Respekt - Respekt

Recht auf Ausbildung

RESPEKT Recht auf Ausbildung

Stand: 25.05.2022

  • Einerseits finden 12 % der Bewerber:innen keinen Ausbildungsplatz. Andererseits sind viele Ausbildungsplätze unbesetzt.
  • Berufsorientierung könnte da helfen, vor allem mit mehr Bezug zu Betrieben.
  • Wichtig für die jungen Menschen ist, dass sie sich vorstellen können, was sie in einer Ausbildung erwartet und ob das zu ihnen passt.
  • Ein Recht auf eine Ausbildung mit einem anerkannten Abschluss könnte Bund und Länder verpflichten, für genügend Ausbildungsplätze zu sorgen.

Die einen schicken reihenweise Bewerbungen – ohne Erfolg. Anderen fehlt jede Orientierung, was ihnen als Ausbildung eigentlich liegen würde. Wieder andere brechen ihre Ausbildung ab, weil ihnen individuelle Unterstützung fehlt. Was steckt hinter diesen Geschichten? Sind das alles Einzelfälle oder Hinweise auf ein kaputtes System? Schließlich scheitern daran jedes Jahr zigtausende junge Menschen.

"Ich war nur eine billige Arbeitskraft."

Maximilian Stahl hatte Glück - eigentlich: Denn er hat gleich nach dem Quali eine Ausbildung zum Installateur für Gas, Wasser und Heizung begonnen. Er hat es sogar fast bis zum Ende geschafft. Doch dann hat ihm der Chef gekündigt. Maximilian war zu viel krank, hat einen Schwerbehindertenstatus ... Über die Agentur für Arbeit kam er dann zu einem anderen Ausbildungsplatz in einer ganz besonderen Fahrradwerkstatt: einem Meisterbetrieb, in dem junge Menschen mit besonderem Förderungsbedarf qualifiziert werden. Hier ist Maximilian wirklich glücklich. Anders als vorher gibt es geregelte Arbeitszeiten, er fühlt sich gut betreut, bekommt viel beigebracht und fühlt sich nicht mehr bloß als "billige Arbeitskraft".

"Das war total krass, was für eine Unterstützung ich hier bekomme. Ich hatte immer ein offenes Ohr. Man hat immer gefragt: Wie geht's dir? Wo hast du Baustellen? Wie kann man diese Baustellen beheben? Also es ist total individuell auch angepasst gewesen. Und ich war so dankbar dafür, das hat mich noch mehr gepusht und bestärkt in dem, einfach damit weiterzumachen. Ja, das hat einfach, das hat wirklich gut getan."

Maximilian Stahl, Azubi

Chancengleichheit? - Fehlanzeige!

Theoretisch steht zwar jedem Menschen, der nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegt, eine Ausbildung in einem Betrieb offen, auch ohne Schulabschluss. Die Entscheidung, wer genommen wird, treffen aber letztendlich die Betriebe und die wählen sich oft die besten Bewerber:innen aus. Junge Menschen, die einen niedrigen Bildungsabschluss haben oder denen ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird, gehen dann häufig leer aus. Hier soll das Recht auf Ausbildung Abhilfe schaffen. Es würde die Betriebe in die Pflicht nehmen, vermehrt Ausbildungsplätze anzubieten und würde nicht zuletzt die Rechte junger Menschen stärken.

"Ich habe ab Dezember 2018 bis Mai, Juni 2019 50 Bewerbungen geschickt. Manchmal habe ich gar keine Antwort gekriegt. Und manchmal wurde mir nur gesagt, sie haben eben einen anderen genommen."

Ljubica Zivkovic, in der Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement

Mehr Praxis, mehr Flexibilität

  • Laut Bildungsfachleuten extrem wichtig für den späteren Erfolg beim Einstieg in die Ausbildung: Berufsorientierung in der Schule, am besten ab der fünften Klasse.
  • Zum Beispiel bei einer Betriebsbesichtigung, einem Schnuppertag, einem Schnupperpraktikum oder bei einem Speed-Dating mit Betriebschef:innen auf einer Messe.
  • Flexible Rahmenbedingungen in der Ausbildung können die Chancen, dranzubleiben, erhöhen. So gibt es zum Beispiel seit Anfang 2020 die Option einer Teilzeitausbildung.
  • Weitere Möglichkeit: die assistierte Ausbildung mit fachkundigen Unterstützenden an der Seite, mit Angeboten von Nachhilfe bis Konfliktschlichtung.

Berufsberatung - für Lehrer:innen kaum schaffbar

Johannes Graf

Johannes Graf, Berufsschullehrer, bringt das Problem auf den Punkt: Wie soll eine Lehrkraft 30 Schüler:innen so informieren und betreuen, dass die einen den Quali schaffen, die anderen mit Problemen zu Hause fertig werden und die nächsten einen Ausbildungsplatz finden? Es ist schlicht zu viel für eine Person. Es bräuchte einfach mehr Information und Beratung, auch konkreten Kontakt zu Unternehmen, damit die Jugendlichen verstehen, was sie wollen und was die Arbeitgeber:innen wollen. Deshalb finden so viele junge Menschen nach der Schule nicht direkt ins Berufsleben, sondern jobben oder drehen eine extra Runde im sogenannten Berufsvorbereitungsjahr, kurz BVJ. Yannick Rauch zum Beispiel dachte, er würde den Quali nicht schaffen. Wie eine professionelle Bewerbung aussehen muss, hat er erst im BVJ gelernt - und so tatsächlich einen Ausbildungsplatz als Hotelfachmann bekommen.

"Ich hatte mich für nichts beworben, weil ich selbst von der Lehrerin von mir gehört habe damals, ohne Quali kommt man nicht sehr weit in vielen Betrieben. Also hatte ich da eigentlich nichts."

Yannick Rauch, im BVJ an der Berufsschule für Hotelfach in Nürnberg

Jugendliche sind keine Maschinen

Maximilian Stahls Arbeitgeber hat für seine Azubis eine Sozialpädagogin engagiert zur Betreuung. Einmal in der Woche können die Azubis mit ihr darüber sprechen, was gut läuft und was nicht so gut und sie hilft ihnen mit Rat und Tat. Sie findet es enorm wichtig, dass Arbeitgeber:innen ihre Mitarbeiter:innen als Menschen und auf Augenhöhe sehen und nicht mit standardisierten Erwartungen an die jungen Menschen herantreten. So von wegen: Die müssen funktionieren und fertig. Denn letztlich dient es allen, wenn die Jugendlichen bei der Arbeit ihre Persönlichkeit stärken und entwickeln und sich nicht unter Druck gesetzt und allein gelassen fühlen.

"Was ich beanstande, im ganzen Ausbildungsbetrieb, ist einfach, dass die Menschen nicht als Menschen gesehen werden."

Magdalena Pemler, Sozialpädagogin

Wer macht sich stark für das Recht auf Ausbildung?

Neben Gewerkschaften wie GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) fordern auch Jugendsozialverbände wie BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.) und KJS (katholische Jugendsozialarbeit) ein Recht auf Ausbildung. Damit das Recht auch umgesetzt wird, müssten Betriebe mehr passende Stellen anbieten oder finanzieren. Die öffentliche Hand müsste individuelle Förderung und Unterstützung sicherstellen. Dann könnte es tatsächlich leichter werden für junge Menschen, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu bekommen.

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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