Respekt - Respekt

Stadt – Land – abgehängt?

RESPEKT Stadt – Land – abgehängt?

Stand: 14.04.2021 11:56 Uhr

  • Menschen, die sich abgehängt fühlen, haben den Eindruck, von der Politik vergessen und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen zu sein.
  • Sie leben vorwiegend in ländlichen Regionen, vor allem im Osten Deutschlands, aber auch in den Problemvierteln der Großstädte.
  • Dort gibt es meist wenig Jobchancen, Ausbildungsmöglichkeiten und mitunter auch keine Verkehrsanbindung.
  • Viele dieser Menschen blicken pessimistisch in die Zukunft, sie glauben, dass der Staat sie aufgegeben hat.

Land im Nachteil?

Ländliche Regionen gelten vielfach als abgehängt. Und gerade für Jugendliche hat das Land anscheinend kaum etwas zu bieten: weniger Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, schlechtere Infrastruktur, weniger Kontaktmöglichkeiten als in größeren Städten. Aber nicht überall in den ländlichen Regionen fühlen sich die Bewohner:innen abgehängt. Manche Gegenden prosperieren und besitzen eine sehr gute Infrastruktur. Und es gibt Menschen, die sich – gerade in Zeiten von Homeoffice und Lockdown – wieder danach sehnen, aus der Stadt aufs Land zu ziehen.

"Die Vorteile sind wahrscheinlich die Nachteile für viele andere. Man ist halt sofort in der Natur. Ich snowboarde im Winter total gern. Im Sommer mountainbiken, da ist es bei uns perfekt, da gehe ich aus der Haustür raus und kann gleich starten."

Tobias Bals, Eigentümer der Werbeagentur 'pixeltypen' in Viechtach

Überschaubar oder beengend?

Die meisten Jugendlichen leben laut einer Studie (von 2020, am Beispiel von 15 ländlichen Kommunen in Bayern) gern auf dem Land, wegen Familie, Freunden, Gemeinschaft. Die Kehrseite der dörflichen Gemeinschaft ist: Jede:r kennt jede:n und wer aus dem Rahmen fällt, wird erst mal kritisch beäugt. Laut Studien vermissen viele auf dem Land Offenheit für Andersartigkeit und Vielfalt  – und auch die Möglichkeit, sich polititsch zu beteiligen.

"Wir haben eine totale Abwechslung, ich kann jeden Tag in einen neuen Club, in eine neue Kneipe gehen, und das ist schon was richtig Cooles und Neues für mich dann."

Antonia aus Bodenmais, studiert in Regensburg

Ergebnisse Schulnoten für Bodenmais

Die "Jury" aus dem Jugendtreff in Bodenmais vergibt Noten: Was ist gut/schlecht am Landleben?

Wir haben die Leiterin und vier Jugendliche des Jugendtreffs befragt und sie gebeten, verschiedene Kategorien, was das Leben in Bodenmais betrifft, mit Schulnoten von 1-6 zu bewerten. Hier die Durchschnittsnoten, die bei der Befragung rauskamen:

  • 2,2 Ausbildungsplätze: Weil es im Bereich Tourismus und Handwerk genug gibt.
  • 2,4 Wohnungsangebot: Weil viel Platz da ist und Grund weniger kostet als in der Stadt.
  • 2,8 Freizeitmöglichkeiten: Freibad, Hallenbad, Sportplatz gibt's. Oper, Kino, Theater sind allerdings ohne Auto nicht erreichbar.
  • 3,8 Offenheit, Diversität, Vielfalt: latenter Rassismus, Andersartigkeit fällt stark auf
  • 4,0 politische Partizipation: gibt keine politischen Vereine oder Büros von CSU, SPD

Was finden Jugendliche gut oder schlecht am Landleben?

  • Die meisten jungen Menschen im Alter von 16-27 Jahren leben gerne auf dem Land: 82 Prozent.
  • Die Befragten sehen im Landleben vor allem folgende Vorteile: Natur, Gemeinschaft und Familie.
  • Deutlichen Verbesserungsbedarf sehen die Befragten der Studie von 2020 vor allem bei der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und beim Internetzugang.
  • Außerdem vermissen junge Menschen Kneipen, Bars und Lokale, um Gleichaltrige treffen zu können.

Fazit

Wenig überraschend: Landleben und Stadtleben haben Vor- und Nachteile. Es gibt auf dem Land auch große Unterschiede: An manchen Orten ist das Internet super und kostenlos, an anderen schlecht. Wer gern Sport im Freien macht oder Wandern liebt, wird die Natur auf dem Land schätzen und Opern und Kneipen weniger vermissen. Auch die Ausbildungsmöglichkeiten sind auf dem Land mitunter gar nicht so schlecht: Wenn es Tourismus gibt oder Handwerksbetriebe, oder wenn sich junge Menschen aus der Region zusammen tun, um selbst eine Firma zu gründen. Wo es noch Defizite gibt: in Sachen Vielfalt, Demokratie und Toleranz, etwa wenn Geflüchtete kommen. Denn in einer Dorfgemeinschaft gilt schnell jemand als suspekt, der auch nur ein wenig anders tickt.

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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