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Bildung

RESPEKT Bildung

Stand: 04.09.2019

  • Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht. Verankert ist es im Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
  • Menschen mit Behinderung, Sprachschwierigkeiten oder Eltern, die sich nicht kümmern können, werden im Bildungssystem oft benachteiligt.
  • Auch die starre Trennung zwischen allgemeinbildenden Schulen und Berufsbildung ("Bildungsschisma") kann für Benachteiligung sorgen. Berufsschüler*innen haben zum Beispiel häufig wenig Chancen auf einen höheren Abschluss.

Deutschland hat mit einer umfangreichen Schul- und Berufsausbildung ein international anerkanntes Bildungssystem. Und doch können sich nicht alle Menschen in Deutschland so bilden, wie sie es gerne tun würden oder wie es ihrer weiteren Entwicklung gut tun würde. Gerade Menschen mit Lernbehinderungen oder Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Milieus fallen schnell aus dem regulären Bildungssystem. RESPEKT-Moderator Rainer Maria Jilg geht der Frage nach, wie man das Bildungssystem gerechter machen kann. Er trifft Menschen, die vom Bildungssystem fast aufgegeben wurden und es trotzdem geschafft haben.

Bildung stärkt die Persönlichkeit

Bildung ist ein Menschenrecht und sollte daher kostenlos und für alle verfügbar sein. Große Reformen im Bildungswesen setzte Anfang des 19. Jahrhunderts Wilhelm von Humboldt um. Er war überzeugt, dass jeder Mensch den Drang hat, sich zu bilden. Über ein mehrgliedriges Schulsystem wollte Wilhelm von Humboldt Bildung für alle zugänglich machen. Seiner Vorstellung nach umfasst Bildung nicht nur das reine Erlernen von Wissen, sondern auch die Ausbildung der Persönlichkeit. Auch heute soll Bildung neben den wirtschaftlichen Zielen vor allem die Persönlichkeit stärken und moralische Kompetenzen vermitteln.

Haben in unserem Bildungssystem alle die gleichen Chancen?

Menschen mit Behinderung bekommen in unserem Bildungssystem nicht immer die Förderung und Chancen, die sie bräuchten. Inklusion findet nicht unbedingt statt, das heißt sie können nicht im regulären Schulbetrieb mitmachen. Wenn es nicht möglich ist, einen Hauptschulabschluss zu erreichen, bleibt aber oft nur die Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung. Im Filmbeispiel haben es zwei junge Menschen mit geistiger Behinderung geschafft, im "Institut für inklusive Bildung" eine Ausbildung zur Bildungsfachkraft zu machen. In dieser Funktion unterrichten sie jetzt beispielsweise angehende Erzieher*innen, die von den speziellen Erfahrungen der beiden deutlich profitieren können.

"Da, wo wir unsere Defizite hatten, hätte ich mir damals gewünscht, dass man gekuckt hätte, dass man den Unterricht so gestaltet, dass jeder mitkommt."

Filmzitat von Marco Reschat, Bildungsfachkraft

Benachteiligung von sozial schwachen Familien

Kinder, deren Eltern selbst nur wenig Bildung erfahren haben, die also aus "bildungsfernen Schichten" oder sozial schwachen Familien stammen, sind oft schon benachteiligt, bevor sie in die Schule kommen. Sie sind zwar durchaus lernwillig, werden aber durch Belastungen in den Familien in ihrer Denk- und Lernfähigkeit gebremst. Um solche Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Förder- und Fürsorgebedarf kümmert sich zum Beispiel die Einrichtung Lichtblick Hasenbergl in München. Wo Eltern nicht genug unterstützen können, hilft diese Einrichtung. Die Arbeit mit den Kindern hat gezeigt, dass das Schulsystem in Deutschland in hohem Maße auf ein funktionierendes Elternhaus setzt, das die Schulzeit intensiv begleitet und erhebliche Zuarbeit leistet.

"Stellen Sie sich vor, Sie stehen morgens um 4 auf und gehen putzen. Sie kommen heim, Ihnen tut der Rücken weh und Ihre Kinder streiten. Und dann versuchen Sie mal, eine entspannte Mutter zu sein, die Lesen übt, Nachschriften diktiert, Vokabeln abfragt, mit Lehrern in Kontakt ist. Das ist einfach so nicht. Diese Menschen verhungern uns am gedeckten Bildungstisch."

Filmzitat Johanna Hofmeir, Gründerin Lichtblick Hasenbergl

Die Stufen im deutschen Bildungssystem

  • Nach der frühkindlichen Bildung in der Kita und der Grundschule wird zum ersten Mal aufgeteilt in Hauptschule (Bayern: Mittelschule), Realschule und Gymnasium.
  • Nach der 9. Klasse die zweite Entscheidung: Berufsausbildung oder weiter auf der Schule bleiben.
  • Aus Vorläufern der heutigen Berufsschulen im 19. Jahrhundert entsteht das "duale System": Praxis im Betrieb, Theorie in der Berufsschule.
  • Wer an der Schule bleibt, macht den Realschulabschluss oder das Abitur, die "Allgemeine Hochschulreife".

Zahlen und Fakten: Quellen

  1. Hauptschule = Mittelschule in Bayern: Das bayerische Schulsystem (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus)
  2. Erreichen des Abiturs von Jugendlichen "bildungsferner Schichten": Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2018, Seite 88 (Bildungsstand der Bevölkerung)

Das "Bildungsschisma" - geht's auch anders?

Im deutschen Bildungssystem gibt es eine starre Trennung zwischen allgemeinbildenden Schulen und der Berufsausbildung. Die Berufsbildung setzt in erster Linie auf Wissen mit Praxisbezug zum späteren Beruf. Eine breite Allgemeinbildung fehlt. Deshalb haben Menschen, die sich für die Schiene "Berufsausbildung" entschieden haben, oft Schwierigkeiten, dieses Gleis zu wechseln. Zum Beispiel, wenn sie später doch einen höheren Schulabschluss machen wollen. Diese häufig kritisierte Kluft im Bildungssystem nennt man "Bildungsschisma".

Es gibt aber durchaus Ausbildungsbetriebe, die diese Kluft überwinden wollen. Berufsschüler*innen werden individuell gefördert, es werden Lerntrainings und Einzelcoachings angeboten. So haben die Auszubildenden die Chance, sich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich optimal weiterzuentwickeln.

Autorin: Claudia Sarrazin

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