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Allgemeinmedizin Gürtelrose - wenn die Windpocken wiederkommen

Wer als Kind Windpocken hatte weiß, wie unangenehm das sein kann. Noch schlimmer ist es allerdings meist, wenn das Virus nach Jahrzehnten erneut ausbricht und zwar als sogenannte Gürtelrose - eine Krankheit, die nicht zu unterschätzen ist. Allgemeinarzt Dr. Klaus Tiedemann klärt über den Krankheitsverlauf, mögliche Komplikationen und Therapiemöglichkeiten auf. Zudem gibt er Tipps, für wen eine Impfung sinnvoll ist.

Stand: 21.03.2022 17:51 Uhr

Die Gürtelrose (Herpes Zoster) tritt in der Regel im höheren Lebensalter auf und wird durch das Varizella-Virus hervorgerufen, den Erreger der Windpocken, der zur Familie der Herpesviren zählt. Die hoch ansteckenden Viren werden per Tröpfcheninfektion übertragen und gelangen über die Schleimhäute in den Körper.
Nach (in der Regel in der Kindheit) überstandener Windpockeninfektion verbleibt das Windpockenvirus in einem "schlafenden" Zustand im Organismus: Es zieht entlang der Nervenbahnen zu den Nervenknoten des Rückenmarks und nistet sich in den sogenannten Spinal-Ganglien sowie den Ganglien der Hirnnerven ein. Die Betroffenen bemerken davon nichts.  
Es können Jahrzehnte vergehen, bis das Virus wieder aktiv wird. Die Viren wandern dann entlang der Nervenbahnen wieder an die Körperoberfläche zurück, vermehren sich und verursachen das Krankheitsbild Gürtelrose. Daher ist die Gürtelrose keine klassische Infektionskrankheit, sondern eine Reaktivierung des Varicella-Zoster-Virus.

Auslöser der Gürtelrose

Nicht jeder, der einmal Windpocken hatte, bekommt später eine Gürtelrose. Besonders häufig sind Menschen betroffen, bei denen das Immunsystem geschwächt oder geschädigt ist. Folgende Faktoren können eine Reaktivierung der latenten Viren begünstigen:

  • altersbedingte Immunschwäche (mit dem Alter wird das Immunsystem schwächer)
  • Immuninfekte (beispielsweise HIV-Infektion)
  • schwere Infektionen (beispielsweise Influenza oder Corona)
  • starke psychische Belastungen oder negativer Stress
  • Einnahme von Medikamenten, die das Immunsystem schwächen (beispielsweise Chemotherapie)

Gürtelrose trotz Windpocken-Impfung

Auch Patienten, die gegen Windpocken geimpft sind, können Gürtelrose bekommen. Das kommt allerdings weitaus seltener vor als bei Patienten, die eine Windpockeninfektion durchgemacht haben.

Symptome der Gürtelrose

  • Bei einer Reaktivierung des Varicella-Zoster-Virus treten häufig Schmerzen an den Stellen auf, deren Nervengewebe entzündet ist. Einige Betroffene leiden kurz vor dem eigentlichen Krankheitsausbruch an Rücken- oder Zahnschmerzen. Jucken, Kribbeln und Berührungsempfindlichkeit sind ebenfalls häufig.
  • Diese ersten Anzeichen können von einem allgemeinen Unwohlsein, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und leichtem Fieber begleitet sein.
  • Im weiteren Verlauf kommen Brennen und starke Schmerzen am betroffenen Hautbereich dazu.
  • Zwei bis drei Tage nach den ersten Anzeichen sieht man leicht gerötete Stellen, die im weiteren Verlauf Knötchen und dann Bläschen bilden. Die Bläschen füllen sich mit einer klaren oder weißen, eitrigen Flüssigkeit, die hoch ansteckend ist. Meist tritt Gürtelrose streifenförmig, einseitig im Bereich des Rumpfes oder Brustkorbes auf. Gelegentlich können auch Arme, Beine, Augen, Gehörgang, Genitalien oder das gesamte Nervensystem betroffen sein.

Tipp: Nicht kratzen

Die Bläschen sollten wie bei Windpocken nicht aufgekratzt werden, damit keine bakteriellen Entzündungen auftreten und Narben zurückbleiben. Außerdem ist die Flüssigkeit hochansteckend.

Krankheitsverlauf von Gürtelrose

Gürtelrose heilt normalerweise - wie die Windpocken - nach zwei bis vier Wochen ab. Aber es kann auch zu Komplikationen kommen:

  • Sind die Gesichtsnerven befallen, kann das zu vorübergehenden Lähmungserscheinungen oder dem Verlust des Geschmackssinns führen.
  • Sind die Augen betroffen, kommt es häufig zu einer Entzündung der Binde- und der Hornhaut, selten auch des Sehnervs. Vernarbt die Hornhaut, kann eine teilweise oder vollständige Erblindung die Folge sein!
  • "Zoster oticus" bezeichnet einen Befall des Gehörgangs: Mögliche Folgen sind hier Schwerhörigkeit und Störungen des Gleichgewichtssinnes. Unbehandelt können dauerhafte Hörbeeinträchtigungen oder gar Taubheit die Folge sein.
  • Ein Befall des gesamten Nervensystems ("Zoster generalisatus") kann lebensbedrohlich sein, tritt aber üblicherweise nur bei starker primärer Schwächung des Immunsystems auf (beispielsweise bei HIV, Leukämie oder anderen Krebs-Formen).
  • Zu den Komplikationen gehören auch Hirnhaut-, Hirngewebe- und Rückenmark-Entzündungen (Zoster-Meningitis, Zoster-Enzephalitis und Zoster-Myelitis).
  • In einigen Fällen bestehen die teilweise starken Schmerzen auch nach Abheilen der Bläschen weiter und breiten sich häufig in benachbarte Hautregionen aus: diese sogenannte Post-Zoster-Neuralgie ist auf einen Nervenschaden zurückzuführen.

Behandlung einer Gürtelrose

  • Als Medikamente werden verschiedene sogenannte Virostatika (Virus-inaktivierende Medikamente) eingesetzt.
  • Bei starken Schmerzen werden zusätzlich Schmerzmittel verabreicht.
  • Desinfizierende Puder verhindern eine Infektion der Bläschen und lindern den Juckreiz.
  • Zusätzlich kommt häufig Kortison zum Eindämmen der Entzündungsreaktion zur Anwendung.

Bei Gürtelrose möglichst schnell zum Arzt

Eine frühzeitige Behandlung ist sehr wichtig, um Folgeschäden zu vermeiden. Mögliche entstandene Nervenschäden können nämlich nicht mehr behoben werden. Eine Therapie der Gürtelrose sollte daher am besten spätestens innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten der Hautveränderungen begonnen werden, beziehungsweise so lange noch frische Bläschen vorhanden sind. Wenn Sie nach Abheilung der Gürtelrose anhaltende Schmerzen haben, suchen Sie unbedingt einen Neurologen auf: Je früher die Schmerzsymptome behandelt werden, desto höher sind die Heilungschancen.

Ansteckungsgefahr durch Gürtelrose

Gürtelrose ist extrem ansteckend, allerdings nur für Personen, die noch keine Windpocken hatten oder nicht gegen das Virus geimpft sind. Die Ansteckung führt dann zunächst zu einer Windpockeninfektion.
Erst wenn die Bläschen ausgetrocknet sind und die Krusten abgefallen sind, besteht keine Ansteckungsgefahr mehr.

Impfung gegen Gürtelrose

Schätzungen zufolge bekommen etwa 20 Prozent der Patienten, die Windpocken hatten, später eine Gürtelrose.
Zur Vorbeugung von Gürtelrose empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) daher allen Patienten über 60 sowie chronisch Kranken ab 50 eine Impfung. Die Impfung mit dem Totimpfstoff besteht aus zwei Impfungen im Abstand von zwei bis sechs Monaten.
Die Kosten für die Impfung werden von den Krankenkassen übernommen.

Bleiben Sie gesund! Ihr Dr. Klaus Tiedemann und "Wir in Bayern"


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