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Buchtipps Spannende Sachbücher für den Sommer

Wer für die Hängematte, den Urlaub oder Sommerabende auf dem heimischen Balkon noch interessante Buchtipps braucht, dem empfiehlt Buchhändlerin Sabine Abel in unserer Reihe "Sommerlektüre" diesmal vier neu erschienene Sachbücher. Sie handeln von den Olympischen Spielen 1972 in München, einer Psychotherapeutin, unserem Konsumverhalten und der Nachtigall. Da finden Sie bestimmt einen Favoriten…

Published at: 5-7-2022

Lesen auf dem Balkon.  | Bild: Colourbox

Markus Brauckmann/Gregor Schöllgen: München 72. Ein deutscher Sommer

Der Sommer 1972 war für die Stadt München ein ganz besonderer. Es sollten die Olympischen Sommerspiele in der Stadt stattfinden, 36 Jahre nach den Spielen unterm Hakenkreuz. Deutschland und München wollten der Welt zeigen, dass diese Zeiten vorbei sind, wollten sich weltoffen, voller Lebensfreude und Leichtigkeit zeigen. Das Image, das Deutschland in der Welt immer noch hatte, sollte mit diesen Spielen ein für alle Mal ausgemerzt werden.
In der Stadt wurde modernisiert, es entstand die U-Bahn und das großartige Olympiagelände wurde auf Schuttbergen aus dem Zweiten Weltkrieg gebaut. Das Maskottchen war ein bunter Dackel. Er und zahlreiche junge Hostessen sollten die Welt in München willkommen heißen und durch die Stadt führen.
Und die ersten zehn Tage dieser Olympischen Spiele schienen genau so zu verlaufen, wie es sich Veranstalter, Publikum und Sportler gewünscht hatten. Die Welt war zu Gast in der Stadt und amüsierte sich prächtig. Weniger sportlicher Ehrgeiz, eher ausgelassene Feiern, Partys und viele spannende Begegnungen prägten den Anfang.
Doch dann kam der elfte Tag der Olympischen Spiele und das Blatt wendete sich dramatisch. Mitglieder einer palästinensischen Terrorgruppe stiegen über den Zaun des Geländes und töteten zwei Sportler des israelischen Teams, neun weitere wurden zu Geiseln. Weshalb so etwas passieren konnte, ist eines der Themen, mit denen sich der Autor auseinandersetzt. Wurden Sicherheitsaspekte zu locker angegangen? Bei der drauffolgenden Rettungsaktion wurden die Geiseln, die Terroristen und ein Polizist getötet. Was bunt, offen und mit so viel Freude begann, endete im Drama.

München 72. Ein deutscher Sommer

Sabine Abel: "Markus Brauckmann und Gregor Schöllgen erzählen die Geschichte der Olympischen Spiele 1972 und der Geschehnisse drum herum chronologisch. Deswegen stehen in den ersten Kapiteln die fröhlichen Spiele, die Begeisterung einer ganzen Nation und die Athleten aus 122 Ländern, die zusammen feiern und die Stadt erkunden, im Mittelpunkt. Erst dann geht Brauckmann auf das Attentat, die Entscheidungen der Offiziellen und das offensichtliche Versagen der Organisatoren ein. So bekommt man endlich einen umfassenden Blick auf dieses Jahrhundertereignis in München, das leider den meisten nur durch seine Tragik in Erinnerung geblieben ist."

Lori Gottlieb: Vielleicht solltest du mal mit jemandem drüber reden

Lori Gottlieb betreibt seit vielen Jahren selbst eine Praxis für Psychotherapie. In diesem Buch nimmt sie uns mit dorthin und stellt sich und uns die Frage: Was macht eine gute Psychotherapie aus? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, lernen wir nach und nach verschiedene Patienten und ihre Geschichten kennen. Zum Beispiel John, der sich seiner Therapeutin gegenübersetzt und ihr erklärt, dass er diesen Besuch sieht, wie den bei einer Prostituierten. Er lädt seinen Frust ab und bezahlt dafür Geld. Oder eine junge Frau die 45 Minuten kein Wort herausbringt, weil sie permanent von Weinkrämpfen geschüttelt wird. Oder eine Frau Mitte dreißig, die ihre Krebserkrankung besiegen will und dafür therapeutische Unterstützung sucht.
Beim Lesen wird man unmittelbar in die Gefühlslagen der Patienten hineingezogen und hat dabei trotzdem einen unverstellten Blick auf das, was in der Therapeutin vor sich geht. Jede Gefühlslage und jede Empfindung, die beim Besuch bei der Therapeutin erfahrbar werden, wird für den Leser spürbar. Abneigung, Abwehr, Wut und Traurigkeit, aber auch immer wieder die Hoffnung, dass es das Leben doch gut mit einem meint.
Doch auch Therapeutinnen selbst brauchen in gewissen Situationen Unterstützung. Als die Autorin selbst in einer tiefen Beziehungskrise steckt, sucht sie Rat bei einem Kollegen. Plötzlich steht sie und damit auch der Leser auf der anderen Seite. Auch diese Erfahrungen teilt Lori Gottlieb mit uns.

Vielleicht solltest du mal mit jemandem drüber reden

Sabine Abel: "Letztendlich wird die Frage, was eine gute Therapie ausmacht, nicht ganz beziehungsweise nur in Teilen beantwortet. Nie zuvor habe ich beim Lesen aber so eine Achterbahn an Gefühlen durchlebt wie bei diesem Buch. Ich hatte immer wieder das Empfinden, selbst auf dem Sofa bei Lori Gottlieb zu sitzen. Ein großartiges Buch, das wie ein Reigen aus einzelnen Geschichten das Leben und den Alltag einer Psychotherapeutin und tollen Autorin beschreibt."

Katarina Schickling: Der Konsumkompass

Katarina Schickling ist Journalistin und Dokumentarfilmerin. Ihre Schwerpunktthemen sind nachhaltiges Konsumverhalten und bewusste Ernährung. Zum Thema Konsumverhalten hat sie dieses Buch geschrieben, das man wie ein Nachschlagewerk lesen kann, das aber auch wichtige Fragestellungen bearbeitet. Zum Beispiel geht es um die Rolle der Konsumenten. Welche Macht haben Verbraucher und welche Verantwortung kommt ihnen deswegen zu? Welchen Einfluss können Konsumenten auf die Hersteller ausüben?
Die persönliche Ökobilanz positiv verändern und dadurch Signale an die Wirtschaft senden. Das klingt im ersten Moment schrecklich kompliziert, viel zu viele Angebote, viel zu viele oft widersprüchliche Aussagen, was richtig oder falsch ist, prasseln auf uns ein.
Katarina Schickling hat es mit diesem Buch geschafft, uns einen Wegweiser durch das Dickicht an Informationen an die Hand zu geben. Dabei behandelt sie alle wichtigen Bereiche des Konsumverhaltens: Müll, Ernährung, Haushalt, Verkehr und Energie. Diese Informationen hat sie genau recherchiert und unterlegt all ihre Angaben mit den Ergebnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen, Tabellen und Statistiken. Außerdem erzählt die Autorin von ihren eigenen Erlebnissen und Erfahrungen im Konsumdschungel.

Der Konsumkompass

Sabine Abel: "Geht es eher darum, auf den Transportweg, den mein Essen hinter sich hat, zu achten? Oder ist es wichtig, möglichst wenig Verpackungsmüll zu produzieren? Oder muss beides optimal sein, damit mein ökologischer Fußabdruck halbwegs passabel ist? Solche und noch viele weitere Fragen, die sicher nicht nur ich mir immer wieder stelle, werden mit diesem Buch beantwortet. Das Angenehme: Es gibt nicht nur ein Richtig oder Falsch. Nach Katarina Schickling sind Widersprüchlichkeiten erlaubt, und wichtig ist, dass jeder von uns versucht, bewusster zu konsumieren. Damit ist schon viel gewonnen!"

Silke Kipper: Die Nachtigall. Ein legendärer Vogel und sein Gesang.

Seit hunderten von Jahren ist der Gesang der Nachtigall berühmt. In zahlreichen Dramen und Gedichten fand er seinen Platz. Johann Matthäus Bechstein hat vor mehr als 200 Jahren sogar versucht, den Klang in Buchstaben zu fassen und aufzuschreiben. Alles was man daraus erkennen kann, ist, dass der Gesang irrsinnig komplex und sehr kompliziert ist.
Silke Kipper, die die Nachtigall seit mehr als 20 Jahren erforscht, hat jetzt ein Buch über den ansonsten recht unscheinbaren Vogel und seinen überaus speziellen Gesang geschrieben. Zum Beispiel lernen wir, dass der Vogel mit seinem Gesang in erster Linie die Markierung seines Territoriums festlegt, außerdem dient der Gesang als Balzruf.
Sehr viel weiß die Wissenschaft noch immer nicht über die Nachtigall, die abgesehen von ihrem Gesang eher unspektakulär daherkommt, braungraues Gefieder, eher klein. Molekularbiologisch wird sie als Fliegenschnäpperin eingeordnet, was sich aber auch nicht als stimmig erweist, denn Nachtigallen fangen ihre Beute nicht im Flug, was "Schnäppern" aber eigentlich bedeutet. Der Gesang allerdings gibt den Wissenschaftlern noch viel mehr Rätsel auf. Er umfasst über 200 Strophen und ist richtig laut. Manche Männchen schaffen bis zu 70 oder gar 90 Dezibel, so laut wie ein Staubsauger. In ihrem Buch analysiert Kipper die einzelnen Teile des Gesangs, erklärt uns, dass Nachtigallen sich darauf vorbereiten, so ähnlich wie ein menschliches Räuspern.

Die Nachtigall

Sabine Abel: "Dieses Buch ist ein großes Vergnügen auch für Nicht-Ornithologen, also alle, die sich nicht beruflich oder als Hobby mit Vögeln beschäftigen. Es ist sehr verblüffend, welch ausgefeiltes Kommunikationssystem diese Vögel miteinander verbindet. Silke Kipper füttert uns mit Informationen wie Vögel ihr Küken mit Würmern. Und mir ging es wie den Küken, ich konnte gar nicht genug bekommen! Trotz vieler Rätsel, die die Nachtigall uns nach wie vor aufgibt, beantwortet dieses Buch viele spannende Fragen und gibt faszinierende Einblicke in die Welt dieses Singvogels."

Viel Spaß beim Lesen wünschen Sabine Abel und "Wir in Bayern"!


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