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Programmschwerpunkt "Vor 100 Jahren - Ende des Ersten Weltkriegs" alpha-retro: 1965 - Helmut Qualtinger liest Karl Kraus "Die letzten Tage der Menschheit"

Gut 20 Jahre lang brachte Helmut Qualtinger ausgewählte Szenen aus "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus auf die Bühne. Kraus selbst erachtete dieses Stück wegen des enormen Umfangs als unaufführbar. Qualtinger jedoch befasste sich mit der ihm eigenen Genialität mit diesem Stück: Er sprach alle Rollen selbst. Ob Ganghofer, Kaiser Wilhelm, ein Feldkurat, ein preußischer Schieber, ein Wiener Viktualienhändler usw.: alle charakterisierte er perfekt allein durch Sprechweise und Dialekt. | Bild: BR/ORF

Samstag, 10.11.2018
20:15 bis 21:15 Uhr

  • Schwarz-weiß

ARD alpha
1965
Folge 1 von 2

„Die letzten Tage der Menschheit“ widmete Karl Kraus einem Marstheater, da es auf Erden nicht aufführbar ist: zu lang und mit zu vielen Rollen, d. h. es würde Tage dauern es aufzuführen und man bräuchte dafür Unmengen von Schauspielern. Helmut Qualtinger jedoch führte es wie hier in einer Fernsehaufzeichnung aus dem Jahr 1965 ganz allein auf. Er brachte zwar nur einige ausgewählte Szenen auf die Bühne, in diesen stellte er aber alle Rollen selbst dar. Qualtinger las „Die letzten Tage der Menschheit“ nicht einfach vor, er wuchtete sie regelrecht mitsamt dem darin vorkommenden Personal auf die Bühne. Nahtlos von einem Dialekt in einen anderen übergehend spricht er nicht nur alle Rollen, sondern charakterisiert die betreffende Person mit seiner Stimme auch: Ob Ganghofer, Kaiser Wilhelm, ein Viktualienhändler, ein alter General, ein preußischer Schieber, ein Feldkurat usw., sie alle sind sofort als ebendiese erkennbar. Die Inhumanität, die aus ihrem Munde quillt und mit der sie das große Völkerschlachten in den Jahren von 1914 bis 1918 befeuerten, entsprang jedoch in so gut wie allen Fällen nicht der Phantasie von Karl Kraus. Stattdessen montierte er lediglich Originalzitate – und dieser Montage gab er dann eben den Titel „Die letzten Tage der Menschheit“. Helmut Qualtinger wiederum brachte dieses Kunstwerk in der ihm eigenen Genialität bis wenige Monate vor seinem Tod im Jahr 1986 immer wieder auf die Bühne.

Redaktion: Martin Posselt