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BR24-Wahlfahrt "Arbeitszeiten sollen flexibler werden"

Mehr als zehn Stunden Arbeit am Tag sind in Rose Marie Wenzels Café in Deggendorf nicht erlaubt. Dabei würden ihre Mitarbeiter an einigen Tagen gern mehr arbeiten, sagt die Cafébesitzerin. Nicht alle Politiker wollen ihr helfen. Frau Wenzel trifft auf Daniel Föst (FDP), Klaus Ernst (die Linke) und Florian Pronold (SPD). Wer hat Euch überzeugt? Diskutiert mit!

Von: Mira-Sophie Potten

Stand: 15.09.2017 | Archiv

Wahlfahrt Arbeitszeit | Bild: Salvan Joachim / BR


"Die maximale tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden ist eine Einschränkung für Gastronomen und ihre Mitarbeiter. Was wollen Sie für flexiblere Arbeitszeiten tun?" Rose Marie Wenzel, Gastronomin aus Deggendorf

Wenn in Rose Marie Wenzels Café eine Hochzeit gefeiert wird, möchte sie ihre Mitarbeiter mit deren Einverständnis auch mal eine Stunde länger arbeiten lassen dürfen. Als Gastronomin engagiert sich die Unternehmerin unter anderem im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Für ihr weitreichendes ehrenamtliches Engagement wurde heuer mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Und obwohl sie seit vielen Jahren passives Mitglied der CSU ist, wusste sie vor der BR24-Wahlfahrt noch nicht, wie sie wählen wird.

Alle Politiker, alle Antworten:

Martin Hebner, AfD:

"Die Gastronomie erfordert zusätzliche Flexibilität. In einem Schreibtisch-Beruf kann die Arbeit eventuell nach 10 Stunden eingestellt werden, nur bei Gästen in einem Hotel kann nicht plötzlich die Service-Kraft das Hotel verlassen. Notwendig ist die Einrichtung von Arbeitszeitkonten in den Gastronomie-Betrieben, um Spitzen abdecken zu können." (AfD-Spitzenkandidat Martin Hebner wollte an der Aufzugfahrt zum Bedauern der Redaktion nicht teilnehmen, beantwortete aber – wie alle anderen – die Fragen schriftlich.)

Daniel Föst, FDP:

"Wir wollen die Arbeitszeitgesetzgebung flexibilisieren, wie das auch auf europäischer Ebene der Plan ist. Ich bin dafür, statt der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeit mindestens eine wöchentliche Höchstarbeitszeit vorzugeben. Die aktuelle Regelung ist nicht praxistauglich. Sie geht sowohl an den Anforderungen der Arbeitswelt vorbei als auch am Wunsch vieler Arbeitnehmer, an manchen Tagen länger zu arbeiten und dafür an anderen kürzer. Übrigens, mehr Flexibilität bedeutet natürlich nicht automatisch mehr Arbeit, wie das in der Diskussion gerne behauptet wird."

Florian Pronold, SPD:

"Wir wollen ein Wahlarbeitszeitgesetz. Darin sollen die Rechtsansprüche der Beschäftigten, finanzielle Unterstützung in bestimmten Lebensphasen und Anreize für die Aushandlung betrieblicher Wahlarbeitskonzepte miteinander verzahnt werden. Beschäftigte sollen mehr Wahlmöglichkeiten bei ihrer Arbeitszeit und für ihren Arbeitsort erhalten, sofern betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen. Wichtig ist uns dabei die enge Abstimmung mit Gewerkschaften und Unternehmen."

Joachim Herrmann, CSU:

"Wir werden das Arbeitszeitrecht so modernisieren, dass die Tarifpartner zusätzliche Spielräume zur Flexibilisierung nutzen können, wie sie die europäische Arbeitszeitrichtlinie eröffnet, im Rahmen von Tarifverträgen. Alle in Betracht kommenden Instrumente, darunter auch der Einsatz von Lebensarbeitszeitkonten, wollen wir prüfen. Klar ist aber, das Arbeitszeitgesetz muss seine Schutzfunktion insbesondere für die Gesundheit der Arbeitnehmer auch unter veränderten Rahmenbedingungen erfüllen."

Claudia Roth, Die Grünen:

"Die Abschaffung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze lehnen wir Grüne ab – nicht zuletzt, da eine anhaltende Entgrenzung der Arbeitszeit nachweislich gesundheitliche und soziale Risiken für die Beschäftigten zur Folge hat. Zugleich wollen wir Grüne den Beschäftigten größere Zeitsouveränität ermöglichen, indem wir ihnen mehr Mitsprache über den Umfang und die Lage ihrer Arbeitszeit einräumen."

Klaus Ernst, Die Linke:

"Die Linke setzt sich für eine Begrenzung des Arbeitstages ein. Wenn Arbeitgeber mehr flexible Arbeitszeiten fordern, wollen sie bestimmen, wann gearbeitet wird und wann nicht, möglichst ohne Grenzen. Zu lange Arbeitszeiten schaden der Gesundheit und erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Maßstab für die Dauer und die Verteilung der Arbeitszeit sollten die Wünsche der Beschäftigten sein."

Und, wer hat Euch überzeugt?


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Kommentieren

Endsechziger, Freitag, 15.September 2017, 19:20 Uhr

17. Tja, schaun mer mal...

Vor allem junge Leute sind der Meinung, dass die Arbeitszeiten flexibler gestaltet werden. Und natürlich auch, dass man generell wenig jobben sollte, aber viel verdienen... Dieses Land geht mehr und mehr den Bach herunter. Egal, wie "verrückt" Sie mich halten, ich behaupte felsenfest, es wird keine 10 Jahre mehr bestehen, dieses Deutschland, wie wir Ollen es gestaltet haben.

PeterZä, Freitag, 15.September 2017, 19:00 Uhr

16. Die Linke hat überzeugt

Flexible Arbeitszeiten sind in vielen Berufen nur ein Euphemismus für Arbeit auf Abruf.
Der Arbeitnehmer muss planbare Zeiten haben um sein Privatleben und seine familiären Verpflichtungen zu koordinieren.
In Zeiten hohen Arbeitsaufkommens ist es selbstverständlich sein Arbeitspensum und die Arbeitszeit anzupassen, allerdings darf dies nicht dazu führen dass Arbeitnehmer in Zeiten geringeren Auftragsvolumens darunter leiden, dies ist das unternehmerische Risiko des Arbeitgebers, welches er durch Planung, Erfahrung und unternehmerischen Geschick minimieren muss.
Dafür wird er mit einer ordentlichen Rendite entlohnt, sollte dies nicht der Fall sein muss er leider seine Tätigkeit einstellen.

Die Gastronomie und Hotelerie ist ein passendes Negativbeispiel, es wird erwartet dass Man drei Stunden zum Früchstück, drei-vier Stunden zum Mittagstisch und abends mochmal 4 Stunden arbeitet.

  • Antwort von Hans Holtz, Freitag, 15.September, 19:29 Uhr

    Dass die Linken nichts von Wirtschaft verstehen, hat nicht nur das Scheitern der DDR gezeigt, sondern beweisen aktuell die Zustände in Nordkorea und auf Kuba. Aber immer wieder beruft man sich auf diese gescheiterten Weltverbesserer, wenn es um angebliche Verbesserungen für Arbeitnehmer geht. Ist doch klar, dass die Linken davon herum tönen, noch klarer, im Vorfeld der Wahl. Es war zu jeder Zeit ratsam, Kontrolle auszuüben. Stechkarte beim Arbeitsantritt und -austritt, ab und an Kontrollen durch den Chef, da hat man Klarheit, was die Beschäftigten leisten. Dabei ist natürlich egal, wann man anfängt. Wer absolut ungern aufsteht, der kann gern gegen 10 Uhr zur Firma schlendern, dafür halt bis spät abends. Ganz Unlustige müssen sich eben mit Teilzeit begnügen. Gibt man zu viel Vertrauen, setzt der Schlendrian ein. Obwohl ja das ganze System mittlerweile auf der Dummheit der Tüchtigen aufbaut...

Urska, Freitag, 15.September 2017, 16:07 Uhr

15. Am wirklichen Thema vorbei?

War nicht die Einführung der Agenda 2010 eine grosse Flexibilisierung des Arbeitsmarktes?
Ist nicht viel drängender die Frage zu klären wir die prekäre Beschäftigung wieder zumindest begrenzt werden kann, um vollwertige Arbeitsplätze zu schaffen und damit das Billiglohngeschäftsmodell auf ein erforderliches Maß zurückgedrängt werden kann?

Billiglöhner sind die zukünftigen Sozialleistungsempfänger und Altersarmut bedrohten. Flexibilität einzuführen war und ist vollkommen richtig. Gerade Klein -und Mittelstandsbetriebe brauchen dies ganz besonders. Allerdings daraus ein gesamtbelegschaftsbilliges Beschäftigungsmodell zu erlauben schlägt irgendwann barbarisch auf uns zurück. Ganze Branchen arbeiten bald nur noch mit Werkvertraglern und selbst Billigstairlines beschäftigen nach dieser Methode.

Unternehmen verlagern ihr Betriebsrisiko immer weiter auf Arbeitnehmer bzw. das was sie mal waren und schon alleine diese Auslagerung von Risiken müssten besser entlohnt werden.

Jörg F, Freitag, 15.September 2017, 15:37 Uhr

14. Es ist klar, was Arbeitgeber wollen

Mich überzeugt Herr Ernst! Flexibilität, auch spontan ist gesellschaftliche Wirklichkeit und gewollt. Über die Folgen wird zu wenig nachgedacht. Herr Ernst spricht an, was entgrenzte Arbeit heißt - Schaden an der Gesundheit, also Krankheit! Aber das ist noch nicht alles! Wie können familiäre Aufgaben verteilt und zuverlässig wahrgenommen werden, wenn nicht klar ist wielange gearbeitet wird, weil das Arbeitzeitende flexibel ist? Wie soll jemand z.B. ein Traineramt übernehmen, oder ein anderes Ehrenamt, wo Verlässlichkeit wichtig ist, wenn die Arbeitszeitgesetzgebung geöffnet und flexibilisiert wird und somit nicht mehr planbar ist?
Wenn Chefs nach Mehrarbeit fragen und eine Übernahme dieser Bitte im Betrieb üblich ist, werde ich mir als Angestellter es überlegen, ob ich mich dagegen wehre. Erwerbsarbeit ist wichtig! Aber für Familien, Gesundheit und Gesellschaft muss sie planbar und eingrenzbar bleiben.

  • Antwort von IH, Freitag, 15.September, 18:10 Uhr

    Volle Zustimmung!

    Das, was diese ... Person fordert, öffnet Tür und Tor für Ausbeutung und erpressung der Arbeitnehmer, grade im Niedriglohnsektor.

PS_ED, Freitag, 15.September 2017, 14:06 Uhr

13. Die ganze Arbeitswelt muss überdacht werden!

Was spricht dagegen, wenn die Arbeitnehmer selbst entscheiden, wie lange sie am Tag arbeiten? - Klar, der Druck der Gruppe, d.h. die Kollegen die mehr machen und damit prahlen (auch in negativ Form d.h. jammern)! Ich mache sound so viel, und was machst Du! Ein Chef spielt hier noch nicht die Rolle!

Ich bin für eine maximale Wochenarbeitszeit, die vomn Arbeitgeber festgelegt wird, der Angestellte kann dann entscheiden wie er die mind. Stundenanzahl in diesem Zeitrahmen erbringtm, und wenn er die Zeiten regelmäßig ausschöpft, dann muss es sein Wille sein und nicht der des Chefs, die kann man aber durchaus überprüfen, in dem sich das Ordnungsamt regelmäßig die Arbeitzeiten geben läßt und bei den "Auffälligen" ein persönliche Stellungnahme einholt!

D.h. wenn der Chef weiß, dass er von neutraler Seite kontrolliert wird, dann wird er kaum Druck ausübern!

  • Antwort von Praktiker, Freitag, 15.September, 14:42 Uhr

    Geniale Idee. Dass da noch niemand vor ihnen darauf gekommen ist?

    Ich gehe also morgens zum Bäcker und keiner ist da, weil der Bäcker keinen Boc, hatte um 02h aufzustehen?
    Die OP verschieben wir mal, weil der Anästhesist später kommt.
    Die Produktionsbänder bleiben stehen, weil der ITler erst morgen wieder da ist.
    Die Feuerwehr lässt halt mal was abbrennen, weil einige übermüdet waren.
    Die Polizei schützt kein Fußballspiel und lässt den Hooligans mal freien Lauf.
    Fernsehen fällt abends aus, weil beim Sender erst morgen wieder jemand arbeitet.
    Die Post kommt mal und mal dann eben nicht.

    Usw. und sofort

    Halten sie das wirklich für sinnvoll?

  • Antwort von Leo Bronstein, Freitag, 15.September, 15:42 Uhr

    @ PS_ED
    >Ich bin f. e. maximale Wochenarbeitszeit, die vomn Arbeitgeber festgelegt wird, d. Angestellte kann dann entscheiden wie er d. mind. Stundenanzahl in diesem Zeitrahmen erbringtm.<

    .
    Eine ausgezeichnete Idee.

    Dann könnten endlich in der Hotellerie am Samstag, wenn die meisten Ab- und Anreisen sind 89% der Arbeitnehmer frei nehmen,
    oder abends zwischen 16:00 und Geschäftsschluss 3/4 derjenigen, die eine Kasse bedienen können früher nach Hause,
    oder während des Caterings bei Parteitagen der sogenannten >SPD<, B'90/den Grünen und der Linken die Arbeitnehmer das wohlverdiente Wochenende genießen,
    ...

    Ihre Idee ist mindestens so clever, wie die Forderung von Anhängern einer bestimmter politischen Ideologie, Geld (in jeglicher Form) abzuschaffen und wieder zum Tauschhandel zurückzukehren.

  • Antwort von Jörg F., Freitag, 15.September, 15:48 Uhr

    Hmm was sie ansprechen sind psychodynamische Vorgänge in Kollegien und in Teams. Was sie nicht ansprechen sind die Vorgänge zwischen Vorgesetzten, dem einzelnen Angestellten und dem Team. Da passiert viel:
    -Der Wunsch des Chefs ist mir Befehl. Auch wenn ein Vorgesetzter etwas als Wunsch ausspricht, fällt es schwer sich dem zu entziehen.
    -Wenn eine Kultur in einem Team einzug gehaltenhat, ebenso
    Wir können uns solchen Vorgängen nicht entziehen, mit einer Lockerung der gesetzlichen Regelungen, steigt auch der Druck auf uns, dass wir mal (wegen einer Arbeitsspitze) bis 21:00 Uhr bleiben, obwohl eigentlich um 20:00 Uhr Feuerwehrübung wäre. Es steigt der Druck die Kinder doch bis 17:30 Uhr im Kindergarten anzumelden, obwohl klar ist dass sie bereits um 16:00 Uhr völlig durch sind und es ihnen reicht. Es steigt auf uns der Druck weiterzuarbeiten, obwohl wir eigentlich nur noch die Canapésüdwand herbeisehnen. Deshalb keine weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeitgesetzgebung.