relativ einfach ist. Aber die Gerichte werden dafür mit großer Sorgfalt und nur unter Verwendung frischer Zutaten hergestellt. Und wenn alle satt sind, bekommen auch die Katzen etwas ab.

Redaktion: Martin Posselt