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Marianne von Werefkin Man nannte sie den russischen Rembrandt

Marianne von Werefkin unterhielt in München nicht nur einen unter Intellektuellen und Künstlern gefragten Salon, sie brachte damit auch viele Talente auf den Weg. Dabei ging sie sogar so weit, ihre eigene Karriere zu vernachlässigen.

Stand: 14.12.2011 | Archiv

Jawlensky und Werefkin, 1909 | Bild: picture-alliance/dpa

Marianne von Werefkin war keine Frau für die goldene Mitte, sie lotete vielmehr die Extreme des Lebens aus - und das nicht freiwillig. Eigentlich fing es ganz traumhaft an: Sie wurde 1860 in eine russische Adelsfamilie geboren. Ihre Eltern erkannten das Talent ihrer Tochter schon in deren Kindheit und förderten diese künstlerische Begabung ganz gezielt. Mit 20 bekam Werefkin Privatunterricht bei dem bedeutendsten realistischen Maler Russlands, Ilja Repin.

Malen und malen lassen

Der erste Schicksalsschlag traf Werefkin mit 28. Bei der Jagd schoss sie sich aus Versehen in die rechte, die pinselführende Hand und verlor den Mittelfinger. Doch Werefkin malte weiter und das mit solchem Erfolg, dass es ihr bald den Beinamen "russischer Rembrandt" eintrug.

So sah Gabriele Münter die Malerin Werefkin und deren Gefährten Jawlensky

1892, Werefkin ist 32, freundete sie sich mit Alexej Jawlensky an, der ein paar Jahre jünger war als sie und damals noch am Anfang seiner künstlerischen Karriere stand. Sie bildete ihn weiter aus, unterstütze und förderte ihn. Als Werefkins Vater 1896 starb, erbte sie eine stattliche Pension und zog mit Jawlensky nach München. Die beiden siedelten nicht allein um, das neunjährige Dienstmädchen Helene kam mit und wurde erst Jawlenskys Modell und schließlich seine Geliebte. 1902 kam der gemeinsame Sohn Andreas zur Welt, den Jawlensky und Werefkin aus rechtlichen Gründen zunächst als Jawlenskys Neffen ausgaben. Werefkin, die in Jawlensky die große Liebe gefunden zu haben glaubte, hatte ihre eigene Malerei zehn Jahre lang komplett aufgegeben, um sich um seine Ausbildung zu kümmern. Aber Jawlensky war und blieb zeitlebens ein Schwerenöter, was Werefkin ihm zwar immer wieder nachsah, aber daran immer mehr zerbrach.

"Aufrichtig muß das Kunstwerk sein, manchmal von einer naiven Aufrichtigkeit, meistens aber von einer gewollten und bewußten Aufrichtigkeit. Diese Aufrichtigkeit ist es, die uns die Waffen gegen die Tradition der Schule ergreifen läßt."

(Marianne von Werefkin, 1903)

Der Salon der "Giselisten"

Doch es gab ja noch die Kunst. Während ihrer Zeit in München, wo Werefkin und Jawlensky in der Schwabinger Giselastraße wohnten, unterhielt Werefkin einen Salon, der bald namhafte Künstler und Intellektuelle anlockte - denn nicht nur galt Werefkin als außerordentlich kluge und belesene Gastgeberin, hier wurde über Kunst diskutiert wie nirgends sonst in der Stadt. 1906 begann Werefkin wieder zu malen. Sie brachte mit ihrem Salon schließlich die "Neue Künstlervereinigung München (NKVM)" auf den Weg, deren Vorsitz Wassily Kandinsky übernahm. Mit Kandinsky und Gabriele Münter hatten sie und Jawlensky sich schon zu Beginn ihrer Münchner Zeit angefreundet. 1910 trat Franz Marc der NKVM bei, ein Jahr später gründeten sie den "Blauen Reiter" und organisierten bis 1912 zwei große Ausstellungen.

Ein Ende in Armut

Masken im Dorf, 1925

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs emigrierten Werefkin und Jawlensky in die Schweiz, 1917 wurde Werefkins (zaristische) Pension gesperrt. Die Münchner Wohnung lösten sie 1920 auf, Werefkin lebte zu diesem Zeitpunkt bereits in Ascona. Jawlensky zog nach Wiesbaden, wo er 1922 Helene heiratete. Werefkin, inzwischen verarmt, malte weiter, schenkte viele ihrer Werke der Stadt Ascona. Als sie 1938 starb, erschien fast die komplette Einwohnerschaft zur Beerdigung.


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