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HNO Zusammenhang von Schwerhörigkeit und Demenz

HNO-Arzt Dr. Thomas Meier-Lenschow erklärt, ob Schwerhörigkeit ein Vorbote einer beginnenden Demenz sein könnte.

Stand: 14.10.2019

Ein Mann trägt ein Hörgerät. | Bild: picture-alliance/dpa/Alexander Heinl

Demenz bedeutet ein Nachlassen kognitiver Leistungen. Sie betrifft alle Funktionen des täglichen Lebens, beginnt meist schleichend und schreitet über die Jahre fort. Diese Erkrankung tritt im höheren Lebensalter auf, in der Gruppe der über 90jährigen liegt die Erkrankungsrate bei gut 40 Prozent. Bis zum Jahr 2050 steigt die Zahl der Dementen wahrscheinlich um das Dreifache.

Hörstörungen treten ebenfalls altersabhängig auf. Die Hörschwelle fällt vor allem in den hohen Frequenzen ab dem Alter von 50 Jahren kontinuierlich ab. Im Alter von 70 Jahren lässt sich ein durchschnittlicher Hörverlust im Hochtonbereich von gut 30 dB messen.

Die Hörbeeinträchtigung führt aufgrund der reduzierten Hör- und Verstehens-Stimulation des Gehirns zu einem Abbau von Nervenbahnen und deren Verknüpfung. Im Kernspintomogramm kann man die Reduktion des Hirnvolumens vor allem im seitlichen Anteil erkennen: In diesem Temporallappen sind Funktionen wie das Verstehen gesprochener Sprache, die Erkennung der Wortbedeutung sowie die Integration verschiedener sensorischer Leistungen beheimatet. Die Einschränkung dieser Leistungen betrifft direkt und indirekt unsere intellektuelle Leistungsfähigkeit.

Schlechtes Sprachverstehen benötigt zum Ausgleich erhöhte Reserven des Gehirns. Viele Schwerhörige müssen Sinn und Zweck der an sie gerichteten Sätze "innerlich" ergänzen.

Dieser Verbrauch von Ressourcen geht zulasten anderer kognitiver Leistungen wie z. B. dem Arbeitsgedächtnis. Somit besteht die Gefahr, dass Leistungsreserven überlastet oder fehlbelastet werden.

Die Risikofaktoren für beide Erkrankungen sind teils gleich, teils unterschiedlich, überschneiden sich aber in vielen Bereichen:

Risikofaktoren für Hörstörungen sowie für Demenz

  • unbehandelter Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Fettleibigkeit
  • Rauchen
  • soziale Faktoren wie z. B. fehlende Kontakte zu anderen Menschen und soziales Engagement

Risikofaktoren für Hörstörungen

  • genetische Faktoren
  • Umwelteinflüsse wie z. B. Lärm

Risikofaktoren für Demenz

  • schlechter Schulbildung
  • zu wenig Bewegung und Sport
  • Depression

Schwerhörigkeit

Aufwändige medizinische Studien haben in den letzten 10 Jahren die Schwerhörigkeit als unabhängigen Risikofaktor für Demenz festgestellt. Bei hochgradiger Schwerhörigkeit steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Demenz um das Fünffache.

Schlechtes Hören ist zwar ein unabhängiger Faktor für die Entwicklung einer Demenz - aber eben nur ein Faktor unter vielen anderen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass gut 30% der Demenzerkrankungen durch die präventive oder begleitende Therapie von den bekannten Risikofaktoren (s. o.) verhindert werden könnten.

Somit wäre es fahrlässig, einen gut beeinflussbaren Faktor wie das schlechte Hören nicht zu behandeln - zumal mit moderner Hörgerätetechnologie gute Hilfsmittel dafür zur Verfügung stehen.

Auch die Versorgung bereits an Demenz und Schwerhörigkeit erkrankter Personen mit Hörgeräten verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit, da Hirnreserven für andere Funktionen freigemacht werden.

Es ist eindeutig empfehlenswert, beeinträchtigende Hörstörungen zeitnah mit Hörgeräten oder ggf. hörverbessernden Operationen zu behandeln - auch in Hinblick auf die Entwicklung einer Demenz.


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