BR Fernsehen - weiß blau


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weiß blau Rund um Schwabach

Schwabach ist eine Stadt mit reichem und vor allem auch mit eigenständigem Kulturleben. Diese Botschaft mag für die Schwabacherinnen und Schwabacher selbstverständlich klingen. Für alle, die die freie Kreisstadt unweit von Nürnberg (aber eben nicht Teil Nürnbergs) nicht kennen, wollen wir in unserer heutigen Sendung herausarbeiten, was am Kulturleben von Schwabach eigenständig und einzigartig zugleich ist.

Stand: 19.07.2014 | Archiv

Ganz Schwabach ist ein Ort der Kunst, natürlich nicht an jedem Tag im Jahr, das wäre dann wohl auch irgendwann fad, aber alle zwei Jahre trifft das ganz sicher zu. Dann kommen anlässlich der "Ortung" genannten Kunsttage rund zwei Dutzend Künstlerinnen und Künstler in die Schwabacher Innenstadt. Sie zeigen ihre Kunst an verschiedensten Orten, von alten Waschküchen und Dachböden bis hin zu Grünflächen und Innenräumen öffentlicher Gebäude, wie etwa der "Alten Synagoge" in Schwabach. Mehrere tausend Besucherinnen und Besucher hat die alle zwei Jahre stattfindende "Ortung". Das nächste Mal soll es dieses Kunstfest im Jahr 2013 geben.

Ganz Schwabach ist ein Ort der Kunst

Franken, Juden, französische Hugenotten und Ungarndeutsche, all diese Bevölkerungsgruppen hatten mehr oder minder starken Einfluss auf die Stadtgeschichte und kulturelle Prägung des heute rund 39 000 Einwohner zählenden Schwabach. Im 17. Jahrhundert kamen die französischen Hugenotten, nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich Ungarndeutsche an, ein Judenviertel gab und gibt es über einige Jahrhunderte in Schwabach und dass in einer fränkischen Stadt viele Franken leben, ist ohnehin selbstredend. Obwohl, so selbstredend vielleicht gar nicht mal, sieht man auf den Ortsnamen, der sinngemäß "Bach der Schwaben" heißt. Wo auch immer her, wann auch immer, die Schwaben kamen, das weiß selbst die Forschung heute nicht mehr so ganz genau.

Predigten in französischer Sprache wurden über lange Zeit hinweg, bis weit ins 19. Jahrhundert, in Schwabach gehalten. In der "Franzosenkirche", für die nicht geringe Anzahl französischer Hugenotten. "Poujol" hieß der letzte Schwabacher Pfarrer, der in französischer Sprache predigte. Im Jahr 1892 starb er, nach ihm ist heute die "Poujolsgasse" im Schwabacher "Franzosenviertel" benannt. Apropos Frankreich: Heute ist die französische Atlantikstadt "Les Sables d´Olonne" eine von drei Partnerstädten Schwabachs.

Eine jüdische Laubhütte von einzigartiger kulturgeschichtlicher Bedeutung wurde im Jahr 2001 bei Renovierungsarbeiten an einem Wohnhaus im jüdischen Viertel von Schwabach entdeckt. Das Besondere daran: Es ist nur ganz selten der Fall, dass man in Bayern auf eine an ihrem ursprünglichen Platz stehende Laubhütte stößt. Außer in Schwabach nur noch in Fürth sowie im unterfränkischen Veitshöchheim.

Der Königsplatz in Schwabach

Kabarett im Dialekt der Ungarndeutschen führen die "Schnitzerneggl" auf. Drei jeweils in den 1950er Jahren geborene Schwabacher, die von ihren Eltern und Großeltern den sogenannten "Nemetkerer Dialekt" gelernt haben. Aus der Gegend des ungarischen Dorfes namens "Nemetker" wurden insgesamt über 1500 Ungarndeutsche nach Ende des Zweiten Weltkrieges nach Schwabach umgesiedelt. Der "Nemetkerer Dialekt" ist – salopp ausgedrückt – eine Mischung aus allem, nun ja, zumindest aus sehr vielem. Eine Mischung aus Franken, Hessen, Saarländern, Schwaben lebten vor ihrer Vertreibung im Gebiet von Nemetker zusammen. Daß die "Schnitzerneggl" dieses sprachkulturelle Erbe durch ihre Kabarettauftritte bewahren, ist an sich schon eine wertvolle Kulturleistung. Übrigens: "Schnitzerneggl", dass ist im Nemetker Dialekt der Begriff für ein Gericht mit Teigflecken, etwas Paprikapulver, angebratenen Zwiebeln, auch Kartoffel braucht man für die Zubereitung.

Eine Marionettenbühne mit langer Tradition gibt es in Schwabach. Auf das Jahr 1945 geht die "Schwabacher Marionettenbühne" zurück. Mehr als 60 Inszenierungen wurden dort im Lauf von über sechs Jahrzehnten kreiert. Auf dem Spielplan stehen Stücke für drei Zielgruppen: "Theateranfänger" = Kinder ab zweieinhalb Jahren, Vorschulkinder und Grundschulkinder, sowie Jugendliche und Erwachsene. Für letztere ist auf dem aktuellen Spielplan das Stück: "Die Mondlaterne". Ein "anarchistischer Schwank", wie es im Internetangebot der Marionettenbühne heißt. Na dann.

Besuch beim Bildhauer Clemens Heinl

Lebensgroße Holzskulpturen sieht man an verschiedenen Orten in Schwabach. Ihr Schöpfer ist der Schwabacher Bildhauer Clemens Heinl. Früher war er ausgebildeter Orthopädiemechaniker. Damals erwachte an ihm auch das Interesse daran "Figuren zu machen". Zumal er das Handwerkszeug, was die Einschätzung der Proportionen menschlicher Körperteile angeht, beim Anfertigen von Prothesen gut lernen konnte. Später studierte Heinl an der "Akademie der Bildenden Künste" in Nürnberg und heute ist er ein anerkannter Bildhauer.

"Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar". Ein Zitat eines "Schw…". Nun, dieses Mal nicht eines Schwabachers, sondern eines Schweizers. Und der hieß Paul Klee und war einer der weltweit bedeutendsten Künstler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. "Künstlerbund Schwabach", die Künstlergruppe "Tangente", das Atelier von Eva Engelhardt und Anneliese Kraft in der Bachgasse 10, die "Galerie Gaswerk" und noch einige andere. Wenn nicht riesengroß, so doch beachtlich ist die Kunstszene in Schwabach.

Vergoldetes Rathausdach

"Last, but not least": Schwabach ist die Goldschlägerstadt in Bayern. Einfach deshalb, weil im 16. Jahrhundert die ersten Goldschläger von Nürnberg nach Schwabach abzuwandern begannen, weil ihnen in Nürnberg die Handwerksordnung zu restriktiv war. Einmal in Schwabach, sind sie dort bis heute geblieben. Goldschläger sind übrigens jene Handwerker, die Blattgold zur Vergoldung herstellen. Weltweit wird das Schwabacher Blattgold bis heute exportiert, es gibt weiterhin einige Betriebe, die es herstellen.

"Das soll Kunst sein?" Eine Frage, die sich oft stellt bei Kunst im öffentlichen Raum. Das Gute daran: die fragende Person setzt sich damit aktiv mit Kunst auseinander. Das eher Schlechte: die Frage impliziert schon die Antwort, dass die oder der Fragende Kunst eher als etwas Seltsames, vielleicht sogar Abzulehnendes empfindet. Gedanken rund um das Pro und Contra von Kunst im öffentlichen Raum entwickelt Wolfgang Binder in unserer heutigen Sendung. In der regelmäßigen Rubrik "Gedanken", in der der erfahrene Kulturjournalist – ausgehend vom Ort der jeweiligen Sendung – allgemein interessierende Fragestellungen und Ansichten gegeneinander abwägt: heute eben die Diskussionen rund um Kunst im öffentlichen Raum, am Beispiel Schwabachs und allgemein.


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