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Ist Reichtum gerecht verteilt?

RESPEKT Ist Reichtum gerecht verteilt?

Stand: 21.05.2023

"Wer wird Millionär"? Oder besser: Wie wird man eigentlich Millionär:in? Den Traum vom großen Geld haben viele – schließlich bedeutet das auch viele Freiheiten. Um die Welt reisen, ein Haus kaufen, bedenkenlos eine Familie gründen oder schon mal für das Alter vorsorgen: Ein gut gefülltes Konto ist quasi für alles zu gebrauchen. Doch nur wenige Menschen können sich auf der Sicherheit einer dauerhaft guten finanziellen Grundlage ausruhen. Für die meisten ist jeder Cent fleißig gespartes Geld. Warum ist das eigentlich so?

Arbeiten, arbeiten, arbeiten oder doch erben?

Reichtum ist in Deutschland nicht fair verteilt – im Gegenteil. Gerade mal zehn Prozent der deutschen Bevölkerung besitzen 60 Prozent des gesamten Vermögens.

Ein Großteil der Multimillionär:innen hat ihr Geld nicht allein durch Fleiß und Disziplin erwirtschaftet. Das meiste Geld ist geerbt. Es war also bereits im Besitz der Familie und wurde von einer Generation an die nächste weitergegeben.

Was ist Erben?

  • Stirbt ein Mensch, gibt er sein Vermögen an andere ab – an Menschen oder Institutionen. Das nennt sich Erbe.
  • Steht im Testament oder Erbvertrag nichts Spezifisches drin, erben automatisch die Kinder oder Ehepartner:innen. Gibt es keine Erb:innen, übernimmt der Staat das Erbe. Egal, ob es sich um Schulden oder Vermögen handelt.
  • In Deutschland werden jedes Jahr zwischen 200 und 400 Milliarden Euro vererbt.
  • Jede:r Erb:in muss Erbschaftssteuer zahlen. Wie viel, das hängt vom Wert des Erbes ab. Bis zu 400.000 bis 500.000 Euro gibt es Freibeträge. Erst dann müssen Steuern gezahlt werden. Doch auch bei höheren Summen gibt es die Möglichkeit, Steuern zu vermeiden.
  • Vererbt wird immer mehr. Die Einkommen aus Vermögen übersteigen mittlerweile die Einkommen aus Arbeit. Trotzdem wird es nicht angetastet und verteilt, sondern in einer kleinen Gruppe von Menschen weitergegeben. Wer reich ist, bleibt reich, und wer arm ist, hat nur wenig Chancen, Vermögen aufzubauen.

Superreiche mehr besteuern

Erben ist also dann eine gute Sache, wenn man selbst erbt. Ansonsten ist Erben ziemlich unfair, weil es viel mit Zufall zu tun hat. Denn niemand kann sich aussuchen, in welche Familie er geboren wird.

Es gibt allerdings Überlegungen, wie man diese Situation gerechter gestalten könnte. Diese kommen nicht etwa von Ökonom:innen oder von Menschenrechtler:innen, sondern von denen, die bereits von Erbschaften profitieren: die Erb:innen selbst. Die Initiative „taxmenow“ (zu Deutsch: „Besteuert mich jetzt“) will mit einer Reform der Erbschafts- und Vermögenssteuer erreichen, dass Superreiche mehr Gelde an den Staat abgeben müssen. Bisher sind die Abgaben sehr gering.

"Die Erbschaftssteuer ist wirklich eine Mini-Steuer (...). Wir haben aktuell schätzungsweise 300 bis 400 Milliarden Euro, die jährlich vererbt werden. Um das mal ins Verhältnis zu setzen: Der Bundeshaushalt, mit dem Straßen bezahlt werden, Universitäten, Bundeswehr und vieles mehr, hat knapp über 400 Milliarden Euro Gesamtetat. Das heißt, wir vererben im Jahr fast einen Bundeshaushalt, und es steigt immer weiter an. Und wir haben Steuern daraus, ich glaube, die letzten waren 9 Milliarden Euro. Die Tabaksteuer nimmt aktuell mehr ein als die Erbschaftssteuer. Da sieht man, dass die Erbschaftssteuer aktuell nicht funktioniert und die Einnahmen extrem niedrig sind."

Yannick Haan, Publizist und Aktivist 'taxmenow'

Ein Grunderbe für alle?

Neben der Erhöhung der Erbschaftssteuer gibt es auch die Idee des Grunderbes. Würde etwa jede in Deutschland lebende Person zu ihrem 18. Lebensjahr ein Erbe von 20.000 Euro bekommen, hätten alle die gleichen Ausgangsbedingungen. So zumindest die Theorie. Aber ist so eine Idee überhaupt umsetzbar?

Quellen: "Zahlen und Fakten: Ist Reichtum gerecht verteilt?" Format: PDF Größe: 473,33 KB

Du erbst 20.000 Euro – wie geht das?

  • Fachleute aus Politik und Wirtschaft fordern ein Grunderbe in Höhe von 20.000 Euro für alle, die 18 Jahre alt werden.
  • Damit soll Chancengleichheit hergestellt werden, etwa in der Aus- und Weiterbildung, im Aufbau von Wohneigentum oder in der Firmengründung.
  • Das Geld soll nur zweckgebunden verwendet werden dürfen. Die Finanzierung von Urlauben oder teuren Hobbys ist nicht das Ziel und wird so von vornherein unmöglich gemacht.
  • Kosten würde ein solches Vorhaben um die 15 Milliarden Euro jährlich. Denn aktuell werden pro Jahr ca. 750.000 Menschen 18 Jahre alt.
  • Finanziert werden könnte das Grunderbe durch eine höhere Erbschaftssteuer oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Wer viel erbt oder viel besitzt hätte damit auch höhere Abgaben an den Staat zu leisten.
  • Manche Befürworter:innen, wie der Ökonom Thomas Piketty, fordern sogar höhere Beträge für das Grunderbe. In Überlegung sind Summen bis zu 120.000 Euro pro Person, die das 25. Lebensjahr erreicht.

Kritiker:innen hingegen verlangen eine bessere Investition in Ausbildung, Studium, Firmengründung oder den Erwerb von Wohneigentum. Das wiederum würde für eine klassische Umverteilung sprechen. Aber ist die Erbschaftssteuer immer fair?

Erbschaft ist nicht gleich Erbschaft

Unternehmer Franz Schabmüller hat die Firma seines Vaters geerbt. Er sieht das Erbe durchaus als Vorteil für seine eigene berufliche Karriere.

"Erben (…) schafft andere Startvoraussetzungen. (…) Unsere Unternehmensgruppe ist 45 Jahre alt. Ich bin aktiv ins Unternehmen eingetreten, da war ich 26. Wir haben einen Nachfolgeprozess gemacht, da war ich noch keine 30. Natürlich, so vermessen bin ich nicht, dass ich sage: Wenn ich jetzt null Startvoraussetzungen gehabt hätte, dass ich das Gleiche erreiche. Definitiv nicht."

Franz Schabmüller, Unternehmer

Trotzdem fände er es nicht gerecht, die Erbschaftssteuer auf alle Arten der Vermögensbestandteile anzuwenden. Denn: In seinem Unternehmen steckt ein großer Teil des Vermögens in Maschinen und Geldanlagen. Würde man diese mit besteuern, würde das gesamte Unternehmen in der Entwicklung gehemmt werden.

Lieber auf's Erbe verzichten?

Manchmal wird nicht nur Vermögen vererbt, sondern auch Schulden. Deswegen hat man grundsätzlich das Recht, das Erbe auszuschlagen. Die Erbschaft fällt dann an die nächste Person in der Erbfolge. Schlagen alle Erb:innen aus, erbt zum Schluss der Staat. Dieser kann die Erbschaft nicht ablehnen, allerdings kommt er nicht für die Schulden auf. Wer eine Erbschaft ausschlägt, verzichtet allerdings auf alles: Man kann ein Erbe nicht in Teilen annehmen oder ablehnen – es gilt ganz oder gar nicht.

Aktivist Yannick Haan sieht solche Fälle kritisch: Erb:innen sind nicht automatisch immer die besten Empfänger:innen der Geld- oder Sachwerte und nicht jede Person ist etwa für die Führung eines Unternehmens geeignet. Dieser Umstand könnte der Wirtschaft langfristig sogar schaden.

Fest steht: Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Erbschaften und fehlende Besteuerungen tragen einen großen Teil dazu bei. Das gefährdet letztlich die Demokratie und sollte dringend überdacht werden.

Autorin: Redaktion Lernen und Wissenslab / lmh

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