Buchtipps Neuerscheinungen von der Leipziger Buchmesse
Vom 27. bis 30. April 2023 fand wieder die Leipziger Buchmesse statt. Buchhändlerin Sabine Abel hat unter den zahlreichen Neuerscheinungen, die auf der Messe vorgestellt wurden, ihre sechs Favoriten ausgewählt. Da ist sicher für jeden Geschmack etwas dabei, auch für Kinder und Jugendliche. Wir verlosen jedes Buch einmal. Machen Sie mit! Die Verlosung läuft bis morgen, Dienstag, den 2. Mai um 6.00 Uhr.

Roman: Der gemeine Lumpfisch von Ned Beauman
"Den Lumpfisch, der im Mittelpunkt des neuen Romans von Ned Beauman steht, gibt es tatsächlich. Man kennt ihn auch unter dem Namen Seehase. Er lebt in der Ostsee und ist ein eher unansehnliches Tier. Er ist ein sogenannter Putzerfisch, befreit also größere Fische von Parasiten.
Die Geschichte spielt in einer nahen Zukunft. Der Klimawandel ist weit fortgeschritten und das Artensterben ein Riesenproblem. Vergleichbar mit den uns bereits bekannten Klimazertifikaten werden nun auch Zertifikate für ausgerottete Tierarten verkauft.
Große Konzerne können sich diese Zertifikate kaufen, wenn sie den Lebensraum einer Tierart vernichtet haben. Die ausgestorbene Tierart wird dann mit Hilfe von Genomdaten und Gewebeproben in einer Biobank erfasst und der Konzern ist von jeder Schuld befreit. Der Preis beziehungsweise die Anzahl der benötigten Auslöschungszertifikate, richtet sich nach der bescheinigten Intelligenz der Tierart. Je intelligenter die Art, desto teurer die Zertifikate. Die Lumpfisch-Expertin und Artenschützerin Karin Resaint hat dem Lumpfisch gerade eine außergewöhnlich hohe Intelligenz bescheinigt, als ein Unternehmen, das Tiefseebergbau betreibt, aus Versehen die letzten verbliebenen Lumpfische ausgerottet hat. Der Preis für die Lumpfischzertifikate geht durch die Decke, was wiederum ein großes Problem für Mark Halyard darstellt, der als Umweltverträglichkeitskoordinator für die Firma arbeitet. Für ihn gibt es nur eine Lösung: Er muss einen Lumpfisch auftreiben und so beweisen, dass sein Unternehmen diese Tierart nicht ausgelöscht hat.
Auch Karin Resaint will unbedingt einen letzten Lumpfisch finden. Sie hält das Tier für schlau genug, um mit dessen Hilfe einen perfiden Racheplan umzusetzen. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche.
Dieser Roman ist ein wahres Feuerwerk an absurden Ideen und schrägen Einfällen. Die Geschichte ist rasant, witzig und hat ein hohes Drehmoment. Nichtsdestotrotz bekommen wir keine rosige Zukunft serviert. Klimawandel, Artensterben, die Schere zwischen Arm und Reich – all das nimmt Ned Beauman auf und entwirft dabei ein komplexes Bild unserer nahen Zukunft. Manchmal weiß man wirklich nicht mehr, ob man lachen oder doch lieber weinen soll. Großartig!"
Roman: Kochen im falschen Jahrhundert von Teresa Präauer
"Die Hauptfigur in Teresa Präauers neuem Roman bleibt, wie alle anderen Figuren auch, namenlos. Sie wohnt noch nicht lange in ihrer neuen Wohnung und hat zum ersten Mal Freunde zum Abendessen eingeladen. Der Abend soll perfekt werden. Dafür hat sie Kochbücher studiert, Einladungskarten gedruckt und frische Wiesenblumen auf dem langen Holztisch arrangiert. Zwar ist die Wohnung noch nicht ganz fertig möbliert, doch schon jetzt sieht man überall den ausgesuchten Geschmack der Gastgeberin. Man findet Fundstücke vom Flohmarkt, gekonnt kombiniert mit Designermöbeln und Antiquitäten. Die Partygesellschaft besteht aus ihrem Partner, der sich mehr für sein Smartphone als für sie interessiert, einem befreundeten Paar, das das erste Mal seit der Geburt des Babys wieder abends unterwegs ist, und einem Freund aus der Schweiz, dessen sehr junge neue Freundin leider keine Zeit hatte. Soweit die Ausgangssituation.
Die Freunde trinken Crémant, im Hintergrund läuft Jazzmusik, sie unterhalten sich über Reisen, Kunst, Kultur, Restaurants, coole Geschäfte, Streamingdienste und gefeierte Serien. Diese Gespräche sind sehr oberflächlich, einstudiert und schon tausendfach erprobt.
Sie geben sich weltoffen, belesen, informiert, wohlhabend und betont locker.
In Wahrheit sind jedoch alle Figuren verkrampft und spießig bis auf die Knochen. So auch die Gastgeberin, die zwar sehr freundlich tut, in Wirklichkeit aber nur Angst um ihren Tisch und Teppichboden hat und immer wieder besorgt ist über die Gesprächsbeiträge ihres Partners. Ganz nebenbei und mit steigendem Alkoholpegel werden die Themen schwieriger, nicht mehr ganz so unverfänglich, Dramen bahnen sich an. Als dann noch unangemeldet Gäste auftauchen, Freunde des Ehepaars, wird der Abend endgültig schräg.
Immer wieder streut Teresa Präauer Zutatenlisten, Songtitel und Erinnerungen der Gastgeberin an früherer Feste in ihrer WG und besondere Speisen auf ihren Reisen ein. Waren die Zeiten früher besser?
Teresa Präauer liefert in ihrem Roman gleich drei Varianten dieses Abends. Los geht es mit der Idealfassung und mit jeder neuen Variante wird der Abend lauter, skurriler und schriller, werden die Hemmungen und Fassaden mehr und mehr fallen gelassen.
Dieser Roman, beinahe ein Kammerspiel, ist eine großartige Satire auf unsere Gesellschaft. Was darf man sagen, denken, tun? Was nicht? Das Bedürfnis, immer politisch korrekt, auf dem neusten Stand zu sein, bloß keinen neuen Trend zu versäumen, alles jederzeit in den sozialen Medien kundzutun, ist bezeichnend für die Figuren des Abends. Am besten haben mir die witzigen Dialoge gefallen und der Zynismus mit dem uns die Autorin letztlich den Spiegel vorhält."
Krimi: Fünf Winter von James Kestrel
"Die Geschichte beginnt 1941. Der Protagonist John Mc Grady ist Detektiv beim Honolulu Polizeidepartment. Früher hat er bei der US-Army seinen Dienst geleistet. Eines Tages wird er mit den Ermittlungen zu einem grausamen Doppelmord beauftragt. Es stellt sich bald heraus, dass eines der Mordopfer der Neffe des Oberbefehlshabers der amerikanischen Pazifikflotte ist. Aber wer ist das zweite Opfer, eine junge Frau mit japanischen Gesichtszügen? War sie die Geliebte des jungen Soldaten? Für Mc Grady ist klar, dass es sich hier um ein geplantes Verbrechen handelt und es mehrere Täter gewesen sein müssen. Welche Rolle spielen die politischen Entwicklungen, die sich Anfang der Vierzigerjahre mitten im Zweiten Weltkrieg anbahnen? Eine Spur führt den Ermittler nach Hongkong, wo sich der Hauptverdächtige aufhält.
Doch noch bevor Mc Grady die Chance hat, den Mann zu verhaften, greifen die Japaner Hongkong an, erobern die Stadt, verhaften Mc Grady und verschleppen ihn nach Tokio. Als potenzieller Spion droht ihm die Todesstrafe. Zunächst wird er in einem Lager für Kriegsgefangene untergebracht, wo er auf sein Urteil warten muss.
Dann taucht plötzlich der Diplomat Takahashi Kansei, ein heimlicher Gegner der offiziellen japanischen Kriegspolitik, auf und rettet den Polizisten aus der Gefangenschaft. Er und seine Tochter Suchi verstecken Mc Grady in ihrem Haus am Stadtrand.
Die Jahre vergehen und der ungelöste Fall bleibt der ständiger Begleiter Mc Gradys. Nach Japans Kapitulation kann der totgeglaubte Polizist nach Hawaii zurückkehren und nimmt nach nunmehr fünf Jahren die Ermittlungen wieder auf – ganz und gar nicht im Sinne seiner Vorgesetzten.
Dieser Krimi ist ein grandioser Roman. Neben der eigentlichen Klärung des Falls geht es um politische Entwicklungen und Spionage in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. James Kestrel erzählt die Geschichte eines Mannes, der bis zuletzt an Gerechtigkeit glaubt und sich durch nichts und niemanden von seinem Weg abbringen lässt. Und dazu wird noch eine wunderschöne Liebesgeschichte erzählt."
Bilderbuch: Der Schnilf von Kay Kender
"Der Schnilf ist ein kleines Wesen, das im Wald lebt und einen Pilzhut trägt. Er ist ein lieber, witziger Kerl, der für alles und jeden viel Zuneigung, Freundlichkeit und Liebe übrig hat. Für seinen Freund, den coolen Igel, der die Schuhe immer verkehrtherum trägt, zum Beispiel. Oder für die schöne Linde, die nach Spätsommernächten duftet. Mit jeder Person oder jeder Sache, die der Schnilf in sein Herz schließt, wird seine Liebe immer größer und der Schnilf immer glücklicher.
Doch dann geschieht das Unerwartete: Zu seinem großen Entsetzen ist die Liebe plötzlich weg. Wo ist sie hin? Warum ist sie weg? Der Schnilf denkt nach. Vielleicht ist sie weg, weil der Fichtenkirchner-Ferdi ihm gesagt hat, dass er ihn nicht mag? Oder weil sich die Sonne hinter einer Wolke versteckt hat, genau in dem Moment, als der Schnilf in den See hüpfen wollte? Oder weil er nicht zu einem Fest eingeladen wurde, zu dem alle anderen eingeladen wurden?
Was auch immer der Grund dafür ist, ohne die Liebe wird es dunkel und der Schnilf immer trauriger und trauriger. So traurig, dass er nicht mal mehr aufstehen mag. Sogar seine Lieblingstorte schmeckt ihm nicht mehr.
Glücklicherweise hat der Schnilf aber viele Freunde, die sich jetzt um ihn kümmern und dafür sorgen, dass die Liebe zurückkommt. Die Waldwissenschaftlerin Cato die Ältere und ihre Helfer geben dem Schnilf einfach ein bisschen was von ihrer Liebe ab und schon geht es ihm wieder besser. Sogar der Fichtenkirchner-Ferdi hilft mit!
Dieses Bilderbuch ist mehr als nur eine schöne, lustige Vorlesegeschichte. Die wunderschön gezeichneten Bilder und die oft schrägen Charaktere machen das Buch zu einer leichten, witzigen Lektüre für die Kleinen. Trotzdem geht es aber um das Thema Traurigkeit und das Gefühl, ganz allein zu sein. Diesen Zustand kennen Menschen aller Altersklassen und dieser muss immer ernst genommen werden, egal ob man erwachsen ist oder im Kindergartenalter. Genau das gelingt Kay Kender."
Jugendbuch: Unsere Zukunft flirrt am Horizont von Adriana Popescu
"Simon, Lia und Marcin sind drei Jugendliche, die alle in einem Seniorenheim Sozialstunden leisten müssen. Die drei könnten unterschiedlicher gar nicht sein. Simon, der nette Bub von nebenan, immer ein Lächeln auf den Lippen, immer freundlich. Lia, bei der es scheint, sie könnte kein Wässerchen trüben. Und Marcin, der coole Typ, der niemanden an sich heranlassen will, immer distanziert und manchmal fast ein wenig angsteinflößend wirkt. Auch die Gründe, warum die drei im Seniorenheim ´Schattige Pinie´ gelandet sind, sind sehr verschieden. Simon hat in Partylaune und stark alkoholisiert seinen alten Lieblingsspielplatz abgefackelt. Lia hat ein Auto geklaut und damit eine Massenkarambolage verursacht. Nur bei Marcin lässt uns die Autorin etwas länger im Ungewissen. Klar ist nur, dass Marcin bei seinem Vater lebt, der in Nachtschichten arbeitet und ein offensichtliches Alkoholproblem hat. Marcin fürchtet ihn wegen seiner brutalen Wutausbrüche.
Als sie sich in der ´Schattigen Pinie´ das erste Mal über den Weg laufen, haben alle drei sofort ein fertiges Bild der jeweils anderen im Kopf. Sie verstehen sich nicht besonders gut. Doch so einfach wie es scheint, sind die Geschichten der drei nicht. Es dauert nicht lange und sie kommen sich doch näher und die Sozialstunden werden auf gewisse Weise auch zu Gesprächsstunden. Sie erzählen sich viel von dem, was zu ihren Straftaten geführt hat. Zarte Bande werden geknüpft. Freundschaft und vielleicht sogar noch ein wenig mehr? Auch die alten Menschen im Heim haben ein offenes Ohr für die Jugendlichen und den ein oder anderen Rat parat.
Andrea Popscu erzählt diese Geschichte aus drei Perspektiven. Jede der Hauptfiguren darf ihre Sicht auf die Geschehnisse darstellen. Das macht den Roman lebendig und die recht kurzen Kapitel sorgen dafür, dass junge Leser und Leserinnen immer am Ball bleiben. Die Lebensgeschichten von Simon, Lia und Marcin sind beeindruckend, manchmal sehr traurig und tragisch. Trotzdem streut die Autorin viele lustige Episoden mit ein und schafft es, dass man nach dem Ende der Geschichte ein hoffnungsvolles Lächeln auf den Lippen hat. Echte Freundschaften sind einfach mit das Wichtigste im Leben."
Sachbuch: Die Vermessung der Berge von Blandine Pluchet
"Blandine Pluchet ist eigentlich Physikerin. Von ihr sind bereits mehrere Bücher zum Thema Astronomie erschienen.
Neben der Physik hat die Autorin aber noch eine weitere Leidenschaft: Berge. Sobald sich ihr die Möglichkeit bietet, ist sie in den Alpen unterwegs, mit Familie, Freunden oder auch allein. Mit ihrem neusten Buch hat sie dieser Leidenschaft nun auch literarisch ein Zeichen gesetzt.
Sie beschreibt ihre Faszination für das Bergsteigen, aber auch die Faszination für das, was sie dabei umgibt. Gesteinsformationen und besondere Landschaften sieht sie auch immer unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten.
Wie entstehen Gesteinsmassive? Welche Naturgewalten müssen wirken, damit sich Bergmassive bilden? Auf welche Weise beeinflussen die Alpen unser Wetter und das Klima?
Auch einen Blick ins ferne Weltall, den Kosmos, dürfen wir beim Lesen werfen und erfahren viel darüber, wie zum Beispiel Satellitenbilder den Wissenschaftlern bei der Entschlüsselung der Rätsel um die Gesetze unserer Erde helfen können.
Was verraten Berge über die Geschichte der Erde und was erzählen sie über ihre Zukunft? Bei all den wissenschaftlichen Betrachtungen kommt aber auch Blandine Pluchets persönliche Sicht nie zu kurz. Nicht selten schweift sie bei ihren Ausführungen und Erklärungen ab und das Buch bekommt fast schon philosophische Züge.
Dieses Buch ist ideal für alle, die sich gerne in den Bergen aufhalten, Wanderfreunde und Naturliebhaber, die schon immer etwas mehr über die geologischen und geographischen Phänomene wissen wollten. Besonders schön sind die Zeichnungen, die auf wunderbare Weise den Text auflockern. Dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk."
Neuerscheinungen von der Leipziger Buchmesse
Leider zu spät, die Aktion ist beendet. Aber schauen Sie bald wieder vorbei, wir rufen regelmäßig zum Mitmachen auf.
Viel Spaß beim Lesen wünschen Sabine Abel und "Wir in Bayern"!